Rathenower Unternehmer leiden quer durch alle Branchen

Die Corona-Krise wirkt sich auch auf die regionale Wirtschaft aus. „Ob Gastronomie, Einzelhandel, Versicherungsbranche oder Bau – alle sind betroffen“, weiß Ulrich Opitz, Vorsitzender des Vereins Unternehmer für Rathenow und Geschäftsführer der O & F Bauunternehmung GmbH. Seine Mitarbeiter konnten von März bis Mai nur eingeschränkt arbeiten, auf einigen Baustellen stand sogar alles still. Die Folge sind Umsatzeinbußen zwischen 10 und 15 Prozent. Und die Lage ist weiterhin angespannt, denn Abstandsregeln auf dem Bau umzusetzen, sei kaum möglich. Das bestätigt auch Klaus Fürstenberg von der Gebrüder Fürstenberg GmbH. Das Unternehmen betreibt unter anderem vier Baumärkte in Rathenow, Rhinow, Friesack und Kyritz. Umsatzeinbußen hatte es bisher keine zu verzeichnen. Im Gegenteil, die Branche boomt und es gibt trotz Corona so viele Aufträge, dass händeringend Mitarbeiter gesucht werden. Baubranche: Weniger öffentliche Ausschreibungen: Das kann sich aber noch ändern. Der zeitweise Stillstand in den Behörden und Architekturbüros, führt dazu, dass es weniger öffentliche Ausschreibungen gibt. Ulrich Opitz rechnet deshalb damit, dass die Zahl der Aufträge in den nächsten Monaten zurückgeht. Das dürfte dann auch der Baustoffhandel zu spüren bekommen. „Wir wissen alle nicht, wie es weitergeht. Jeder überlegt schon jetzt, wie er über den Winter kommt. Aus unserer Sicht ist diese Krise noch lange nicht zu Ende“, betont Opitz. Das sieht auch Günter Rall, Geschäftsführer der Rathenower Wärmeversorgung, so. Das Unternehmen betreibt die Schwimmhalle in Rathenow, die zwölf Wochen schließen musste. Auch hier gibt es erhebliche Umsatzeinbußen. Inzwischen ist die Schwimmhalle wieder offen, den Betrieb wirtschaftlich zu führen, sei aber nicht möglich. „Die Umsetzung des Hygienekonzepts führt dazu, dass an Stellen, an denen früher ein Kollege beschäftigt war, nun zwei gebraucht werden. Egal ob es darum geht, die Kontaktdaten der Besucher aufzunehmen oder regelmäßig zu desinfizieren. Alles ist mit zusätzlicher Arbeit verbunden“, so Rall. Völlig unklar ist zudem, wie der Schwimmhallenbetrieb laufen soll, wenn die Schulen im August wieder öffnen. Der Schulsport ist dann wieder erlaubt. Das bedeutet, Klassen mit bis zu 30 Schülern kommen in die Einrichtung. Das Hygienekonzept erlaubt in den Duschen und Umkleideräumen aber maximal drei Personen – so wie es im öffentlichen Bereich gefordert ist. „Wir müssten das Konzept also anpassen. Aktuell gibt es dafür aber keine rechtliche Grundlage und auch keine Vorschläge, wie wir das realisieren sollen. Jeder ist auf sich allein gestellt, wenn es darum geht, die Vorgaben umzusetzen“, kritisiert Günter Rall. Unternehmer fühlen sich allein gelassen: Genau das bemängelt auch Antje Wendt. Sie betreibt ein Modegeschäft in Rathenow und eins in Stendal. Wie alle Einzelhändler musste sie diese Corona bedingt sechs Wochen lang schließen. Als zur Wiedereröffnung das Ordnungsamt vorbeischaute, erklärte man ihr, dass sich maximal fünf Kunden gleichzeitig im Laden aufhalten dürfen. „Laut Richtlinie sind es aber bis zu 30 Personen bei geforderten zehn Quadratmeter pro Person“, weiß Antje Wendt. Niemand wolle etwas falsch machen, meint Günter Rall. Das gelte auch für das Gesundheitsamt, das sich mit Vorschlägen zur Umsetzung der konkreten Vorgaben zurückhalte. Die Folge: Unternehmer fühlen sich zum Teil allein gelassen und müssen nach bestem Wissen und Gewissen die Vorgaben umsetzen. Kunden sind nicht in Shoppinglaune: Verunsicherung herrsche auch bei den Kunden. „Die Maskenpflicht hält noch immer viele ab, in den Laden zu kommen“, meint Antje Wendt. 20 bis 30 Prozent Umsatzeinbußen musste sie bisher verzeichnen. Ihre Mitarbeiter sind noch immer in Kurzarbeit, denn kaum jemand ist in Shoppinglaune. Die Verunsicherung ist auch in der Gastronomien groß. „Viele haben Veranstaltungen abgesagt, weil sie nicht wussten, wie sie größere Feiern unter Beachtung der geltenden Regeln umsetzen können. Wir wollen alle keine zweite Welle, aber um darauf vorbereitet zu sein, brauchen wir genaue Definitionen, klare Richtlinien und konkrete Aussagen darüber, was systemrelevante Berufe sind, und welche Richtlinien in den einzelnen Unternehmen anzuwenden sind“, fordert Fred Meier, Geschäftsführer des gleichnamigen Taxi-Fuhrbetriebs. Er sagt, entgegen der Meinung der Politik sei es auch im Speditionswesen momentan schwierig. Die Schulbusse stehen seit Mitte März. Auch die Absagen sämtlicher Veranstaltungen in der Region und der Zusammenbruch des Tourismus von März bis Mai bedeuten Einnahmeverluste für das Unternehmen. Wir hoffen, das mit Beginn der Schulzeit eine gewisse Normalisierung einkehrt“, so Meier. Im Herbst droht eine Pleitewelle: Michael Wrona, Geschäftsführer des Versicherungsunternehmens Protector GmbH, rechnet damit vorerst nicht. Viele Kunden können ihre Beiträge nicht mehr zahlen, weil sie seit Wochen in Kurzarbeit sind. Altersvorsorgen werden gekündigt, beitragsfrei gestellt oder gestundet. „Es gibt sogar Mandanten, die nicht einmal ihre Hausratsversicherung bezahlen können, weil das Einkommen fehlt“, so Wrona. Etwa 20 Prozent der Versicherten habe Zahlungsschwierigkeiten, darunter leide die gesamte Branche. Wrona sieht eine Pleitewelle auf die Vertreter zu rollen. „Wir brauchen jetzt eine starke Kommunalpolitik und eine starke Verwaltung, die die wenigen Steuergelder, die in Zukunft regional verteilt werden, bestmöglich nach Rathenow holen“, mahnt Fred Meier. Von Christin Schmidt