So sieht der Lehrer-Alltag in Falkensee momentan aus

Auf dem heimischen Schreibtisch stapeln sich Arbeitsblätter, Bücher und Hefter. Manuela Kalbitz unterrichtet Informatik und Latein am Lise-Meitner Gymnasium (LMG) in Falkensee. Mit Beginn des Heimunterrichts für die meisten Klassen hat sich auch ihr Alltag nachhaltig verändert. Pro Schuljahr unterrichtet die 36-Jährige von der fünften Klasse bis zum Abitur bis zu elf verschiedene Lerngruppen. Derzeit sind nur die Abschlussklassen physisch in der Schule anwesend. Etwa 70 Prozent ihres Unterrichts findet online über Videokonferenzen und Lernplattformen statt. Trotzdem ist die zweifache Mutter aus Brieselang fast jeden Tag in der Schule. Zwei Lerngruppen gleichzeitig: Nachdem sie ihre Kinder in die Kita gebracht hat, hilft sie als Informatiklehrerin vor dem Unterricht oft noch anderen Kollegen aus, Probleme mit den Lernprogrammen oder dem Computer selbst zu lösen. Auch von Schülern erreichen Sie an manchen Tagen bis zu 15 Mails wegen technischer Fragen. Anschließend hält Manuela Kalbitz Präsenzunterricht bis 15.20 Uhr. Präsenzunterricht bedeutet momentan, dass Klassen auf zwei Räume aufgeteilt sind, um den Mindestabstand zu wahren. Im Normalfall also 14 Schüler pro Raum. In einem Raum hält sie ihren Unterricht, die anderen Schüler müssen im Nebenraum selbstständig arbeiten. Nach 45 Minuten wird getauscht und die andere Hälfte wird unterrichtet. Eine Stunde statt zehn Minuten: Auch wenn die zweifache Mutter am Nachmittag ihre Kinder abholt, bleibt das Handy immer griffbereit. Am späten Nachmittag beginnt dann die eigentliche Arbeit seit Corona: Präsenz- und Online-Unterricht müssen zumeist unterschiedlich vorbereitet werden, da die Aufmerksamkeitsspanne der Schüler online bekanntermaßen kürzer ist und sich der klassische Frontalunterricht nur bedingt eignet. Auch das Vergleichen der Hausaufgaben, die online eingereicht werden, fällt somit viel länger aus. „Was im Unterricht zehn Minuten dauert, zieht sich individuell für 28 Schüler manchmal über eine Stunde hin“, erklärt die Fachleiterin für Latein, die bereits seit 2013 am LMG unterrichtet. Mails um Mitternacht: Bis zu zwei Stunden Mehrarbeit pro Tag fallen so für Vorbereitung und Rückmeldungen an die Schüler an. Am Wochenende laufen dann bereits die Vorbereitungen für die anstehende Woche bis spätabends. Auch ihre Schüler sitzen mitunter noch spät am Bildschirm: „Manche Achtklässler schreiben mir tatsächlich auch nachts um halbeins eine Mail“, berichtet Manuela Kalbitz. Sie selbst sitzt oft auch abends noch zwei bis drei Stunden am Rechner, bereitet den Unterricht vor, meldet sich per Mail bei den Schülern oder beantwortet Fragen. Nur schwarze Bildschirme: Der Online-Unterricht werde normalerweise in mehreren kleinen Gruppen durchgeführt. Meistens sind diese wie Sprechstunden für etwa 30 Minuten ausgelegt. „Es wäre einfach nicht sinnvoll, vor allem die jüngeren Schüler acht Stunden lang durch Online-Konferenzen zu schicken“, bekräftigt die Klassenlehrerin und erinnert sich dabei an ihre eigene Schulzeit. Normalerweise blickt sie bei solchen Online Konferenzen auf zehn schwarze Bildschirme. So ist es oft schwerer nachzuvollziehen, ob jeder Schüler den Stoff auch wirklich verstanden hat. Von Berlin nach Brandenburg: Ein Großteil arbeite auch online gut mit sagt sie, aber gerade schwächere Schüler nutzen die Webkonferenzen, um sich etwas zu verstecken. „ Meine Sorge ist, dass wir gerade die aus den Augen verlieren, die es ohnehin schon schwer haben“, sorgt sich Manuela Kalbitz, die nach ihrem Volontariat in Berlin-Reinickendorf nach Brandenburg wechselte. Mitarbeit im klassischen Sinne bewerte sie auch deshalb momentan nicht. Obwohl der Kontakt zu Kollegen und Schülern auch für die junge Lehrerin wichtig ist, sieht sie den zumindest anteiligen Online-Unterricht als alternativlos. „Ich habe auch Familie und Eltern, die ich schützen will. Natürlich mache ich am liebsten Präsenzunterricht, aber nicht um jeden Preis.“ Wechselunterricht wird nicht genutzt: Bereits im letzten Sommer stand das Konzept der Schule für den sogenannten Wechselunterricht. Eine Hälfte der Schüler hätte so eine Woche in den Klassenräumen verbracht und wäre in der folgenden Woche online unterrichtet worden. Die andere Hälfte genau andersherum. Ein solches Konzept, bei dem die Schüler regelmäßig Präsenzunterricht haben, kam bisher jedoch nie zum Einsatz. Auch viele Versprechungen von Dienstlaptops oder Geräten für die Schüler wurden bisher nicht eingelöst, obwohl sie bereits im Sommer angekündigt wurden, berichtet Kalbitz. Wenigstens die Mailadressen, die jeder Schüler von der Schule bekommt, funktionieren gut. So müssen die Schüler nicht ihre privaten Adressen oder gar die ihrer Eltern benutzen. Ein Vorteil des Online-Unterrichts: Eine gute Sache sieht die informatikaffine Lehrerin im Online-Unterricht aber doch: „Durch die verschiedenen Lernplattformen lernen die Schüler schon früh, mit solchen Kommunikationsplattformen umzugehen. In Unternehmen werden Formate dieser Art fast ausnahmslos genutzt“, weiß sie. Persönliche Ängste gibt es selten: Trotz der zahlreichen technischen Nachfragen ihrer Schützlinge sei die pädagogische Seite des Lehrerberufes gut zu bewältigen, findet Manuela Kalbitz. „Die meisten meiner Schüler kommen überraschend gut mit den speziellen Umständen zurecht, Nachfragen wegen bestimmter Ängste habe ich persönlich sehr selten. Allerdings schreiben bei mir in Informatik beispielsweise auch keine Schüler ihr Abitur.“ Trotzdem machen sich Online-Unterricht und der Lockdown im vergangenen Frühjahr in so manchen Noten bemerkbar. Gerade bei Fremdsprachen rächen sich die Unterbrechungen, da vieles aufeinander aufbaue. Ihre eigenen Kinder werden frühestens im kommenden Frühling eingeschult, berichtet die 36-Jährige. Auch sie werden sich also früher als gewollt an Online-Aufgaben und unregelmäßigen Stundenplan gewöhnen müssen. Von Max Braun