Dallgow-Döberitz: Schwerkranker fuhr mit dem Wünschewagen in den Harz

Es gibt letzte Reisewünsche, die bleiben dem ASB-Team noch lange in Erinnerung. Es sind Anfragen, die im ersten Moment völlig unmöglich erscheinen, aber die Ehrenamtlichen des Brandenburger Wünschewagens erst recht motivieren, alle Hebel für diese Wünsche in Bewegung zu setzen. Ein solcher Wunsch kam Mitte September aus Dallgow. Eine Frau schrieb: „Mein Mann hat nur noch wenige Wochen zu erwarten. Sein Wunsch ist es, in den Harz zu fahren und einmal, wenn es möglich ist, mit der Seilbahn über die Talsperre zu fliegen“. Stets an seiner Seite: Daniela Desens hatte ihren 46-jährigen Ehemann Frank bis dahin bei seinem langen Kampf gegen den Blasenkrebs unterstützt und war stets an seiner Seite, als nach der niederschmetternden Diagnose zahlreiche Therapien folgten, bei denen Frank Desens immer wieder um sein Leben bangte. Leider streute der Krebs im Körper weiter, so dass er inzwischen nur noch palliativ behandelt wurde. Der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Landesverband Brandenburg ist seit September 2016 auf den Straßen des Landes unterwegs und erfüllt sterbenskranken Menschen einen letzten Herzenswunsch. Einmal noch ans Meer, einmal noch nach Hause oder zur Hochzeit der Kinder – der Wünschewagen bringt seine Fahrgäste zu einem Ziel ihrer Wahl. Eine notfallmedizinische Grundausstattung gehört in den Wünschewagen, der speziell ausgebaut ist. Mehr als 70 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus dem Land Brandenburg engagieren sich im landesweiten Wünschewagen-Team. Die Fahrten sind für die Reisenden und eine Begleitperson kostenfrei. Das Projekt wird rein ehrenamtlich getragen und ausschließlich durch Spenden finanziert. Um weiterhin die Wünsche aller Fahrgäste erfüllen zu können, ist eine finanzielle Unterstützung sowie eine ehrenamtliche Mitarbeit jederzeit willkommen. Eines aber blieb bestehen: Der Traum vom Flug über die Talsperre. Mit einer großartigen Familie und vielen Freunden im Rücken sollte Frank Desens dieser Herzenswunsch vom Team des Brandenburger Wünschewagens erfüllt werden. Organisation verlief reibungslos: Projektkoordinator Hans-Jürgen Hankiewicz erinnert sich: „Zuerst hatte ich große Bedenken, ob wir das hinkriegen können, da stellen sich Fragen nach dem Befinden des Fahrgastes und ob er sich nicht überfordert. Letztlich merkte ich aber im Gespräch mit Frank Desens, dass er das schafft. Die Organisation verlief reibungslos, das Personal der Seilbahn arbeitete einen Plan aus und orientierte sich wirklich toll an den Bedürfnissen unseres Fahrgastes.“ Hans-Jürgen Hankiewicz und die Ehrenamtlichen Marcus Ludwig und Karola Losensky trafen Frank Desens und seine Angehörigen am 8. Oktober in Dallgow und starteten von dort die Reise zur Rappbodetalsperre in Sachsen-Anhalt, inklusive eines großen Gemeinschaftspicknicks auf halber Strecke. Frank Desens blieb tapfer: Die „Megazipline“ ist Europas größte Doppelseitrutsche über dem Sportbecken der Talsperre Wendefurth mit einer Länge von einem Kilometer und einer Höhenüberwindung von 120 Metern. Beim Blick über das Tal bekam Frank Desens dann zwar doch etwas „Muffensausen“, wie er gestand, aber er blieb tapfer. Mit Helm und Sicherheitsausrüstung ging es los – unterstützt vom Bruder, der auf der Nebenbahn nebenherflog. „Es war pures Adrenalin und einfach nur unbeschreiblich“, sagte Frank Desens nach der Fahrt über die Talsperre. Er war so überwältigt, dass ihm die Tränen kamen. Seine Angehörigen nahmen ihn im Ziel in Empfang, und es war für alle ein hochemotionaler Moment. Überglücklich nach Hause: Frank Desens trat die Rückfahrt zwar erschöpft, aber überglücklich an. Zurück zu Hause bekam er vom Wünschewagen-Team noch seine persönliche „Wünschemaus“ – eine von freiwillig engagierten Menschen gehäkelte Wollmaus, die Fahrgäste nach jeder Reise erhalten – sowie ein Fotoalbum mit den Impressionen dieses besonderen Tages überreicht. Die Fahrt in den Harz wurde von einem Kamerateam begleitet, das für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerade zufällig die Arbeit des Brandenburger Wünschewagens begleitete. Die Ausstrahlung des Beitrags wird voraussichtlich im Januar erfolgen. Jedes Mal eine Einzelfallentscheidung: Seit dem zweiten Corona-Lockdown können die Reisewünsche nur spärlich erfüllt werden. „Es ist jedes Mal eine Einzelfallentscheidung“, sagt Hans-Jürgen Hankiewicz. „Fahrten in den öffentlichen Raum, etwa an die Ostsee, können nicht durchgeführt werden, weil es keine Restaurants gibt. Fahrten in die Häuslichkeit sind dann problematisch, wenn Familien aus verschiedenen Haushalten teilnehmen wollen, da müssen wir dann schauen.“ Doch kleinere Fahrten sind unter strengen Hygienemaßnahmen trotzdem machbar und ein kleiner Lichtblick für die Wünschenden in Brandenburg. Von Fanni Brinkmann