Uni Potsdam: So läuft das Online-Studium in Corona-Zeiten

Noch zwei Wochen hat Frederike Timme Zeit, um sich auf die Semesterprüfungen vorzubereiten. Eigentlich fällt der 19-Jährigen Rathenowerin das Lernen nicht schwer, aber dieses Mal geht sie mit einem komischen Gefühl in die Klausuren. Nicht, weil sie zu wenig gelernt hätte, sondern weil sie nicht weiß, ob sie gut vorbereitet ist. Ein ganzes Semester Online-Studium an der Uni Potsdam liegt hinter Frederike Timme. Statt mit Kommilitonen in der Mensa zu sitzen, den Professoren im Hörsaal zu lauschen und in der Bibliothek zu pauken, verbrachte die Rathenowerin in den letzten Monaten sehr viel Zeit zu Hause vor dem Laptop. Denn aufgrund der Corona-Einschränkungen finden nach wie vor sämtliche Seminare und Vorlesungen nur noch online statt. Allein zu Hause statt mit 300 Studenten im Hörsaal: Die Uni hat sie zuletzt im Februar betreten. Im März war vorlesungsfreie Zeit und mit Beginn des neuen Semesters im April durften die Hörsäle nicht mehr betreten werden. Zudem verschob sich der Vorlesungsstart um zwei Wochen nach hinten. Das heißt weniger Zeit, um den Stoff zu bewältigen. „Es ist schon ein seltsames Gefühl. Die Verunsicherung war am Anfang groß und leider gab es auch nur sehr wenige Informationen. Seit Ende April können wir einen Teil der Vorlesungen live verfolgen, in dem wir uns über das Online-Portal Zoom einloggen. Für andere Kurse gibt es Aufzeichnungen, die wir über die Plattform der Uni jederzeit abrufen und auch mehrfach anschauen können“, erklärt Frederike Timme die neue und für alle außergewöhnliche Art des Studierens. Seit April 2018 ist sie Vorsitzende des Rathenower Kinder- und Jugendparlaments. Vor einem Jahr hatte sie ihr Abitur in Rathenow abgelegt und studiert nun seit Oktober in Potsdam Politik, Verwaltung und Organisation. Während sie im ersten Semester mit zu 300 Kommilitonen im Hörsaal saß, paukt die Rathenowerin nun allein. „Die größte Herausforderung ist für mich derzeit die Selbstdisziplin. Mir fehlt es, gemeinsam mit meinen Kommilitonen zur Vorlesung zu gehen, sich in der Mensa auszutauschen und gemeinsam zu lernen“, sagt die 19-Jährige. Überhaupt fehle die Struktur, der geregelte Tagesablauf. Um nicht ganz allein zu lernen, chattet sie nun regelmäßig mit anderen Studierenden. „Am Anfang hat das auch ganz gut geklappt, aber dann sind wir alle in ein richtiges Tief gerutscht. Der soziale Kontakt hat einfach gefehlt. Dazu kam die Unsicherheit, ob man genug macht“, erklärt Timme. Recht schnell habe sie festgestellt, dass der Aufwand im Online-Studium größer ist. Online-Forum statt Sprechstunden: „Wir müssen jetzt mehr Texte lesen und die Dozenten vergeben zudem mehr Übungsaufgaben, vermutlich um sicher zu gehen, dass wir den Stoff auch verstehen“, meint die 19-Jährige. Die Verunsicherung betrifft aber nicht nur die Studierenden. Auch für die Lehrkräfte ist es eine ungewöhnliche Zeit. „Es ist schon komisch, wenn der Dozent zu Hause sitzt und über Verwaltungsthemen referiert. Aber alle geben sich sehr viel Mühe das Ganze interessant zu gestalten und sie sind auch stets für Fragen offen“, so Timme. Weil die sonst üblichen Sprechstunden der Dozenten zur Zeit nicht stattfinden können, haben die Studierenden die Möglichkeit in Online-Foren Fragen zu stellen. Die einzige Brandenburgerin im Jahrgang: „Das macht allerdings keiner. Ich denke, die Hemmungen sind zu groß, weil jeder mitlesen kann. Die meisten schreiben dann doch lieber eine E-Mail, auch wenn diese nicht das persönliche Gespräch ersetzen kann“, weiß die Rathenowerin. Mit etwa 80 jungen Menschen aus dem ganzen Land hat sie im vergangenen Jahr das Studium begonnen. Aus dem Land Brandenburg ist sie aber die einzige. Für die Havelländerin war der Studiengang die richtige Wahl. Die Kurse befriedigen ihr Interesse an Politik, das nach wie vor groß ist, und gewähren ihr zudem Einblicke in die Arbeit von Verwaltungen. Beides kann sie für ihr Ehrenamt als KiJuPa-Vorsitzende sehr gut gebrauchen. Studium online, Prüfung in der Uni: Obwohl Frederike Timme bereits seit September ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Potsdam bezogen hat, ist sie regelmäßig in ihrer Heimatstadt und versucht auch weiterhin an den Sitzungen des KiJuPa und der Stadtverordnetenversammlung teilzunehmen. Denn seit letztem Jahr ist sie auch Rathenows jüngste Abgeordnete. Ob sie künftig neben dem Studium noch genug Zeit für den KiJuPa-Vorsitz hat, kann sie derzeit noch nicht abschätzen. Jetzt konzentriert sie sich erst einmal auf die sechs Prüfungen, die sie in den kommenden Wochen absolvieren muss. Diese finden allerdings nicht wie die Vorlesungen online statt, sondern in der Uni. „Jeder Fachbereich kann selbst entscheiden, ob er online prüft oder Präsenzklausuren abhält. Ich habe leider alle Prüfungen in der Uni“, so Timme. Hoffen auf das Wintersemester: Sie ist gespannt, ob am Ende die Studenten in den Online-Prüfungen bessere Ergebnisse schreiben. Aber trotz aller Schwierigkeiten, in einer Sache ist sich Frederike Timme sicher: „In Corona-Zeiten zu studieren ist in jedem Fall besser als in dieser Zeit das Abitur abzulegen. Darum beneide ich niemanden“, betont die Rathenowerin. Sie hofft, dass der Spuk bald eine Ende hat und sie zum Wintersemester wieder mit ihren Kommilitonen im Hörsaal sitzen kann. Von Christin Schmidt