Stillstand in Brieselang: Keine Entscheidung zur Gesamtschule

Mit Spannung war die Entscheidung zum Bau einer Gesamtschule in Brieselang erwartet worden. Doch am Ende der Gemeindevertretersitzung am späten Mittwochabend – kurz vor Mitternacht – herrschte völlige Ratlosigkeit. Statt Bürgermeister Ralf Heimann (FW) einen eindeutigen Arbeitsauftrag zu geben, manövrierte sich das Gemeindeparlament in die Sackgasse. Die Abstimmung zu den beiden vorliegenden Beschlussanträgen endete jeweils unentschieden. Damit waren die Vorlagen abgelehnt. Somit ist weiterhin unklar, ob die Schule wirklich kommt. Dabei hatten beide Anträge zum Inhalt, dass eine Gesamtschule grundsätzlich gewünscht wird. Nur der Weg dahin war unterschiedlich. CDU und SPD wollten, dass unverzüglich zur Tagesordnung übergegangen wird. Termin nicht mehr zu schaffen: Das heißt, dass der am 27. März 2019 einstimmig gefasste Beschluss, die Hans-Klakow-Oberschule als eine zunächst vierzügige Gesamtschule mit Abiturstufe fortzuführen, umgesetzt wird und dazu die notwendigen Planungen in Angriff genommen sowie die Ausschreibungen eingeleitet werden. Denn ein Neubau muss her, wobei die anvisierte Fertigstellung zum Schuljahr 2021/22 nicht mehr zu schaffen ist. Bürger für Brieselang (BFB) und die Freien Wähler (FW) wollen indes, dass sich der Landkreis deutlich mehr, als bisher geplant, an dem Bauvorhaben beteiligt. Dieser hatte sich vertraglich dazu verpflichtet, maximal 6,1 Millionen Euro zuzuschießen. Die Gemeinde müsste die übrige Summe beitragen – egal wie hoch die Kosten noch steigen werden. 28 Millionen Euro: Doch schon jetzt ist klar, dass es bei den bisher kalkulierten rund 20 Millionen Euro allein für Brieselang wohl nicht bleiben wird. Da auch mit erheblichen Nebenkosten zu rechnen sei, die bisher in die Gesamtrechnung nicht eingeflossen sind, rechnen BFB und FW auf Basis neuer Zahlen mit knapp 7 Millionen Euro mehr. Einschließlich der allgemeinen Teuerung wird von 28 Millionen Euro ausgegangen, die alleine die Gemeinde tragen muss. Der Fertigstellungstermin zum Schuljahresbeginn 2021/22 war von vornherein sehr sportlich und hätte ohnehin nicht eingehalten werden können, wie die Gemeindeverwaltung sagt. So würde schon die reine Bauzeit für den ersten Bauabschnitt (Klasse 7-10) etwa anderthalb Jahre betragen. Hinzu kommen sechs bis acht Monate für die Baugenehmigung sowie die Planung und Abstimmung mit den Gremien, den betroffenen Schulen sowie die Ausschreibungen und die Abnahme des fertigen Gebäudes. Für eine Fertigstellung zum Schuljahresbeginn 2021/22 hätte sich das Haus schon seit Januar 2020 in der konkreten Bauphase befinden müssen. Die Umsetzung des im Vertrag genannten Termins zur Sicherstellung der 4-Zügigen-Schule (SEK I, Klasse 7 bis 10) ist somit nur mit Zwischenlösungen möglich. Momentan besuchen 225 Schüler die Hans-Klakow-Oberschule in der Gemeinde. Davon sind 137 Brieselanger, die übrigen 88 kommen aus dem Umland. Der Anteil der Brieselanger entspricht damit knapp 61 Prozent – ein Wert, der in den Vorjahren ähnlich hoch war. 375 Schüler mit Wohnsitz in Brieselang besuchen derzeit weiterführende allgemein bildende Schulen in Falkensee, Dallgow-Döberitz, Nauen und Elstal. Für diese ist die Gemeinde schulkostenpflichtig. Laut Gemeinde müssten die Eigenmittel für einen Neubau der Gesamtschule ausschließlich über Kredite aufgebracht werden. Eine Zahl, die Christian Achilles (BFB) gern schon im Oktober bei der Abstimmung zum Vertrag mit dem Landkreis gehabt hätte. Damals sei aber eine Gesamtsumme von 25,6 Millionen Euro genannt worden. „Wir mussten von falschen Voraussetzungen ausgehen“, kritisierte er die Beschlussgrundlage. Faire Lastenverteilung gefordert: Die beiden Fraktionen drängen auf Nachverhandlungen. Es gehe ihnen um eine faire Lastenverteilung, da ansonsten andere Projekte in den nächsten Jahren auf der Strecke bleiben würden. So plädierten sie dafür, dass Geld für eine erneute europaweite Ausschreibung in den Nachtragshaushalt eingestellt wird. Dieser Posten sollte