Rathenower Arzt und Seniorenbeirat fordern Impfungen vor Ort

Gerda Krämer ist heilfroh. Am Montag hat sich die 92-Jährige in Potsdam gegen das Coronavirus impfen lassen. Zu verdanken hat sie die schnelle Impfung ihrer Tochter. Hätte die sie nicht zum Impfzentrum in die Landeshauptstadt gefahren und vorab den Termin vereinbart, müsste Gerda Krämer wohl noch eine ganze Weile auf eine Impfung warten. So geht es unter anderem Sigrid Schramm. Die 90-Jährige lebt ebenfalls in Rathenow und würde sich gern impfen lassen. Ihre Tochter würde sich auch um einen Termin kümmern und sie fahren, doch der Weg ist für die betagte Frau schlichtweg zu weit. Sigrid Schramm ist für eine solche Fahrt zu schwach und ihre Vorerkrankungen verkomplizieren das Ganze zusätzlich. Zeitnahe Angebote: „Im Moment gibt es für diese Frau und viele andere hochbetagte Senioren keine Möglichkeit, sich impfen zu lassen“, macht Petra Herbrich, Vorsitzende des Rathenower Seniorenbeirats, deutlich. Um die Risikogruppe möglichst schnell zu schützen, fordert sie, zeitnah ein Angebot zu schaffen, das es Senioren ermöglicht, sich wohnortnah impfen zu lassen. Unterstützung bekommt sie vom Rathenower Allgemeinmediziner und Chef des Hartmannbunds Brandenburg, Hanjo Pohle. In seinen Augen ist es angesichts körperlicher und kognitiver Einschränkungen der Betroffenen keine angemessene Lösung, über 80-Jährige in die zum Teil weit entfernten Impfzentren zu schicken. Pohle schlägt stattdessen eine dezentrale ambulante Impfstrategie in Hausarzt- und größeren Versorgungspraxen vor. Sofern eine entsprechende Zuteilung des Impfstoffes erfolgen würde, könne das sofort umgesetzt werden. „Das Argument, dass aufgrund der erforderlichen Kühlung des Biontech-Vakazins auf Minus 70 Grad die Verimpfung nur in speziellen Zentren mit entsprechender Ausstattung und Logistik erfolgen kann, ist falsch und führt zu einer Verzögerung bei der Durchimmunisierung“, macht Pohle, der auch Vizepräsident der Landesärztekammer Brandenburg ist, deutlich. Bis zu 5 Tage: Die ungeöffnete und noch nicht verdünnte Durchstichflasche könne bis zu fünf Tage bei zwei bis acht Grad gelagert werden. „Selbst für die eigentliche Verimpfung des verdünnten Präparats hat man laut Herstellerangaben noch bis zu sechs Stunden Zeit, bei Temperaturen von zwei bis 30 Grad. Es wäre also durchaus möglich, am Montag 500 Hausarztpraxen mit je 100 Impfdosen zu beliefern. Dann könnten in den nächsten fünf Tagen 50.000 ältere Bürger mit wenig logistischem Aufwand geimpft sein“, argumentiert der Allgemeinmediziner. Selbst Impfungen bei Hausbesuchen seien machbar. Zudem sei so ein besseres Terminmanagement möglich als über die zentrale Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung. Für Pohles Vorschlag will sich auch Landtagsabgeordneten Christian Görke (Die Linke) einsetzen. „Statt hochbetagten Bürgern den zum Teil weiten Weg in die wenigen Impfzentren zuzumuten, sollten die Impfungen wohnortnah von den Hausärzten durchgeführt werden“, so Görke. In den Havelland Kliniken bereitet man sich derweil darauf vor, die Covid Patienten auch weiterhin gut zu versorgen. Bisher werden Covid-Patienten aus dem Havelland, die in Rathenow in die Klinik eingewiesen werden und im Krankenhaus bleiben sollen – zur Weiterbehandlung nach Nauen verlegt. Dort wurde ein Covid-Behandlungszentrum eingerichtet. Mehr Patienten: Nachdem die Zahl der Personen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen steigt, zeichnet sich ab, dass auch am Krankenhaus-Standort Rathenow in absehbarer Zeit ein Covid-Zentrum entstehen muss. Das ist die feste Überzeugung von einigen Hausärzten, die das Geschehen an den Kliniken beobachten und kennen. Es kommen aber auch gute Nachrichten aus der Havelland Kliniken Unternehmensgruppe. Bis zur dritten Kalenderwoche, die am Montag beginnt, sollen die Impfungen abgeschlossen sein. Geimpft wurden die Mitarbeiter in den Krankenhäusern, Seniorenheimen, Rettungsdienst und anderen Tochtergesellschaften. Wie zu hören war, beträgt der Impfgrad rund 60 Prozent. Wie Bewohner des Seniorenheims Fontanepark in der Forststraße Angehörigen mitteilten, wurde hier inzwischen auch geimpft. Damit steht die Wohn- und Pflegezentrum GmbH der Havelland Kliniken bei der Schutzimpfung für die Älteren durchaus gut da. Noch in diesem Monat beginnt nun die zweite Impf-Runde, um den Schutz zu vervollständigen. Die Zahl der Corona-Infektionen ist im Landkreis Havelland nach wie vor hoch. Inzwischen gibt 2982 bestätigte Fälle und 2215 Genesene. Dazu kommen mittlerweile 49 Todesfälle. Aktiv krank sind 718 Personen, das macht eine 7-Tage-Inzidenz von 279,78. Die Zahlen stammen vom Robert-Koch-Institut (Dienstag, 8 Uhr). Von Christin Schmidt und Joachim Wilisch