Keramiker Klaus Handschuh Rathenow

Die bauchigen Körper der Bäume stemmen sich in die grüne Farbweite. Knorrige Kopfweiden recken ihre dünnen Zweige wie knochige Arme in Richtung eines Schwarms Vögel: Versprenkelte Tupfen auf weißem Keramikhimmel. Klaus Handschuhs Blick aufs Havelland ist voller Andeutungen und schneller Linien. Geprägt von einer Liebe auf den ersten Blick. Vor rund 30 Jahren kam der Künstler, der heute kleine und große bemalte Tassen, Schalen, Becher, Zwiebeltöpfe und Kännchen im eigenen Atelier am Rathenower Kirchberg verkauft, eigentlich nur auf eine kurze Stippvisite in die Region. Aufgewachsen in Ostwestfalen, verfiel er jedoch schnell den knorrigen Kopfweiden und der havelländischen Weite – und zog kurzerhand gemeinsam mit seiner Frau ins Havelland. Hier widmete sich der studierte Grafikdesigner schnell einer weiteren neu entdeckten Leidenschaft: Der Keramikkunst. Seine bemalten Gebrauchsstücke sind heute ein echter Havellandklassiker. Und könnten auch auf so manch weihnachtlicher Tafel in anderen Teilen Deutschlands zu finden sein. Malereien spiegeln das Havelland wider: Eines ist Klaus Handschuh wichtig: Er möchte keine Souvenirs herstellen. Dass seine Keramikstücke mit der havelländischen Landschaft als Hingucker bei Touristen beliebt sind, vielleicht auch in diesem Jahr unter so manchem Weihnachtsbaum liegen, dagegen dürfte der 76-Jährige aber sicherlich nichts einzuwenden haben. Die unverwechselbaren Stücke aus dem Atelier an der Sankt-Marien-Andreas-Kirche sind zumeist Variationen der grünen Havellandschaft – auf Keramik gebracht mit runden kräftigen Linien und weichem Farbverlauf. Mal spielt Handschuh mit Klatschmohnvarianten, mal mit der Ribbeckbirne. Immer aber spiegeln die Keramikmalereien das Havelland so charakteristisch wider, dass die Tassen, Teller und Co. geradezu prädestiniert als Mitbringsel sind. Und sie tragen eine ganz eigene Handschrift, im wahrsten Sinne des Wortes. Handschuh, der 30 Jahre lang als freier Grafiker arbeitete, seine Leidenschaft für die Keramikmalerei erst recht spät im Leben entdeckte, schwingt zackige Buchstaben auf viele seiner Stücke. Auszüge des Fontaneschen Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, mit steilen Ts und engen Hs, so dass manches Wort aus der berühmten Ballade vom Birnbaum eher zu erahnen als wirklich lesbar ist. Er selbst habe seiner Handschrift früher nie etwas abgewinnen können, sagt Klaus Handschuh. Bis die Birnen des Herrn von Ribbeck zu Ribbeck in sein Leben traten. Und die harten Handschriftzüge auf einmal perfekt zu den Worten des Märkischen Dichters passten – und zu den bauchigen reifen Birnen auf Keramik. Arbeiten sind auch im Schloss Ribbeck zu finden: Dass die Birnenlinie lang vor dem Hype rund um das Fontane-Jahr zum 200. Geburtstag des Dichters entstanden ist, findet Handschuh wichtig. Das Dekor sei bereits Anfang der 2000er Jahre aus dem Kontakt zur Familie von Ribbeck hervorgegangen. Der 76-Jährige, der einst ein Praktikum in einer Keramikmanufaktur machte, um dem Ton auf die Spur zu kommen, verkaufte seine bemalten Arbeiten schon an verschiedenen Orten. Auch im Schloss Ribbeck sind sie heute zu finden. Bei allem Erfolg, eine weitere Variation seines Dekors will der Künstler erst einmal nicht entwerfen. Klaus Handschuh setzt auf Kontinuität im Design. Die Stücke sollen miteinander kombinierbar sein. „Im Grunde habe ich eine ganz kleine Welt geschaffen“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Und die Unverkennbarkeit des Handschuhschen Blicks aufs Havelland soll beibehalten werden. Eine Ausweitung der Formen könne er sich aber durchaus vorstellen. Außerdem würde er sich gerne ein wenig mehr Zeit für die Malerei auf großflächiger Leinwand wünschen, so der Wahl-Westhavelländer. Die bisherigen Arbeiten abseits des Tons spielen ebenfalls mit seiner charakteristischen Handschrift, mit Birne und Landschaft – und fügen sich gut zur havelländischen Keramik. Nur die Zeit für das großflächige Arbeiten, die fehle ihm noch. Von Jessica Kliem