Pferdeklinik Dallgow – ein Fall für alle Felle

Mit gespitzten Ohren steht Stute Loana (18) im Pferdehänger. Bei der großen Braunen ist die Nachuntersuchung fällig. „Loana hatte eine Kolik und musste notoperiert werden“, sagt ihre Besitzerin Katrin Pikarski (42), die extra aus Charlottenburg angereist ist. Neben moderner Untersuchungstechnik gibt es vier Behandlungsräume, einen OP-Raum und 27 Pferdeboxen. In einer großen Reithalle oder auf dem Reitplatz können die vierbeinigen Patienten ohne oder mit Reiter vortraben. So können sich die Ärzte ein (Krankheits-)Bild machen. Unter der Leitung der Fachtierärzte Dr. Ulrich Püllen und Dr. Nadine Richter sorgen sechs Tierärzte und über 20 Mitarbeiter/innen für das Wohl der vierbeinigen Patienten. 2011 hatte Ulrich Püllen das Riesen-Areal erworben. Ein Jahr später waren die ersten Gebäude fertig und das Team zog innerhalb Dallgows auf das neue Areal in der Dorfstraße 12. „Etwa 80 Prozent unserer Patienten haben ein orthopädisches Problem“, sagt Dr. Püllen. „Mal gibt es Symptome im Rücken, mal in den Beinen.“ Auch ein Klinik-Labor gibt es, in dem Blutwerte und Kotproben ausgewertet werden. Eines der Highlights der Klinik ist das CT-Gerät. „Im Computertomographen wird ein dreidimensionales Bild vom Knochenapparat dargestellt. So können wir genau lokalisieren, wo die Operation durchzuführen ist“, sagt der Doc. Im Stehen und ohne Vollnarkose könne der Kopf und/oder der Hals gecheckt werden. Liege das Krankheitsbild in den unteren Beinabschnitten, müsse das Pferd narkotisiert werden. Über eine spezielle Tragekonstruktion könne es an den CT herangerollt werden. Sei die Lage ernst und liege das Einverständnis des Besitzers vor, könne auch gleich operiert werden. Die Narkose würde dann in einem von zwei gepolsterten Räumen verabreicht, in denen die Tiere nach der OP auch wieder aufwachen. „Der Operationstisch lässt sich rauf- und runterfahren, um so optimal die zu operierende Stelle erreichen zu können“, sagt der Arzt. Neben den orthopädischen Eingriffen seien auch endoskopische, arthroskopische, minimalinvasive Operationen möglich. Sogar, wenn das Pferd mit Knochenbrüchen eingeliefert wird, könne man per Osteosynthese die Bruchstücke mit Hilfe von Schrauben, Platten, Nägeln oder Drähten verbinden. Ein Eingriff, den viele Pferdebesitzer aus Kostengründen scheuen. Mehrere 1000 Euro können zusammenkommen. Über einen Kran werden die narkotisierten Pferde auf die gepolsterte OP-Liege gelegt. Rund 400 Operationen führt das Klinik-Team pro Jahr durch. Aber wie auch in der Humanmedizin, ist eine OP der letzte Weg. Per Ausschlussverfahren wird zum Beispiel auch bei einer ungeklärten Lahmheit der Vorderbeine (Vorhand) vorgegangen, um das Portemonnaie der Besitzer zu schonen. „Bei der Ausschlussmethode spritzen wir ein Lokalanästhetikum, ähnlich wie beim Zahnarzt“, sagt der Veterinär. Vom Huf beginnend aufwärts, würde das Lokalanästhetikum gespritzt. Immer wieder wird das Pferd dann an der Hand vorgeführt – sowohl im Schritt als auch im Trab. Wenn das Tier schmerzfrei ist, sei die Stelle eingegrenzt, die die Lahmheit auslösen könnte. Per Ultraschall- oder Röntgengerät würde der Bereich dann sichtbar gemacht. „Dann können wir weitere Behandlungsmethoden entscheiden“, sagt der Arzt, der früher Dressur geritten ist und heute für die Sportart kaum noch Zeit findet. Um den besorgten Pferdebesitzern die Krankheitssymptomatik am Knochen- oder Bandapparat ihrer Lieblinge gut erklären zu können, hat der Doc einen Besprechungsraum eingerichtet. Dort sind an drei PCs die jeweiligen Aufnahmen der Szintigrafie, des CTs oder vom Röntgen zu sehen. Präparate wie ein Stück Pferdebein, ein Skelettkopf oder diverse Grafiken dienen zur Veranschaulichung. Pferdebesitzerin Janna (57) aus Nauen: „Ich habe auf dem Röntgenbild gesehen, dass meine Stute einen winzigen Knochenchip im Vorderfußwurzelgelenk hat, der sich bei bestimmten Bewegungen verschiebt. Jetzt verstehe ich, warum meine Stute mal lahm geht und mal nicht.“ Pferde wie Loana, die mit Verdacht einer Kolik in die Klinik kommen, müssen im sogenannten Zwangsstand untersucht werden, in dem sie links und rechts eingerahmt sind. Dort werden auch rektale Untersuchungen vorgenommen, bei denen der Arzt durch den After einen Arm einführt, um zum Beispiel mit der Hand Lageveränderungen des Darmes ertasten zu können. Eine Maßnahme, die für Pferde nicht gerade angenehm ist. Weil sie nicht vor Schreck blass werden, sondern nach hinten oder seitwärts ausschlagen, stehen sie im Zwangsstand. Auch endoskopische Untersuchungen der Bauchhöhle finden im Zwangsstand statt, genau wie die künstliche Befruchtung von rossigen Stuten, in die mit einer Besamungspipette das Sperma des auserwählten Hengstes in die Gebärmutter eingeführt wird. Jannas Laxeline blieb die Untersuchung im Zwangsstand erspart. Sie wurde im Pferdehänger nach Hause chauffiert und wird nun nicht mehr geritten. Mit ihren 22 Jahren ist sie nun offiziell Rentnerin. www.pferdeklinik-dallgow.de Von Jeannette Hix