Sechs Milchviehbetriebe im Havelland geben auf

Die Lage der Milchbauern im Havelland ist nicht ernst, sie ist dramatisch. „Die Milch fliegt uns um die Ohren“, sagt der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Dirk Peters. Er bezieht sich dabei auf die erschreckende Zahl von sechs Milchviehbetrieben, die 2020 schon aufgegeben haben oder kurz davor sind. „Wir haben von den 8800 Milchkühen im Landkreis in diesem Jahr 2000 verloren. Und wenn die Kuh einmal vom Hof ist, kommt sie nicht wieder“, so Peters. Einer der betroffenen Betriebe ist die Märkischer Hof Selbelang GbR. Wie Gesellschafter Detlef Wacker sagte, sei die Milchproduktion nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen, denn „wir verdienen daran nichts, wir zahlen ja zu.“ Vier Mitarbeiter der GbR mussten entlassen werden. Milchpreis ist zu niedrig: Ähnlich sieht es bei in der Agrargenossenschaft Gülpe aus. „Wir schaffen die Milchkühe zum Ende März 2021 ab“, sagt Geschäftsführer Enrico Voigt. In den nächsten Tagen muss er die Kündigungen für die betroffenen Mitarbeiter schreiben und weiß, „dass viele in der dörflichen Umgebung nur schwer wieder einen Arbeitsplatz finden werden.“ Auch Betriebe in Lietzow und Spaatz haben die Milchproduktion jetzt eingestellt. Übrig bleiben dann noch 19 Milchbetriebe. Hauptgrund für die Milchkrise ist der Preis, den die Molkereien den Landwirten zahlen. „Der liegt seit fast 30 Jahren bei etwa 30 Cent pro Liter. Wir brauchen, um kostendeckend zu wirtschaften, aber 40 Cent. In der Zwischenzeit haben sich die Betriebskosten für die Betriebe verdoppelt“, erklärt Uwe Bublitz, Geschäftsführer der Genossenschaft Wachower Landwirte. Allein für das Eiweißfutter (Gen unverdächtiges Soja) seien die Kosten explodiert. „Von den gestiegenen Löhnen mal ganz abgesehen, denn wir zahlen ja weit über Mindestlohn.“ Politiker sind ratlos: Aus Sicht von Uwe Bublitz kann nur die Senkung der Milchmengen insgesamt in Deutschland etwas bewirken. „Es werden etwa 31 Millionen Tonnen Milch im Jahr produziert. Wenn jeder Milchbauer nur fünf Prozent weniger Milch machen würde, würde der Preis steigen. Aber diese Einigkeit bekommen wir leider nicht hin. Und die Politiker helfen uns dabei auch nicht.“ Erst vor Kurzem habe es ein Gespräch mit dem Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Uwe Feiler (CDU) gegeben. Dabei sei es um Einsparmöglichkeiten für Landwirte bei den Betriebskosten wie Strom und Energie gegangen. „Aber er musste einräumen, dass er nicht wisse, wie man dem Trend des Wegbrechens der Milchviehbetriebe entgegen wirken soll“, so Bublitz. Und sein Mitstreiter Jan-Derk Koning, Chef der Koning GbR in Hertefeld, sieht auch die Vorgaben der neuen Düngeverordnung kritisch: „Der Zeitraum, in dem wir Dünger auf den Acker bringen dürfen, ist noch weiter eingeschränkt worden. Das hat zur Folge, dass wir in Lagerflächen auf dem Betriebsgelände investieren mussten.“ Erschwerend für seinen Betrieb komme hinzu, dass Pachtverträge für landwirtschaftliche Flächen von der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG) nicht mehr über zehn oder zwölf Jahre, sondern nur über vier Jahre gemacht werden. „Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Wir können doch nicht viel Geld in Boden investieren, wenn wir nicht wissen, ob wir den in vier Jahren noch bewirtschaften. Außerdem wollen die Banken bei einer Kreditvergabe Sicherheiten sehen, was kurze Pachtverträge nicht sind.“ Funke will Druck machen: Einen Ausweg aus der existenzbedrohenden Lage der Milchbauern sieht der Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Havelland und SPD-Landtagsabgeordneter Johannes Funke im Moment nicht. „Bedauerlich ist, dass die Frage, wie die Tierhaltung in Brandenburg künftig aussehen soll, gegenwärtig in der Koalition nicht ernsthaft diskutiert wird. Da geht es eher um Afrikanische Schweinepest, Vogelgrippe und Corona. Ich muss versuchen, das zu ändern.“ Von Jens Wegener