Kirche und Corona: Pfarrer im Havelland predigen an Ostern online

Hilke Seydich steht vor dem Altar in der Vieritzer Kirche und spricht zu den Mitgliedern ihrer Gemeinde. Allerdings ist kein Platz besetzt, das Gotteshaus ist leer. Denn wegen der Coronakrise dürfen auch keine Gottesdienste mehr stattfinden. Nur Hans-Jürgen Falkenau hört zu, während die Pfarrerin spricht. Er wird später dafür sorgen, dass sich nicht nur die Gemeindemitglieder, sondern jeder die Predigt im Internet anschauen kann. Der Zollchower kümmert sich seit 2007 um die Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises Nauen-Rathenow. Bisher hat er in erster Linie die dazugehörige Internetseite betreut. Nun kommen ganz neue Aufgaben auf ihn dazu. Kirchenkreis bietet Online-Gottesdienste an: Seit dem 20. März zeichnet Hans-Jürgen Falkenau in Premnitz und im Milower Gottesdienste auf und stellt diese online zur Verfügung. Vier Andachten sind bereits auf der Seite www.kirche-nauen-rathenow.de unter der Rubrik Onlinekirche verfügbar, über die Osterfeiertage sollen weitere folgen. Am Karfreitag ist ab 9 Uhr eine Andacht in der Dorfkirche Zollchow mit Pfarrer Christoph Seydich zu sehen. Am Ostersonntag veröffentlicht Falkenau ebenfalls um 9 Uhr die Osterandacht in Vieritz mit Hilke Seydich. Wie viele Kirchgänge dieses Angebot tatsächlich nutzen, weiß Hans-Jürgen Falkenau nicht. In jedem Fall gab es sehr schnell positive Rückmeldungen. Online-Gottesdienste sind Neuland für die Pfarrer: „Jemand rief sogar beim Pfarrer an, weil wir nach der ersten Aufzeichnung am nächsten Sonntag kein neues Video erstellt hatten. Daraufhin haben wir beschlossen, nun jeden Sonntag einen Gottesdienst online zu stellen“, erklärt Falkenau. Er findet es schade, dass viele Ältere kein Internet haben und die Enkel jetzt auch nicht helfen können. Der 70-Jährige hatte vor mehr als zehn Jahren ein Fernstudium in Onlineprogrammierung absolviert und kennt sich zudem mit Videoaufnahmen und -bearbeitung aus. Für Hilke Seydich und ihren Mann Christoph sind Online-Gottesdienste dagegen Neuland. Das Paar leitet gemeinsam die Evangelische Kirchengemeinde Milow und beweist, dass auch die Kirche in der Krise ungewöhnliche Wege gehen kann. „Das ist eine ganz neue Erfahrung, die durchaus interessant ist. In der Gemeinde kommt das gut an. Ich wurde sogar schon auf der Straße darauf angesprochen, von Menschen, die die Idee gelobt haben“, berichtet Hilke Seydich. Sie weiß, dass es auch im Fernsehen Übertragungen von Gottesdiensten gibt. Aber den eigenen Pfarrer im Internet predigen zu sehen, sei schon etwas Besonderes. Auch Pfarrer Hans-Dieter Kübler aus Premnitz hat sich bereits beim Predigen filmen lassen. 120 Menschen haben sich dieses Video bisher angeschaut. Mehr als 180 sahen den Gottesdienst, den Falkenau in Milow aufgezeichnet hat. Hilke Seydich spielte für die Aufnahmen sogar Geige. Auch Superintendent Thomas Tutzschke wird den Mitgliedern seiner Gemeinde über die Osterfeiertage Gottesdienste im Internet anbieten. Über die Webseite des Kirchenkreises oder den YouTube Kanal „Max der Musiker“, den Tutzschkes Sohn betreibt, kann sich jeder am Karfreitag, 10. April um 15 Uhr einen Gottesdienst mit Abendmahl anschauen. Am Ostersonntag, 12. April, gibt es einen Gottesdienst für Frühaufsteher. Bereits zum Sonnenaufgang um 6.17 Uhr ist Tutzschke Osterfrühandacht verfügbar. Auch die Rathenower Pfarrer Andreas Buchholz und Jens Greulich wollen ihren Gemeindemitgliedern die Möglichkeit bieten, an Ostern Gottesdienste online zu verfolgen. Mehr dazu erfahren Interessierte auf: www.ev-kirche-rathenow.de. Pro Video 15 Stunden Arbeit: Etwa 15 Stunden Arbeit steckt Hans-Jürgen Falkenau in ein Video. Schließlich ist es allein mit der Aufnahme nicht getan. Der Ton muss nach bearbeitet werden, dazu kommt noch der Schnitt und ein wenig Bildbearbeitung. „Ich mache das aber gern. Für mich ist es eine Art Missionsarbeit, das Wort Gottes unter die Leute zu bringen. Natürlich ist es schöner, wenn wir die Gottesdienste gemeinsam in der Kirche feiern können, aber so lange das nicht möglich ist, müssen wir das Beste aus dieser schwierigen Situation machen. Die Online-Gottesdienste sind da eine gute Hilfe“, meint Falkenau. Von Christin Schmidt

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