Rathenow will Obdachlosenbetreuung neu regeln

Bei der Betreuung von Obdachlosen in der Stadt Rathenow steht eine Neujustierung an. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagt Reinbern Erben, der Leiter des Rathenower Bürgeramtes. Zum einen sei das Obdachlosenheim in der Maxim-Gorki-Straße sanierungsbedürftig. Zum anderen werde es in absehbarer Zukunft personelle Veränderungen geben müssen. „Zwei der vier Mitarbeiterinnen gehen bald in Ruhestand“. Deshalb müsse die Stadt sich jetzt mit der Frage befassen, wie es weitergehen soll. Das Obdachlosenheim in der Maxim-Gorki-Straße wurde 1992 eröffnet. Neben der Leiterin kümmern sich drei Mitarbeiterinnen im Schichtdienst um den Betrieb. Das Heim bietet Platz für 25 Menschen. Momentan sind 14 Plätze belegt. Das Haus gehört der Stadt Rathenow und muss dringend saniert werden. Geschätzte Kosten: Rund zwei Millionen Euro. Die nahe liegende Lösung, das jedenfalls könnte man als Außenstehender meinen, wäre eine Sanierung der Villa und eine Neubesetzung der frei werdenden Stellen. Aber die Stadt will die Zäsur nutzen, um den Status quo grundsätzlich zu überdenken. Neujustierung geplant: „Wir müssen genau definieren, was wir leisten können und was wir leisten müssen“, sagt Erben. Der Gesetzgeber habe der Ordnungsbehörde aufgetragen, sich beim Thema Obdachlosigkeit um die Gefahrenabwehr zu kümmern. Jeder Mensch habe ein Recht auf Würde, Schutz und Unversehrtheit. Dieses Recht sei bei einem Obdachlosen gefährdet. Wenn etwa jemand ohne festen Wohnsitz in einem Park angetroffen werde, bei dem sich nicht sofort feststellen lasse, wo er hingehöre, dann sei es die Pflicht der Stadt, sich um eine menschenwürdige Unterbringung zu kümmern. Für das, was mit diesem Menschen danach geschehen soll – insbesondere die Klärung der Fragen, welche ambulante Unterstützung, welche stationären Betreuung, welche Beratungen ihm helfen könnten, den Weg zurück in ein selbstverantwortliches Leben zu finden – sei der Kreis zuständig. Zuständigkeiten klarer trennen: Ziel müsse es sein, diese Zuständigkeiten wieder klarer zu trennen, so Erben. Im Rathenower Obdachlosenheim gebe es Bewohner, die dort seit über zehn Jahren leben, sagt er. Das aber habe mit der grundsätzlichen Idee des Gesetzgebers, die Verantwortlichkeiten zwischen Ordnungs- und Sozialbehörde klar zu trennen, nichts mehr zu tun. Aufgabe der Stadt wird es nach Auskunft Erbens nun sein, genau festzulegen, was die Stadt leisten muss, und wie sie die Aufgabe angehen will. Konzentration auf Notfälle: Klar dürfte jetzt schon sein, dass es eine sich über Jahre hinziehende Heimbetreuung – wie derzeit praktiziert –nicht mehr geben wird. Für Notfälle reiche es aus, so genannte Schlichtwohnungen vorzuhalten, in welchen die gefährdeten Personen erst einmal sicher und menschenwürdig untergebracht werden können, so Erben. Dann müsse es – in enger Kooperation mit der Sozialbehörde des Kreises – Ziel sein, die Menschen mit gezielten Hilfsangeboten in die Lage zu versetzen, schnell wieder ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Weil die Obdachlosenbetreuung nicht zu den Kernaufgaben einer städtischen Verwaltung gehört, wurde bereits im vergangenen Jahr entschieden, einen freien Träger ins Boot zu holen. Im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens hatten zwei Bewerber, die auf dem Gebiet der Obdachlosenbetreuung Erfahrungen vorweisen können, Konzepte abgegeben. „Diese werden nach Anregungen der Stadt derzeit überarbeitet“, so Erben. Verhandlungen mit Freien Trägern: „Erst wenn wir uns für einen Träger entschieden und mit diesem festgelegt haben, was die Stadt in Sachen Obdachlosenbetreuung leisten soll, werden wir uns dem Thema der Unterbringung widmen“, so der Bürgeramtsleiter. Dann werde auch die Frage geklärt, ob diese im jetzigen Heim oder irgendwo anders erfolge. Auch finanzielle Erwägungen dürften bei dieser Entscheidung eine Rolle spielen. Die Sanierungskosten für das Heim in der Gorkistraße werden mit zwei Millionen Euro beziffert. Eine Anmietung von Schlichtwohnungen könnte die erheblich günstigere Variante sein. „Beispielhaftes Engagement“: Obwohl aus den eingangs genannten Gründen das Ende des jetzige Betreuungsmodells absehbar ist, hat Erben für das Geleistete nur lobende Worte. Die Mitarbeiter im Obdachlosenheim hätten ihre Aufgabe mit beispielhaftem Engagement erledigt. „Sie tun deutlich mehr als das, wozu sie verpflichtet sind“, sagt er. Ihr Einsatz für Menschen, die in der Gesellschaft keine mächtige Lobby habe, könne nur bewundert werden. Von Markus Kniebeler

Rathenow - Obdachlose: Akuthilfe statt Langzeitbetreuung