Rathenow: Dieser junge Mann weiß, wie Integration gelingt

So richtig kann Yehia Toso es noch immer nicht fassen. Das Rathenower Kinder- und Jugendparlament hat ihn mit dem Jugendförderpreis 2019/20 ausgezeichnet. Der 29-jährige Syrer ist überglücklich, dass die Migrationsarbeit eine solche Wertschätzung erfährt. „Dieser Preis zeigt mir, dass unsere Arbeit gesehen wird und dass Integration den Rathenowern wichtig ist“, sagt Yehia Toso und betont zugleich, dass es bei dem Preis gar nicht so sehr um ihn gehe, sondern um alle, die sowohl hauptberuflich als auch im Ehrenamt viel Herzblut, Energie und Zeit investieren, um Integration in Rathenow zu ermöglichen. Yehia Toso wuchs in Aleppo in Syrien auf, wo er gerade im letzten Semester Sozialpädagogik studierte, als die Regierung ihn aufforderte, nach seinem Abschluss für Assads Truppen zu kämpfen. „Ich konnte noch meine letzten Prüfungen ablegen, dann musste ich das Land verlassen, um nicht verhaftet zu werden“, erzählt Yehia Toso. Als er in Österreich ankam, erzählte ihm seine Mutter unter Tränen, er habe alle Prüfungen bestanden. „Ich war überglücklich“, erinnert sich der 29-Jährige. Damals ahnte er noch nicht, wie wichtig dieser Abschluss für seinen Neustart in Deutschland sein würde. Denn dieser ermöglicht es ihm, nun als Mi-grationssozialarbeiter Kinder und Jugendliche zu unterstützen, die Ähnliches erlebt haben wie er. Yehia Toso liebt seinen Job, das bestätigen auch die Lehrer der Duncker Oberschule. Seit 2019 unterstützt er als Mitarbeiter des Fachbereichs Migration des Bezirksverbandes Potsdam der Arbeiterwohlfahrt die Einrichtung und kümmert sich vorrangig um Mädchen und Jungen mit Fluchterfahrungen. Yehia Toso ist für alle Schüler da: „Aber auch für alle anderen Schüler hat Yehia Toso ein offenes Ohr. Wir sind froh, dass wir ihn haben“, betont Schulleiter Thomas Winterfeldt. Er weiß, wie wichtig die Unterstützung des jungen Mannes aus Syrien für viele seiner Schüler ist. Yehia Toso ist Vermittler, Streitschlichter und Vertrauensperson. Er hilft bei Konflikten unter Mitschülern, führt Gespräche mit Lehrern und Eltern, hilft bei der Suche nach Praktika und bei Bedarf ist er auch für Schüler anderer Schulen da. „Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen sich nicht nur mit einer für sie fremden Kultur und Sprache auseinandersetzen. Sie übernehmen zudem innerhalb der Familie viel Verantwortung, weil die Eltern sich oftmals im neuen System nicht zurechtfinden. Kinder, die die Unterstützung der Eltern brauchen, helfen stattdessen ihren Eltern“, erklärt Yehia Toso. Dazu kommen oft schreckliche Erlebnisse, die viele Kinder und Jugendliche in sich tragen. „ Ein Junge aus Homs in Syrien erzählte mir, dass sich seine Familie während der Belagerung von Gras ernähren musste. Er sprach davon, wie froh er war, wenn es ihm gelang, trotz der Sniper, die auf den Dächern lauerten, besonders viel Gras mit nach Hause zu bringen“, berichtet Yehia Toso. Später habe ihm der Vater des Jungen erzählt, sein Sohn habe durch einen Bombenangriff an nur einem Tag alle Freunde verloren. Yehia Toso widmet solchen Schülern besonders viel Aufmerksamkeit und er ist froh, dass auch die Lehrer für diese Jugendlichen sehr viel Verständnis haben. Der Lohn seiner Arbeit: Dankbarkeit, weniger Konflikte zwischen Schülern und Erfolgserlebnisse wie ein unterschriebener Ausbildungsvertrag. „All das ist auch dank der guten Zusammenarbeit mit vielen Akteuren, wie Streetworker, Sozialarbeiter und Ehrenamtler, möglich, die in Rathenow ein gut funktionierendes Netzwerk bilden“, so Toso. Er ist sich sicher, die Integration ist in der havelländischen Kreisstadt auf einem guten Weg. Er macht aber auch deutlich, dass es keine kurzfristige Aufgabe ist. „Integration ist nicht nach zwei Jahren abgeschlossen“, weiß der junge Syrer. Von Christin Schmidt