Dallgow-Döberitz/Seeburg: Skelette bei Bauarbeiten an L20 entdeckt

Selbst im leichten Nieselregen halten einige Schaulustige an, um einen Blick in die knapp einen Meter tiefe Furche an der Straßenbaustelle in Seeburg zu werfen. Dort sind drei Arbeiter in Warnwesten mit Spachtel und Pinsel zugange. Überraschungsfund unter der Straße: Sie legen nach und nach behutsam die über 20 Gräber frei, die während der Bauarbeiten der L20 unter der Straße und dem Gehweg zum Vorschein kamen. Seit Anfang März wird die Ortsdurchfahrt Seeburg erneuert, bereits wenige Tage nach Baubeginn wurden die ersten menschlichen Überreste gefunden. Man hatte Straße und Bürgersteig zur Erneuerung aufgerissen. Darunter war der helle Sand zum Vorschein gekommen, in dem sich die Gräber säuberlich aufgereiht zeigten. Gräber nach christlichem Brauch: Die Gräber stammen wohl vom angrenzenden Kirchfriedhof, der früher einmal größer gewesen sein musste. Alle Gräber sind nach christlichem Brauch mit dem Kopf Richtung Westen ausgerichtet. Vermutungen, nach denen die Gebeine von Suizidalen stammen, die man außerhalb des Friedhofes beerdigt hat, scheinen Gerüchte zu bleiben. Lesen Sie auch Archäologen entdecken Munition in Bad Belzig Nach Fund in der Uckermark: Jungsteinzeit-Skelett gibt weiter Rätsel auf Teltow: Archäologen stoßen auf Münzen aus dem 16. Jahrhundert Die angrenzende Seeburger Kirche aus Feldsteinen stammt aus dem 13. Jahrhundert. Ob die Gräber auch so alt sind, lässt sich bezweifeln. Bei einem Skelett wurde allerdings eine abgeschrägte Kopfgrube entdeckt, was ein Hinweis auf eine mittelalterliche Bestattungsweise sein kann. Zunächst wurde das etwa 70 Meter lange Teilstück der Straße mit einem Bagger etwa einen Meter tief ausgehoben. Von dort aus arbeitet sich das Team aus Archäologen und Grabungstechnikern mit Spachtel und Schaufel Schicht für Schicht tiefer. Bagger statt Pinsel: Obwohl sich viele die Arbeit eines Archäologen immer mit Pinsel und Schippe vorstellen, ist das lange nicht immer so, erklärt Ursula Uhl vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. „Pinsel und Spatel sind nur die halbe Arbeit. Wir sind viel öfter mit dem Bagger zugange, als man denkt, aber die Leute interessieren sich natürlich mehr für solche filigranen Arbeiten, wenn man schon etwas gefunden hat.“ Die freigelegten Fundstücke werden fotografiert und vermessen, sodass die Fundgruben später am Computer nachgezeichnet werden können, um eine umfassende Übersicht über die Grabungsstätte zu haben. Würden die Gebeine einfach liegenbleiben, würden sie durch das Gewicht der Autos und LKW auf der Straße zerdrückt werden. Unter dem Bürgersteig neben der Straße lässt man sie allerdings ruhen. Der Druck von Fußgängern und Fahrradfahrern kann den Skeletten in etwa einem Meter Tiefe wenig anhaben. Der helle Sand, der typisch für Brandenburg ist, enthält außerdem nur wenig Kalk. Dadurch zerfallen die knöchernen Überreste unter der Erde schneller als anderswo. Nachdem die Überreste untersucht wurden, könnte man die Gebeine wieder auf dem Friedhof der Dorfkirche bestatten, schlägt Harald Wunderlich (Freie Wähler) vor, der sowohl im Ortsbeirat Seeburg als auch in der Dallgower Gemeindevertretung sitzt. Straßenbau verzögert sich: Grundsätzlich sei das auch kein Problem, vorher werden sich allerdings noch Anthropologen der Überreste annehmen. Sie können die Funde auch zeitlich genauer einordnen. Weiter in Richtung Ortsausgang könnten noch mehr Skelette im hellen Sand liegen, vermutet Ursula Uhl. Aktuell geht man von mehreren Wochen Bauverzögerung durch die Ausgrabungen aus. Kanalisationsarbeiten laufen trotzdem weiter: Ursprünglich waren die Einschränkungen bis Ende April prognostiziert worden. Autofahrer von und nach Potsdam müssen also weiterhin die Umleitung über die A10 befahren. Allerdings liegen die Bauarbeiten nicht komplett brach. Neben dem archäologischen Team kümmern sich Arbeiter einige Meter weiter um die Erneuerung der Regenwasserkanalisation. Im Zuge des Straßenbaus soll die Kreuzung in Seeburg eine zusätzliche Linksabbiegerspur in Richtung Berlin bekommen sowie eine neue Straßenbeleuchtung aufgestellt werden. Auch ein Blitzer im Bereich der Ortsdurchfahrt ist im Gespräch. Das Land Brandenburg investiert in das Vorhaben etwa 2,2 Millionen Euro. Die Gemeinde Dallgow-Döberitz beteiligt sich mit etwa 153.000 Euro. Von Max Braun