30 Jahre Wende: Pornoärger in Falkensee, Musik auf dem Todesstreifen

Vor 30 Jahren schwappte die Videowelle über Falkensee. „Pornos“ sorgten für Aufregung in der Stadt. Die „Märkische Volksstimme“ berichtete über die Ereignisse. Die Videothek „Die Videowelt“ eröffnete im Frühsommer 1990 in der Leninallee 108, Videorekorder und Filme konnten ausgeliehen werden. Im Juli folgte eine Videothek in der Poststraße. Der Ansturm war groß, aber der Ärger auch. Die Stadtverwaltung untersagte nämlich den Vertrieb und die Schaufensterauslage von pornografischen Erzeugnissen, eine entsprechende Betriebserlaubnis konnte der Laden nicht vorweisen. Aufbruch und Neugründungen: Es war die Zeit des Aufbruchs und der Neugründungen. Elektro-Brecht in Falkensee, Privatgaststätte in Waldheim, Werbeagentur Kölling, Änderungsschneiderei Durdel – 115 neue Handwerksbetriebe waren im ersten Halbjahr 1990 im Kreis Nauen angemeldet worden. Sozialistische Betriebsformen mussten in solche überführt werden, die dem kapitalistischen Rahmen entsprachen. Aus den ehemals KWV, den Kommunalen Wohnungsverwaltungen, wurden GmbH. In Falkensee entstand die Gegefa und erbte einen gerade begonnenen Plattenbau. Die Falkenseer SVV beschloss sogar die Gründung einer Havelländischen Wohnungsbaugesellschaft, in die möglichst alle Kommunen des Landkreises und darüber hinaus beitreten sollten. Aber diese Pläne wurden nicht umgesetzt. Streit über HO-Nachfolge: Heftig gestritten wurde im Kreistag Nauen über die vielen HO-Betriebe und HO-Gaststätten, die waren inzwischen zur Märkha GmbH zusammengeschlossen. Der Kreistag wollte die Gesellschaft und ihre Verflechtung mit Konsum und Großhandel zerschlagen, die Märkha selbst wehrte sich dagegen – schließlich aber erfolglos. Orientierungshilfe für die Marktwirtschaft: Täglich prasselten neue Themen auf die Menschen ein: Es gab die ersten Arbeitslosen, es gab Drogen- und Aidsberatungen, die DAK und die AOK schickten ihre Berater aus dem Westen, um im Osten Krankenkassenstrukturen aufzubauen, Sportgemeinschaften formierten sich zu Sportvereinen um, die Volkshochschule in Falkensee bot Orientierungskurse zu den Themen Bilanzierung, Steuern, Buchführung, Bewerbungstraining; selbst ein Kurs zu Verstehen der SFB-Fernsehsendung zur Marktwirtschaft wurde angeboten. Die 50-köpfige Stadtverordnetenversammlung hatte im Mai ihre Arbeit aufgenommen, Jürgen Bigalke (SPD) war als Bürgermeister gewählt worden. Nach und nach wurden die Amtsleiterstellen besetzt. Ideen für Stasi-Objekt: Inhaltlich hatte sich das neue Parlament mit etlichen Reizthemen zu befassen: So sollte das geheimnisumwitterte Stasi-Erholungsobjekt in der Haydnallee öffentlich genutzt werden, die Abgeordneten setzten auf eine Ausschreibung, das Haus sollte für sozial schwache und behinderte Falkenseer Bürger genutzt werden, eine Stiftung sollte dafür gegründet werden (daraus wurde später nichts, heute ist das Haus am Falkenhagener See wieder ein Wohnhaus, als was es ursprünglich auch einmal errichtet worden war). Aufregung auch um die Gaststätte „Seeblick“ am See und das benachbarte Naherholungszentrum, die neuen Betreiber kamen den Verpflichtungen nicht nach, angeblich war ein Altanspruch gestellt worden und behinderte jede Investition. Bürgerinitiativen entstanden: Mitreden und Mitmachen – das war an vielen Stellen in Falkensee zu erleben. Es entstanden mehrere Bürgerinitiativen: das Bürgerkomitee „Rettet den Falkenhagener See“, die BI „Ja zur S-Bahn“ und „Wohnen - Falkensee“. Die Stadtverwaltung suchte öffentlich umweltinteressierte Bürger für die Arbeitsgruppe „Baumschutz“. Gefragt war die Meinung der Falkensee an vielen Stellen: das reichte von der Umbenennung von Straßen und Schulen bis zur Namenssuche für den Wochenmarkt. Verkehrsdichte wird diesen Sommer Rekorde brechen – Verkehrserziehungsfilme werden im Ala-Kino gezeigt. Baubeginn für Supermarkt im Wohngebiet Falkenhorst – Rewe war im Gespräch. Erste Heimstadt für Übersiedler – die Unterkünfte der Grenztruppen sollen neu genutzt werden. Was uns unter den Nägeln brennt – Veranstaltung für Mieter, Nutzer, Pächter und Käufer von sogenannten Westgrundstücken. Bausparen, aber wie? – Informationsveranstaltung der BHW Bank. Zügeln Sie sich und die Kraft unter der Haube des neuen Pkw – die Volkspolizei warnt die Autokäufer. An Sonntagen keine Schießübungen mehr – Landrat Burkhard Schröder (SPD) spricht mit Vertretern der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte und erhält dabei die Zusage: von sonnabends 14 Uhr bis montags 8 Uhr sowie an Werktagen zwischen 1 und 8 Uhr werden in der Garnison Elstal/Krampnitz die Schießübungen unterlassen. Derweil trennte die einstige Staatsgrenze immer weniger, neue Übergangsstellen entstanden: im Juni in Falkenhöh an der Martin-Luther- und Pestalozzistraße ein Übergang für Fußgänger und Radfahrer, in Staaken wurden die Feldstraße, der Nennhauser Damm, die Seegefelder Straße und die Möthlower Straße geöffnet. Etwas länger mussten die Schönwalder warten, bis die Steinerne Brücke wieder offen war. Steinerne Brücke geöffnet: Neun Wochen war am 250 Meter langen Weg und einer Brücke gebaut worden, ehe die Verbindung mit einem großen Volksfest wieder eröffnet wurde; der Schönwalder Bürgermeister Wolfgang Leißner und der Spandauer Bürgermeister Werner Salomon durchschnitten ein rotes Band, die Blaskapelle vom Evangelischen Johannesstift spielte auf dem ehemaligen Todesstreifen unter anderem „Die Berliner Luft“. Von Marlies Schnaibel