Landrat Roger Lewandowski war schon eine ganze Weile da. Zusammen mit Gemeindevertretern, Ortsbeiräten, dem Bürgermeister und der Amtsdirektorin war man durch das Dorf gelaufen. Kotzen – eine der Stationen des Landrates bei seinem Gemeindebesuch im Amt Nennhausen.
Auf dem Rückweg vom Sportplatz zum Jugendclub, da nahm sich Bürgermeister Thomas Behlke den Landrat zur Seite. Und alle anderen in der Gruppe wussten, was nun kam und störten die beiden nicht. Behlke schilderte Lewandowski die Finanzsituation von Kotzen.
Geringe Einnahmen
Geld hat die Gemeinde nicht. Sie gehört zu den ärmsten im Landkreis Havelland. Für Amtsdirektorin Ilka Lenke ist das dramatisch. Denn in Kotzen wird das Geld nicht mit vollen Händen rausgeschmissen. „Tatsache ist, dass wir hier sehr wenig einnehmen. Es gibt Gemeindesteuern und die wurden auch angepasst. Aber das reicht nicht.
Viele Rückkehrer
Denn Kotzen ist ein junges Dorf. Sven Irrgang erklärt dem Landrat gerne, weshalb. „Wir hatten hier viele Familien, da sind die Kinder irgendwann fort gezogen. Nun haben die aber selber Kinder und wollen wieder zurück. Das hat dazu geführt, dass hier viele junge Familien wieder in Kotzen ihren Wohnsitz nehmen.“
Solche Nachrichten hört Landrat Roger Lewandowski gerne. Denn das ist sein Credo. Dörfer müssen so interessant sein, dass junge Familien hier wohnen wollen – auch wenn nicht gleich ein Kaufladen um die Ecke ist.
Kredit reicht nicht
Die Jugend ist aber zugleich das Problem – rein finanzpolitisch gesehen. „Das treibt die Umlagen hoch, das sind Pflichtausgaben“, sagt Ilka Lenke. Und dann bleibt für Investitionen kein Cent mehr, im Gegenteil – in diesem Jahr reicht der Kassenkredit nicht aus.
Keine Dauerlösung
Ein Teufelskreis, aus dem nur die Landespolitik helfen kann. „Für diese Situationen muss es gesetzliche Lösungen geben“, fordert die Amtsdirektorin und weiß sich dabei mit dem Bürgermeister einig. Zwar wurde auch für dieses Jahr wieder ein Antrag beim Innenministerium gestellt, um Geld aus dem Fonds für Not leidende Kommunen zu bekommen. Eine Dauerlösung ist das aber auch nicht.
Unbeeindruckt von alledem erledigt der HSV Kotzen seine Vereinsarbeit und ist dabei extrem erfolgreich. Der Jugendclub ist ein Schmuckstück. Neu eingerichtet und in vielen freiwilligen Arbeitsstunden schön gemacht. Auch hier kümmert sich der Heimat- und Sportverein. „Unsere Zielgruppen sind Jugend, Senioren, Sport und Dorfkultur“, sagt Sven Irrgang.
Viele Angebote
Einmal in der Woche dürfen etwas reifere Jugendliche alleine den Club nutzen. Das funktioniert ganz gut, erfährt Landrat Lewandowski. Unter der Woche sind zu den Öffnungsstunden nie weniger als sieben oder acht Kinder da. Osterfeuer, Ladies Night, Kinderfest, Parkfest, Sportfest, Halloween, Spieleabend und Lichterfest mit Adventssingen. „Eigentlich hatten wir zur letzten Hauptversammlung gesagt, dass wir mehr Termine nicht mehr stemmen können“, sagt Irrgang. Später war es dann sogar ein Termin mehr.
Viel zu tun
Herzstück der Vereinsarbeit ist der neue Dorfplatz. Mit einer Leader-Förderung wird er zum Schmuckstück herausgeputzt. Ein zentraler Veranstaltungsort für viele Gelegenheiten, eine grüne Lunge. Der Spielplatz ist bereits hergerichtet. Aber es gibt noch viel zu tun. Und der Verein greift dabei auch tief in die eigene Tasche.
Landrat Lewandowski rät dem HSV, weitere Finanzquellen anzuzapfen. Die Förderung durch die MBS-Vereinsstiftung sei eine gute Möglichkeit. Er wird dem Verein entsprechende Informationen zukommen lassen.
Die Wahlhelfer
Letztlich geht es um Identität. Die sollen sich die Kotzener auch über ein neues Dorfwappen herdefinieren. Eine entsprechende Umfrage wird zum kommenden Sonntag im Wahllokal des Dorfes ausliegen. Die Wahlhelfer kommen – wie soll es anders sein? – vom HSV.
Woher der Name stammt
Da geht was, in dem Dorf mit dem eigentümlichen Namen. Ja, der Name. Natürlich fragt Landrat Roger Lewandowski auch danach. Der Ortsname ist slawischen Ursprungs und bedeutet „Ort, wo haarige Pflanzen wachsen“. Kotzen ist 1352 erstmals unter dem Namen Cozym erwähnt worden.
1353 wurde der heutige Ortsteil Landin als Besitz der Familie von Bredow urkundlich erwähnt. Schloss und Gut Kotzen standen seit dem 14. Jahrhundert bis zur Enteignung durch die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone im Eigentum der Familie von Stechow.
Der Ortsteil Kriele ist vermutlich von Einwanderern aus dem Rheinland (wahrscheinlich Kriel bei Köln) gegründet worden, seine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem 13. Jahrhundert.
Etwas gelernt
Da staunt auch Amtsdirektorin Ilka Lenke und sagt: Heute habe ich wieder was gelernt.“
Von Joachim Wilisch