Die Türen sind verschlossen. Viele Fenster angeklappt, damit die Wohnungen durchlüften. Auf dem Platz vor dem Mehrfamilienhaus am Ortsrand von Liepe spielt der Wind mit vertrocknetem Gras. Ansonsten herrschte auch am Montag wieder einmal Ruhe auf der Baustelle.
Wie so oft in diesem Jahr. „Seit Monaten ist das so. Handwerker sieht man, wenn überhaupt, auch nur gelegentlich an Wochenenden auf der Baustelle. Und dann sind es meistens auch nur zwei oder drei Leute“, sagt Christian Weber.
Aus Ärger wird Wut
Die Tatsache, dass es nicht vorwärts geht mit den Sanierungsarbeiten, bereitet ihm nicht nur Sorgen. Er ist inzwischen regelrecht wütend. Christian Weber ist der Ortsvorsteher von Liepe und wohnte zusammen mit anderen Familien bis Anfang Oktober 2017 in dem Mehrfamilienhaus.
In den Nachmittagsstunden des 5. Oktober des vergangenen Jahres fegte Orkan „Xavier“ durch das Havelland und richtete beträchtliche Schäden an. In Rathenow stürzten Bäume auf Autos, Gebäude wurden beschädigt. In Liepe riss der Orkan die Dachplatten von dem Mehrfamilienhaus ab und schleuderte sie durch die Luft.
Das war zunächst äußerst spektakulär. Einige hundert Meter weiter rummsten die Platten auf den Erdboden und blieben liegen. Danach regnete es durch das offene Dach in die Wohnungen. „Xavier“ machte das Mehrfamilienhaus unbewohnbar. Die Mieter mussten aus dem Haus. Alle acht Wohnungen wurden geräumt und die 13 Bewohner verloren ihre Bleibe.
Sie wohnen seither bei Verwandten, Bekannten oder in Nachbardörfern.Dort verbrachten sie das Weihnachtsfest in der Hoffnung, im Frühjahr wieder in das Haus zurück zu können. Doch wie es aussieht, werden sie nun das zweite Weihnachten außerhalb ihrer vier Wände feiern.
Die Realität ist anders
Hauseigentümer ist der Berliner Unternehmer Mehmet Kalender. Er hatte den Mietern unmittelbar nach „Xavier“ eine zügige Sanierung versprochen. Die Realität sieht ganz anders aus. Mehmet Kalender nannte zunächst Ende April als Abschlusstermin für die Sanierungsarbeiten, dann den Mai und schließlich den August.
Alle drei Termine konnten nicht gehalten werden. Das Mehrfamilienhaus ist immer noch eine Baustelle. Das Dach ist zwar inzwischen neu eingedeckt und das Haus auch trocken gelegt. Erledigt ist damit aber noch längst nicht alles. Elektriker, Fließenleger, Sanitärinstallateure und Maler müssen noch Hand anlegen.
Die mit den Arbeiten beauftragte Firma habe ihre Zusagen nicht eingehalten und ihn im Stich gelassen, erklärt Mehmet Kalender den mehrmals verschobenen Sanierungsabschluss. „Ich habe jetzt eigene Handwerker eingestellt und auch einen Bauleiter eingesetzt.“ In fünf Wohnungen seien die Arbeiten schon gut vorangeschritten, sagt der Hauseigentümer.
Wann die Arbeiten insgesamt abgeschlossen werden und die Mieter wider in die Wohnungen einziehen können, dazu will sich Kalender nicht festlegen. Nicht mehr, nachdem er dreimal bereits ein Datum genannt hatte, dass verstrich, ohne dass die Familien zurück konnten.
Innenausbau fehlt noch
Kalender sagt aber, die Arbeiten würden mindestens noch bis Jahresende andauern, zumal zusätzlich vorgesehen sei, die Heizung von Öl auf Gas umzustellen. Dazu müssen die Handwerker aber auch während der Woche auf der Baustelle sein.
Ansonsten könnte es auch noch länger dauern, bis die Mieter wieder in ihre Wohnungen können. Ob die Mieter dafür weiter Geduld aufbringen, bleibt abzuwarten, zumal sie klare Aussagen ihres Vermieters in den letzten Monaten erwartet hatten, aber nicht bekamen. Christian Weber sagt: „Es reicht.“ Seine Geduld ist aufgebraucht. Die Mieter sehen sich nun nach anderen Wohnungen um.
Von Norbert Stein