Was Falkensee vor 50 Jahren bewegte

500. Geburtstag von Albrecht Dürer. 25 Jahre SED. 25 Jahre Bibliothek, 10 Jahre Hausfrauengymnastikgruppe. Die Falkenseer hatten 1971 eine Menge Jubiläen, die sie beschäftigten. Mehr oder weniger – und das schlug sich auch in der Lokalzeitung vor 50 Jahren nieder. Die Märkische Volksstimme berichtete. Weltstars im Ala-Kino zu sehen: Im Ala-Kino konnten die Falkenseer dabei den Stars begegnen. Das Kino brachte bekannte Schauspieler auf die Leinwand: Jean Gabin, Marilyn Monroe, Audrey Hepburn, Bourvil, Gojko Mitic, Marlon Brando und Sidney Portier. Der Geburtstag des großen deutschen Malers und Zeichners Albrecht Dürer war der DDR einiges wert, in Falkensee gab es eine Ausstellung im Rathaus, die in wenigen Tagen tausende Besucher zählte. Die „MV“ berichtete. Aber viel, viel mehr berichtete sie über politische Ereignisse: über die Initiativen zum 25. Geburtstag der SED, über die Vorbereitung auf den VIII. Parteitag der SED und über die Nachbereitung des VIII. Parteitages der SED, über die Volkskammerwahlen. Bei der hatte Werner Lamberz, Politbüromitglied und so etwas wie ein Hoffnungsträger auf einen weniger starren Sozialismus, im Kreis Nauen seinen Wahlkreis, deshalb kam der Politpromi zum Wahlforum in die Kreisstadt. Planerfüllung im Visier: Das war im November. Und die Berichterstattung stand ganz in der Linie, wie sie am 1. Januar des Jahres begonnen hatte. „Auf neue Erfolge!“ hieß es da. Es folgte eine reichliche Berichterstattung aus den Betrieben des Kreises, immer vorn dabei der VEB Kombinat Impulsa Betrieb Landmaschinenbau Falkensee, der VEB Polymat Staaken und der VEB Sprelawerke Plastverarbeitungswerk Staaken. In der Zeit, als Weststaaken zur DDR und zum Kreis Nauen gehörte, machte der sozialistische Wettbewerb auch vor diesen Berliner Betrieben nicht Halt. Hunderte Falkenseer haben dort gearbeitet. Plastverarbeitungswerk steigert Warenproduktion: Das Plastverarbeitungswerk war der größte Betrieb im Kreis Nauen und nahm sich für 1971 viel vor, die MV-Leser wurden mit Zahlen gefüttert: „So wird in diesem Jahr der Umfang der industriellen Warenproduktion gegenüber 1970 um 17,9 Prozent zunehmen. Der Exportplan wurde um 37 Prozent erhöht, und der Nettogewinn soll sich um 13,9 Prozent steigern. Dabei wird die Arbeitsproduktivität je Beschäftigten um 15 Prozent wachsen.“ Sozialistische Zahlenakrobatik auch aus dem VEB Landmaschinenbau. Die MV vermeldete: Das Kollektiv Leichtgurtmontage „verpflichtet sich, die Kosten um 3 Prozent zu senken und mit Hilfe der Neuerer 12 Minuten am Gerät T 258, 14 Minuten am Gerät T 259 und 15 Minuten am Gerät T 260 Arbeitszeit einzusparen.“ Arbeitsproduktivität wird gesteigert: Und auch der VEB „Apag“, Betriebsteil Aluminium-Formguß Falkensee, arbeitete fleißig mit: Für das 1. Quartal des Jahres wurde die Steigerung der Arbeitsproduktivität um 44,1 Prozent gemeldet. Schweres Unglück in Finkenkrug: Ob der Zahlenrausch Stadtgespräch war, dürfte bezweifelt werden. Bei anderen Themen darf man sicher sein: So bei dem Unglück vom 29. Mai 1971. Der 18-jährige Karl-Heinz G. war in Finkenkrug auf den fahrenden Zug gesprungen und wollte in Falkensee von dem noch fahrenden Zug abspringen, um sich der Fahrscheinkontrolle zu entziehen. 20 Pfennig hätte der Fahrschein gekostet, nun geriet der junge Mann zwischen Bahnsteigkante und dem sich noch bewegenden Personenwagen, er wurde sehr schwer verletzt. Weniger dramatisch, aber doch aufregend für eine Gartenstadt auch das: eine Bekanntmachung des Rates des Kreises. Auf Grund der anhaltenden heißen und trockenen Witterung wurde zwischen 6 und 21 Uhr „das Sprengen und die zweckentfremdete Verwendung von Trinkwasser, wie Autowaschen“, verboten. Der tägliche Ärger: Der Alltag bestand auch aus dem täglichen kleinen Ärger, der es manchmal in die Zeitung schaffte: die miese Qualität der Einkellerungskartoffeln, die ausgefallenen Busse, die schlechte Schrottabfuhr. Besser sah es da auf dem Gebiet der Kultur aus. Das war politisch gewollt und auch von Menschen gelebt. Die Falkenseer Heimatstube öffnete in renovierten Räumen wieder und wusste mit einer Besonderheit zu punkten: ein großer Mammutbeinknochen, der im Herbst zuvor bei Baggerarbeiten in einer Kiesgrube bei Falkenhöh gefunden wurde. Die Bibliothek beging