Über die App „nebenan“ mit Falkenseer Nachbarn ins Gespräch kommen

Merlin Kruska, eine junge Frau mit dunklem Kurzhaarschnitt öffnet die Tür, und läuft nach vorn zum Tor. In der Hand hält sie ein etwa faustgroßes Päckchen, welches sie nun auf den Zaun stellt. Dort stehen bereits zwei bunte Packungen Schokolade. Aktuell bereitet dieser Tausch beiden Seiten eine kleine Freude. Das zierliche Päckchen auf dem Gartenzaun ist eine Druckerpatrone, von denen ich jedes Jahr mehrere verbrauche. Die Schokolade ist für die Kinder der jungen Frau aus Falkensee. Eine Idee schwappt über die Berliner Stadtgrenze hinweg: Möglich ist dieser Tausch durch die App „nebenan“. Die kostenlose Anwendung ist eine Mischung aus Online-Marktplatz, Jobbörse, Schwarzem Brett und Forum für allerlei Fragen. Das Besondere: „nebenan“ zeigt den Nutzern nur Menschen aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft und Umgebung an. Das heißt, die zu verschenkende Couchecke oder die ungenutzten, spanischen Bodenfliesen sind im Normalfall nicht länger als eine zehnminütige Autofahrt entfernt. In der Nachbarschaft und Umgebung von Dallgow-Döberitz und Falkensee zeigt das Programm bereits. Die Idee zum Tauschen und Tratschen mit seinen Nachbarn hatte der Unternehmer Christian Vollmann. Dieser entwarf die Idee bereits 2015 in seiner Wahlheimat Berlin, eigentlich für die oft anonymen Großstadtnachbarschaften. Mittlerweile hat sich das auf Computer und Handy nutzbare Programm auch ins Umland großer Städte ausgebreitet und zählt etwa 1,6 Millionen Nutzer. Eine App gegen dreiste Abzocke: Dabei ist das Verkaufen oder Tauschen über Internetplattformen eigentlich nichts Neues. Durch die lokale Begrenzung ist das Angebot allerdings überschaubarer und aufgrund der Nähe werden nicht selten außergewöhnlich große Dinge wie Granitsteine oder ein paar Kubikmeter Erdaushub für den Gartenbau angeboten. „Bei anderen Internetplattformen sind die Nutzer teilweise ziemlich dreist und man wird mit Angeboten bombardiert. Hier ist es durch die räumliche Nähe viel angenehmer“, bekräftigt Merlin Kruska, bevor sie die getauschte Schokolade vom Zaun nimmt. Die Druckerpatrone hatte sie bestellt, kurz bevor ihr Drucker den Geist aufgab. Gegen eine schokoladige Überraschung für Ihre Kinder bot sie diese dann zum Tausch in der App an. Vor allem die lokale Nähe sorgt also für einen angenehmen Umgang miteinander. Denn dem Nachbarn aus der Parallelstraße kann man jederzeit wieder unverhofft im Supermarkt begegnen. Außerdem muss bei der Anmeldung jeder Nutzer seinen Standort bestätigen. Das geht mit einer kurzen Standortfreigabe per Handy oder per Personalausweis. So stellt die Anwendung sicher, dass der angegebene Wohnort auch stimmt. Händler können so mit den Nachbarn kommunizieren: Doch nicht nur Privatpersonen nutzen den elektronischen Kontakt zu ihrer Nachbarschaft. Auch lokale Geschäfte können eine Seite auf „nebenan“ erstellen. Die „Biofreunde“, ein Biomarkt für regionale Produkte in Falkensee, präsentieren sich den Leuten von nebenan bereits seit über einem Jahr in der App. Katja Stieball und Claudia Dube führen ihr Geschäft gemeinsam seit gut zwei Jahren in der Bahnhofstraße. Neben regionalem Obst und Gemüse gibt es außerdem noch frisch zubereitete Gerichte, momentan allerdings nur To-Go. Auch sie haben die App über Bekannte kennen und schätzen gelernt: „Die meisten Kunden kommen noch auf klassischem Weg zu uns, aber mit der App können wir hier in der Umgebung noch mal sichtbarer werden“, erklärt Katja Stieball. Neben dem Verkauf von Feuerholz und Fleisch vom Jäger bieten vor allem junge Nutzer auch Dienste wie Einkaufen und Hundesitten an oder eine Hundebesitzerin sucht gleich einen festen Spielgefährten für ihren wuscheligen Vierbeiner. Mit etwas Glück findet man auch die lang benötigte Druckerpatrone zum Tauschen. Nachbarschaftshilfe funktioniert also auch in Zeiten von Abstand und Maske über den Gartenzaun hinweg. Von Max Braun