Nauen: Handwerk hat goldenen Boden in der Krise

Hier grillte der Geschäftsführer noch selbst und band sich die Schürze um: Als Rainer Deutschmann von der Kreishandwerkerschaft Havelland die Nackensteaks auf den Grill warf, war die Stimmung mit Abstand gelöst. Dass Handwerk goldenen Boden hat, zeigte sich nicht nur auf dem Parkplatz vor der Geschäftsstelle, sondern nun auch in der Krise. „Bis auf die Frisöre kommen wir gut durch die Corona-Krise. Ich habe 2009 die Bankenkrise mitgemacht, jetzt Corona – und wir sind optimistisch, dass wir wirtschaftlich gesund durch die Pandemie kommen“, sagte Kreishandwerksmeister Michael Ziesecke beim Grillabend in Nauen. Auch Landrat Roger Lewandowski (CDU) fühlte sich wohl, mal wieder bei einer richtigen Veranstaltung unter richtigen Menschen zu sein, auch wenn der Grillabend das sonst übliche Sommerfest Corona bedingt nicht ganz ersetzen konnte. „So ein Zusammentreffen ersetzt keine Videokonferenz“, sagte Havellands Verwaltungschef. Talkrunde mit Kammerpräsident: In einer Talkrunde mit Handwerkskammer-Präsident Robert Wüst aus Potsdam betonte der Landrat, dass der Landkreis schnell und effizient durch seine Verwaltungsstrukturen in der Krise reagieren konnte. „Wir haben jetzt die Digitalisierung schneller gelernt und lernen jeden Tag neu dazu“, so Lewandowski, der den Landkreis für Herbst und Winter bei einer möglichen zweiten Welle gut aufgestellt sieht. Handwerkskammer-Präsident Robert Wüst sprach zwar davon, dass das Handwerk krisenfest sei, betonte aber, dass es einzelne Branchen gebe, um die man sich auch Sorgen mache. „Der Lockdown hat natürlich die Frisöre hart getroffen, während die meisten anderen durcharbeiten konnten“, sagte Wüst. Beratungsbedarf war groß: Der Beratungsbedarf für die Betriebe sei in den letzten Wochen groß gewesen: Wie beantrage ich Kurzarbeitergeld, wo gibt es Hilfe vom Land und wie erstelle ich ein Hygiene-Konzept? Tag und Nacht änderten sich die Bestimmungen, da war viel Kommunikation gefragt, so Ziesecke: „Einigen war es sogar schon zuviel.“ Besonders betroffen waren einige Betriebe, so dass die Ausbildung der Lehrlinge und Gesellen unterbrochen werden musste. Im Ausbildungszentrum in Götz waren die Klassen leer, jetzt dürfen nur noch acht bis zehn Auszubildende unterrichtet werden, natürlich mit Maske und Abstand. Auszubildende fehlen: „Das Handwerk ist systemrelevant, ohne das Handwerk geht kein Licht an“, meinte Wüst, dem derzeit Sorgen bereitet, dass 15 Prozent der Ausbildungsstellen noch nicht besetzt sind: „Vielleicht bringt die Krise den einen oder anderen zum Nachdenken, dass Handwerk etwas Solides und Langfristiges ist.“ Deshalb war es umso erfreulicher, dass die versammelte Handwerks-Prominenz die Freisprechung von drei Gesellen vornehmen konnte: Kevin Adel vom Autohaus Albrecht GmbH, der vorzeitig seine Lehre beenden durfte, Philipp Sens vom Auto-Center Wegener in Nauen und Maximilian Voigt vom Autohaus Dallgow erhielten den Gesellenbrief zum Kfz-Mechatroniker und freuten sich, dass sie alle bereits neue Arbeitsverträge in der Tasche haben. „Das war aber nicht immer so“, so Ziesecke, es würde zeigen, „wie dringend wir Facharbeiter benötigen“. Hauptthema: Corona: Trotzdem war mit Abstand in den Gesprächen des Abends Corona das Hauptthema. Sorgen machte sich Kammerpräsident Wüst bereits um die nächsten Jahre. „Da die Steuereinnahmen der Kommunen geringer ausfallen werden, kann es sein, dass wir in Zukunft die Auswirkungen zu spüren bekommen werden, kommunale Aufträge dann ausbleiben“, sagte Wüst. Auf die Sorgen der Handwerker konnte Landrat Roger Lewandowski auch nur antworten: „Wir haben unseren Haushalt gemacht, aber ob wir ihn so durchbekommen, entscheidet sich erst im Herbst.“ Trotz dunkler Wolken am Himmel, die noch von der Abendsonne beiseite geschoben wurden – den Appetit wollten sich die Gäste nicht verderben lassen. Dass Handwerk goldenen Boden hat, zeigten auch die Steaks von Grillmeister Rainer Deutschmann, die mit den warmen Semmeln weggingen wie warme Semmeln. Von Ulrich Hansbuer