Kittelschürze trifft auf Abendkleid. Das war nicht die einzige überraschende und anregende Begegnung an diesem Abend: Im Schloss Ribbeck wurde am Dienstagabend erstmals der Kulturpreis Havelland verliehen.
Ambitionierter Abend
Mehr als einhundert geladene Gäste waren gekommen: die Nominierten – 24 Bewerbungen hatte es gegeben -, die Jurymitglieder, Landrat, ehemaliger Landrat, Künstler, Kulturschaffende, Kulturfreunde. Bruno Kämmerling, Geschäftsführer der Kulturstiftung Havelland, hatte ambitioniert die Moderation des Abends übernommen und konnte die Preisträger verkünden.
Der Preis ging an zwei Frauen und fünf Männer. Zum einen wurden Gabriele Konsor und Birte Hoffmann aus dem westhavelländischen Strodehne geehrt. Als selbsternannte „Kulturversorgerinnen“ haben sie im vergangenen Jahr mit ihrer „Kittelschürzenaktion“ für Aufsehen gesorgt. Die Gardine aus der ehemaligen LPG-Küche war den Frauen Anregung gewesen, Kittelschürzen neu zu nähen, viele Frauen aus dem Dorf machten mit.
Kulturversorgung mit Kittelschürze
Auch bei anderen Aktionen brachten die Frauen Menschen zusammen. So mit „Landmade. Kulturversorgungsraum“, als sie im Buga-Jahr für 177 Tage die Dorfstraße durch ein gelbes Podest halbseitig besetzten und hier fast subversiv einen auffälligen Platz für Begegnungen und Diskussionen anboten.
„Das Schönste ist, wenn die Leute mitmachen und etwas Neues entsteht“, beschrieb Birte Hoffmann ihre größte Freude bei dieser Art von Kulturarbeit.
Innovativ und identitätsstiftend
Innovativ, engagiert, identitätsstiftend – die Objektkunst und die Installationen der beiden Frauen waren in ihrer Umsetzung und Wirkung ganz im Sinne des neuen Kulturpreises.
Engagiert und identitätsstiftend – das trifft auch ohne Einschränkung auf den zweiten Preisträger zu: die fünf Männer der Grünefelder Band Sugar Beats.
Ehrung für legendäre Band
1963 gründen Hatty, Sonny, Dieter, Swatzy und Fritze in Grünefeld ihre Beatband. Fast 60 Jahre später machen die Herren in fast gleicher Besetzung immer noch Musik, sind im Havelland und darüber hinaus längst eine sympathische Berühmtheit geworden. Mit Kleiderordnung und Repertoire waren sie einst den Kulturoberen der DDR zu westlich, mit einer Umbenennung in Faragus versuchten die Grünefelder, die politischen Klippen zu umschiffen.
Schwung fürs Havelland
Irgendwann trat dann doch eine musikalische Pause ein, aber nach der Wende legten die Gründefelder Musiker wieder los. Und sie lieben das Musikmachen bis heute – es ist wie Therapie. Musik als Lebenselixier. Das überträgt sich auch auf das Publikum.
„Wir sind überrascht“, gestand Sänger Bernhard Sonnemann, „und wir freuen uns. Wir bringen die Leute im Havelland in Schwung.“ All das hatte die Jury überzeugt, den mit Kulturpreis, der mit 3000 Euro dotiert ist, zu teilen und an zwei so ganz unterschiedliche Künstlergruppen zu geben.
Jury mit Frauenpower
„Es war extrem schwer, die eingereichten Arbeiten zu bewerten“, gestand Jurymitglied Sonja Hermann. Die Ribbecker Architektin saß neben der Sängerin Nina Omilian, der Kunstpädagogin Annette Göschel und der Kunsthistorikerin Petra Lange in der Jury.
Die Preise wurden von Landrat Roger Lewandowski, dem 1. Vorsitzenden der Kulturstiftung, und Matthias Kremer, dem 2. Vorsitzenden der Stiftung, übergeben.
Fragestunde mit Superwoman
Der auffälligste Part des Abends in Ribbeck kam bei aller Kulturvielfalt einer Frau im roten Kleid zu. Die amerikanische Entertainerin Gayle Tufts zeigte nicht nur Ausschnitte aus ihrem aktuellen Programm „Superwoman“, sondern stellte den Preisträgern eine Reihe freundlicher und erfrischender Fragen.
Dabei kam es zu einer besonders schönen Situation von Realsatire: Als nämlich die Frau, die New York und Berlin und andere große Städte der Welt kennt, die Sugar Beats nach ihrem nächsten Auftritt fragte. Die Antwort war kurz und bündig: „1. Juni Kuhhorst.“
Da war die Quasselstrippe offensichtlich irritiert und kam kurz zum Verstummen. Das deutsche Wort „Kuhhorst“ hatte sie bisher nicht in ihrem Wortschatz.
Von Marlies Schnaibel