aber mit einem Sperrvermerk versehen werden, der erst aufgelöst wird, wenn es mit dem Landkreis eine Einigung über eine angemessene Kostenverteilung gibt und diese durch die Gemeindevertretung bestätigt wird. Kein Anlass für Verhandlungen: Doch ob der Landkreis sich darauf einlässt, ist eher zweifelhaft. Vize-Landrätin Elke Nermerich, die an dem Abend extra nach Brieselang gekommen war, sieht für Nachverhandlungen zum Vertrag mit Brieselang keinen Anlass. „An der Faktenlage hat sich aus unserer Sicht nichts geändert. Wir würden die Gesamtschule gerne mit Ihnen realisieren wollen“, sagt sie zu den Gemeindevertretern. Enttäuschung auch bei ihr nach der Abstimmung: „Das ist sehr schlecht für die Schüler im Osthavelland. Das bedeutet erst einmal Stillstand. Als Landkreis hätten wir uns gewünscht, dass die Planungen weiter gehen“, meinte sie. Zeitverzug vorprogrammiert: Denn ohnehin ist Zeitverzug schon vorprogrammiert, nachdem die Brieslanger Gemeindevertreter vor Kurzem die Ausschreibung für das Planungsbüro aufgehoben hatten. Elke Nermerich wies aber noch auf einen anderen Aspekt hin, der Brieselang in Zugzwang bringen könnte. „Sie haben beschlossen, für die Umwandlung der Oberschule in eine Gesamtschule einen Antrag zu stellen und dieser ist vom Ministerium genehmigt worden. Damit haben Sie auch die Verpflichtung, die Schule zu betreiben.“ Die Oberschule ist damit bald Geschichte. Einladung an Fraktionschefs: In Brieselang steht nun wohl eine Krisensitzung an. „Ich werde versuchen, die Fraktionsvorsitzenden einzuladen“, sagte Bürgermeister Heimann. Ansonsten werde die Verwaltung erst einmal am Projekt weiterarbeiten, so weit es geht. So will Heimann wegen der notwendigen Kredite Kontakt mit der Kommunalaufsicht aufnehmen, und die Verwaltung soll Finanzierungsvorschläge erarbeiten sowie den Nachtragshaushalt vorbereiten. Dass viele Brieselanger eine Gesamtschule wünschen, das machte Jacqueline Henne zu Beginn der Sitzung deutlich. Sie hatte eine Online-Petition mit dem Titel „Wir wollen Abitur in Brieselang“ gestartet, die noch bis 8. März läuft. „Ich würde mir für meine Tochter wünschen, dass sie hier in Brieselang ihr Abitur machen kann. Und deshalb hatte es mich gefreut, dass das Projekt gestartet worden ist.“ Über 370 Unterschriften wurden bisher geleistet, darunter sind 316 Brieselanger. Brieselang ist Ausnahme: Ein Verfechter der Gesamtschule ist Michael Koch (CDU), der sich über die Zweifel jetzt wunderte. „Die Gemeindevertreterbeschlüsse wurden ja nicht in einem Zustand geistiger Umnachtung getroffen. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass Brieselang berücksichtigt wurde. Und es ist eine Ausnahme, dass eine Gemeinde, die nicht Mittelzentrum ist, eine Gesamtschule bekommt.“ Andere Kommunen wie Wustermark würden sich freuen. Kein Verständnis hat Koch dafür, dass in die Gesamtkosten Probleme mit dem Sportplatz, dem Heizhaus und der Horterweiterung hineingerechnet werden. „Das hat alles nichts mit der Gesamtschule zu tun.“ Nicht um jeden Preis: Harald Brockmann (FW) meinte indes: „Wir wollen eine Gesamtschule, aber nicht um jeden Preis.“ Und Kai Nagel (Grüne) sagte: „Ich sehe nicht, was wir gewinnen, wenn wir das Vorhaben weiter verzögern. Wir haben keinen Plan B.“ Zudem appellierte Antje Koch von den Linken vor der Abstimmung: „Auch als Mutter von drei Kindern bitte ich, auch als Mensch und nicht nur als Partei abzustimmen.“ Christian Achilles sieht indes einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Landkreis entspannt entgegen, falls Brieselang seinen Pflichten aus dem Vertrag nicht nachkommt. „In den Verträgen steht kein Schadenersatz drin. Und letztlich ist der Landkreis verpflichtet, Schulplätze herzustellen.“ Auf die Frage von Aileen Jütterschenke (SPD), was passieren würde, wenn die Nachverhandlungen mit dem Landkreis scheitern, ließ er sich nicht in die Karten gucken: „Das Ergebnis von Verhandlungen bewertet man, wenn es vorliegt.“ Von Andreas Kaatz

Brieselang - Stillstand: Keine Entscheidung zur Gesamtschule