Kampfansage an Väterchen Frost: Die Rathenower Wärmeversorgung heizt ein

Draußen strenger Frost und drinnen fällt die Heizung aus. Keine schöne Vorstellung. In manchen Regionen Deutschlands wurde sie wahr. In Jena etwa waren in der vergangenen Woche nach der Havarie einer Fernwärmeleitung über 6000 Haushalte stundenlang ohne Heizung und warmes Wasser. Die Stadt rief den Katastrophenfall aus. Die Menschen, die am Netz der Rathenower Wärmeversorgung hängen, hatten es dagegen mollig warm. „Wir haben die Kälteperiode problemlos überstanden“, sagt Geschäftsführer Günter Rall. Die Versorgung habe bestens funktioniert. Noch reichlich Puffer vorhanden: Um das große Blockheizkraftwerk in der Karl-Gehrmann-Straße und das kleinere in der Parkstraße an die Kapazitätsgrenze zu bringen, müsste es noch viel kälter werden. „Wir haben an den kältesten Tagen 60 Prozent der verfügbaren Leistung geliefert“, sagt Rall. „Da ist noch reichlich Puffer vorhanden.“ Doch spürbar ist es schon, wenn die Temperaturen in den zweistelligen Minusbereich sinken. Dann wird das Wasser auf den Maximalwert von 105 Grad Celsius erhitzt und mit leistungsstarken Pumpen in das knapp 40 Kilometer lange Leitungsnetz gedrückt. Wenn es nach dem Durchlauf wieder im Heizwerk ankommt, ist es immer noch rund 60 Grad Celsius warm. Und wird dann in den gasbetriebenen Heizkesseln wieder auf Maximaltemperatur gebracht. Weil die rund 80 Zentimeter unter der Erdoberfläche verlegten Rohre ständig von warmem Wasser durchströmt sind, hält sich die Gefahr von Frostschäden in Grenzen. Fast 4400 Wohnungen hängen am Leitungsnetz der Wärmeversorgung. Dazu kommen als Großabnehmer Schulen, Kitas, die Geschäfte in der Innenstadt, die Schwimmhalle, Krankenhaus, Pflegezentrum und die öffentlichen Verwaltungen: Sowohl das Rathaus als auch das Landratsamt werden von der Wärmeversorgung beliefert. Größte Gefahr: Stromausfall: Das siedendheiße Wasser – es bleibt trotz der Temperatur von über 100 Grad wegen des Drucks flüssig – fließt an den Anschlussstationen der Abnehmer in so genannte Wärmetauscher, in denen das Wasser für Heizung und Dusche erwärmt wird. Die nachgeschalteten Heizungsumwälzpumpen sind die Achillesferse in Sachen Versorgung. Weil sie elektrisch betrieben werden, würden sie bei einem Stromausfall die Arbeit einstellen. „Ins Netz bekommen wird das heiße Wasser bei einem Stromausfall schon“, so Rall. Aber an der Anschlussstation wäre dann Schluss. Doch von einem massiven, großflächigen Stromausfall ist Rathenow in den vergangenen 20 Jahren glücklicherweise verschont geblieben. Selbst der Sturm Xavier, der im Oktober 2017 über die Region zog, sorgte nur für kurzzeitige Unterbrechungen der Energieversorgung. Übrigens ist die jüngst vergangene Kältewelle alles andere als ungewöhnlich. „Für uns ist das ein ganz normaler Winter“, sagt Rall. Nur weil es in den vergangenen Jahren so mild gewesen sei, komme manchem die Kälte nun wie etwas Besonderes vor. Dass es in diesem Jahr kälter war als im vergangenen, ist unbestritten – und auch an den Verbrauchszahlen der Wärmeversorgung zu erkennen. Um rund 20 Prozent sei der Verbrauch in den ersten sechs Wochen des Jahres im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, so Rall. Und die Steigerung wäre mit Sicherheit noch größer ausgefallen, wenn die Corona-Pandemie die Region nicht im Griff hätte. Schulen und Kitas, die sich im reduzierten Betrieb befinden, nehmen nur einen Bruchteil der normalen Lieferung ab. Die Schwimmhalle befindet sich im Sparmodus. Und auch in der Innenstadt hat sich der Verbrauch merklich reduziert. Im City-Center etwa, in dem ein Großteil der Geschäfte coronabedingt geschlossen bleiben muss, hat sich der Wärmeverbrauch im Januar 2021 im Vergleich zum Januar 2020 nahezu halbiert. Und bis zur Spitzenlast von 24 Megawatt, die in strengen Wintern erreicht wird, fehlen in diesem Winter auch noch rund 6 Megawatt. Von Markus Kniebeler