Mutmaßlicher Wolfsriss im Havelland – siedelt hier nun ein Rudel?

Es muss tagsüber passiert sein, sagt Stephan Otten, Geschäftsführer der Potsdamer Biohofgesellschaft. Eines seiner Kälber ist vermutlich von einem oder zwei Wölfen gerissen worden. „Morgens lebte das Kalb noch. Abends waren nur noch der Kopf und die Knochen übrig“, sagt Otten. Dessen Weide liegt zwischen Paaren im Glien und Grünefeld. 120 Mutterkühe weiden dort. Einige haben Kälber, andere sind noch trächtig. Wolfs-Gutachter schon vor Ort: Als der Wolfs-Gutachter kam, sei die Herde sehr unruhig gewesen, sagt Otten. „Der Gutachter hat zwei Fährten feststellen können.“ Der oder die Angreifer müssen unter dem Zaun hindurch geschlüpft sein, nimmt er an. An der Ohrmarke des Kalbs konnte sicher zugeordnet werden, welches Tier ums Leben gekommen ist. „Es war ein sehr kräftiges, gesundes Kalb“, sagt Otten. In Niederneuendorf gab es 22019 auch einen Riss: Schönwalde-Gliens Bürgermeister Bodo Oehme ist Vorsitzender der örtlichen Jagdgenossenschaft und kennt solche Vorfälle aus dem eigenen Gehege. „Dort läuft Damwild, und der Wolf hat vor ein paar Jahren dort einen Hirsch gerissen.“ In der Nachbargemeinde Niederneuendorf seien laut Oehme im Vorjahr sechs Schafe durch Wölfe umgekommen. „Man muss unterscheiden, ob es ein weiterziehendes Tier ist, oder ob sich ein Rudel bildet“, sagt Oehme. Zwei Wölfe würden dafür sprechen, dass ein Rudel entsteht. Im bundesweiten Vergleich hat Brandenburg die meisten Wolfsrudel. Im vorigen Dezember waren 41 Rudel und acht Paare offiziell nachgewiesen. Schätzungen einzelner Jäger gehen höher. So hatte Jagdpächter Bernd Schulz der MAZ berichtet, dass er regelmäßig Wölfe im Nauener Stadtwald mit der Wildkamera fotografiere und fünf Tiere ein ständiges Rudel dort bilden würden. Der Wald ist der Lebensraum des Wolfs: Wichtig sei laut Oehme, dass Wölfe ihr natürliches Verhalten nicht verlernen und weiter Grenzen zum Menschen einhalten. „Der Lebensraum der Wölfe, der Wald, wird seit Jahren als Naherholungsgebiet genutzt.“ Die Anwesenheit des Wolfes verlange nun ein Umdenken. Dieser gewöhne sich sonst an den Menschen und komme Weiden und Wohngebieten immer näher, sagt Oehme. Eine Möglichkeit, die Tiere auf Abstand zu halten, seien Schreckschusspistolen, um das Normalverhalten zu fördern. Paarens Ortsvorsteher André Barkowski weiß, dass der Wolf schon länger im Gebiet ist. „Es ist nicht zielführend, wenn der Wolf nun näher kommt“, sagt Barkowski. Es sei immer dramatisch, wenn ein Bauer Vieh durch einen Riss verliere. Barkowski macht sich auch Sorgen um die Sicherheit der Menschen. Es gebe keine Garantie dafür, dass nicht auch etwas Schlimmeres passieren könnte. „Dürfen Problem nicht kleinreden“: Einigen Viehbesitzern gehen die Genehmigungen von Fördermitteln für Sicherheitszäune derweil nicht schnell genug. Andere sagen, die Zäune würden nichts bringen, weil sie die Wölfe nicht aufhalten. „Wir dürfen das Problem jetzt nicht kleinreden“, sagt der Ortsvorsteher. Der tatsächliche Bestand im Gebiet müsse erfasst werden. Und wenn es nicht mehr anders geht, bliebe nur noch der Abschuss, so Barkowski. Von Vivien Tharun

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