ihr 25-jähriges Bestehen, sie hatte 1946 mit 2600 Büchern, meist angekauft aus Privatbeständen, begonnen. Ein Vierteljahrhundert später waren es zehn Mal so viele. Die Bibliothek war zu dem Zeitpunkt bereits sieben Mal umgezogen. Viel Kulturprominenz zu Gast: Viel Kulturprominenz gastierte in Falkensee: Kammersänger Reiner Süß, Komiker Eberhard Cohrs, Schriftsteller Günter Hofé, Volksmusiker Herbert Roth, Solisten der Deutschen Staatsoper Berlin. Sportlich hatten die Falkenseer 1971 allerhand zu bieten, das reichte von der Hausfrauengymnastikgruppe im Wohnbezirk 10 bis zum DDR-Vizemeistertitel, den die BSG Lok Falkensee im Rugby holte, was in der Überschrift meist verschämt als „Raufball“ bezeichnet wurde. Man unterlag im Endspiel „ersatzgeschwächt“ Stahl Hennigsdorf mit 5:17. Neue Hallen für Frischeierbetrieb: Und ein bisschen gebaut wurde 1971 auch: sieben Hallen beim VEB Frischeierbetrieb (für etwa eine halbe Millionen Legehennen), das Ärztezentrum an der Ruppiner Straße, der Sanitärtrakt am Waldbad. Das Falkenseer Ala-Kino wurde modernisiert und mit dem neuen Defa-Gegenwartsfilm „Zeit der Störche“ wieder eröffnet. Der Film war ganz frisch und erfrischend umgesetzt, nicht nur wegen der Nacktszene, mit Wilfried Glatzeder und mit Heidemarie Wenzel in den Hauptrollen war er im havelländischen Parey gedreht worden. „Auf die ersten Tage kommt es an!“, 8. Januar 1971: Die MV berichtet vom Planstart, die Schlachthöfe Nauen und Falkensee haben durch den strengen Winter einige Anlaufschwierigkeiten, an 4. Januar waren morgens die Lkw eingefroren. „Der Keller wurde zum 7. Himmel“, 9. Januar 1971: Die Hausgemeinschaft im neuen Appartementhaus hat einen Kellerraum in einen siebenten Himmel umgewandelt und den Hobbykeller auf einer Silvesterfeier (mit Hausballett) eingefeiert. „Angebot aus Schenectady“, 3. Februar 1971: Werktätige des Transformatorenwerkes werden zu Statisten für einen Fernsehfilm, gedreht wurde auch im Trafowerk. „10 Jahre Klub ,Johannes R. Becher‘“, 10. Februar 1971: In einer Festveranstaltung wird Bilanz gezogen, Klubleiterin Erna Jähnke-Offeney wird als „Verdienter Aktivist“ ausgezeichnet. „Statt Bierstube nur Straßenverkauf“.10. Februar 1971: Aus hygienischen Gründen wurde die ehemalige Bierstube am Bahnhof Finkenkrug geschlossen, sie soll in einen Verkaufskiosk umgewandelt werden. „Warum nicht auch in Falkensee?“, 19. Februar 1971: Eine Schönwalder Leserin fragt, warum Falkensee nicht einen der beiden Bürgersteige an der Hauptstraße, die von Schönwalde kommt und durch Falkensee führt, für Radfahrer freigibt. „Numismatiker spendeten für Vietnam“, 25. Februar 1971: Die Kreisfachgruppe Numismatik Nauen/Falkensee spendet 380 Mark auf das Solidaritätskonto für den Aufbau des Hanoier Krankenhauses Vien Duc. „Broileressen für die Zähler“, 9. März 1971: Anerkennung für die Helfer bei der Volks-, Berufs-, Wohnraum- und Gebäudezählung im Wohnbezirk 9. Insgesamt wurden im Kreis Nauen 88441 Bewohner und 30747 Wohnungen gezählt. „Plastartikel für den Export“, 20. März 1971: Das Plastverarbeitungswerk Staaken liefert Schweißerschutzschilde aus Polyester in die CSSR. „Die Großtrappe ist in Gefahr“, 15. Mai 1971: Der Kreisnaturschutzbeauftragte, der Falkensee Gerhard Zimmermann warnt. Noch gibt es die scheuen Vögel in einigen Gebieten des Kreises Nauen. „Falkenhagener See wird entkrautet“, 18. Juni 1971: Das Baden im See wird verboten, die Meliorationsgenossenschaft Nauen wird beauftragt, mit der Unkrautbeseitigung zu beginnen. „Vorteile des Komplexeinsatzes“, 24. Juni 1971: Seit drei Jahren arbeiten die Genossenschaftsbauern und Landarbeiter der Kooperationsgemeinschaft Dallgow, Falkensee, Schönwalde, Seeburg und Karolinenhöhe während der Getreideernte mit ihren Mähdreschern E 175 im Komplex. „Falkenseer Preiskontrollaktiv führte Überprüfung durch“, 4. August 1971: Kontrollen in Backwarenproduktionsstätten und Geschäften des staatlichen und privaten Einzelhandels bringen es an den Tag: Das Angebot an Kuchenwaren der niedrigen Preislagen (z. B. Streuselschnecken, Kameruner, Pfannkuchen) ist zurückgegangen. „…und abends schmeckt es im VEB Polymat wie bei Muttern“, 26. August 1971: Die Kantine stellt sich auf den Drei-Schicht-Betrieb ein, das bedeutet auch warme Mahlzeiten für die Spätschicht. Von Marlies Schnaibel