Rettungstaucherstaffel Havelland im Einsatz

Diese Männer schrecken vor nichts zurück. Egal, ob es darum geht bei Minusgraden ins eiskalte Wasser zu springen, um eine verunglückte Person zu retten, gesunkene Gegenstände zu bergen oder tagelang nach einem Vermissten zu tauchen. 24 Männer aus Rathenow und Umgebung nehmen solche Aufgaben freiwillig und ehrenamtlich auf sich. Sie sind Mitglieder der Rettungstaucherstaffel Havelland, die 2015 mit elf Einsatzkräften ins Leben gerufen wurde. Die Gruppe gehört zum Ortsverband Rathenow des Arbeiter-Samariter-Bundes und ist an den Katastrophenschutz Havelland angegliedert. Ihr Metier ist die Welt unterhalb der Wasseroberfläche. Zu zwei Einsätzen wurde die Taucherstaffel im ersten Jahr gerufen, 2020 waren es bereits 20. Es gibt eben viel zu tun im wasserreichen Havelland. „Da nicht jeder Landkreis eine eigene Rettungstaucherstaffel hat, werden wir auch zu Einsätzen in den Nachbarkreisen gerufen“, erklärt Rayk Sommer. Der 42-jährige Notfallsanitäter leitet die Einsatzgruppe, der heute 24 Ehrenamtler angehören – Frauen sind derzeit nicht dabei. Davon sind allein 14 Mitglieder auch aktive Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Rathenow, die wiederum eng mit der Taucherstaffel zusammenarbeitet. Beide Einsatztruppen verfügen über eine spezielle Ausrüstung – die Feuerwehr für die Rettung auf dem Wasser, die Taucher für die Rettung unter Wasser. Dazu gehören für die Kameraden zum Beispiel zwei Überlebensanzüge in der Signalfarbe gelb, die erst letzte Woche zum Einsatz kamen, um Tierkadaver aus der eiskalten Havel zu ziehen. Die Taucher sind dagegen mit Trockenanzüge ausgestattet, mit denen sie auch bei Minusgraden bis zu einer Stunde unter Wasser arbeiten können. Wer sich solchen Herausforderungen stellt, muss natürlich topfit und bestens ausgebildet sein. „Alle unsere Taucher haben eine umfassende Ausbildung absolviert und müssen sich regelmäßig einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Außerdem muss jeder Taucher pro Jahr zusätzlich zu den Einsätzen 15 Tauchgänge absolvieren“, macht Rayk Sommer deutlich. Rathenows Stadtwehrführer taucht auch: Wer aber glaubt, die Männer würden in erster Linie ins Wasser steigen, um Leben zu retten, irrt. „Wenn wir gerufen werden, ist es dafür meistens zu spät“, gibt Oliver Lienig unumwunden zu. Der stellvertretende Stadtwehrführer hat als Feuerwehrmann zwar schon Personen lebend aus dem Wasser gerettet. Als Mitglied der Taucherstaffel sind solche Erlebnisse aber die absolute Ausnahme. Gut erinnern kann sich Lienig noch an die mehrtägige Suche nach einem jungen Mann, der beim Baden im Beetzsee plötzlich unterging. Lienig war als Taucher im Einsatz, Rayk Sommer war sein Signalmann. „Man muss sich das so vorstellen: Unter Wasser ist man quasi blind. Deshalb sind Taucher und Signalmann mit einem schwimmfähigen Seil verbunden, über das sie kommunizieren. Der Signalmann steuert den Taucher mit bestimmten Leinenzeichen und der Taucher ertastet seine Umgebung, immer darauf gefasst, plötzlich die gesuchte Person zu berühren“, so Lienig. Immer mehr Einsätze mit Hausbooten: Die dreitägige Suche im Beetzsee blieb dennoch ohne Erfolg. Am vierten Tag trieb die Leiche schließlich an die Oberfläche. Wer solche Einsätze absolviert, braucht eine starke Psyche, weiß Lienig. In der Regel geht es aber nur bei einem Drittel aller Fälle um die Bergung von Personen. Zwei Drittel machen Unterwasserarbeiten aus. Dazu gehört das Bergen von Gegenständen oder Fahrzeugen. Gemeinsam erreichen Einsatzkräfte mehr: „Stark zugenommen haben Einsätze mit gesunkenen oder auf Grund gelaufenen Hausbooten“, berichtet Rayk Sommer. Hier kommt unter anderem Spezialtechnik wie Bergekissen zum Einsatz, die im Wasser als Auftriebskörper genutzt werden. Damit kann zum Beispiel auch ein gesunkenes Auto geborgen werden. Rayk Sommer weiß, längst nicht jede Taucherstaffel ist so gut ausgestattet. Er ist froh über die hervorragende Zusammenarbeit mit dem Landkreis und den anderen Einsatzkräften. Gemeinsam erlebten sie 2019 ein regelrechtes Wunder, als Taucher, Feuerwehr, Polizei und Sanitäter einen Mann retteten, der mit dem Pkw rückwärts in den Stadtkanal gefahren war. Dank der schnellen Reaktion aller Einsatzkräfte und der Technik überlebte der Mann zunächst, starb aber Tage später an den Folgen. Von Christin Schmidt