Elstal: Das Geheimnis um die "Nur-so-da-Brücke"

Die blutorangenen Bögen scheinen im Licht der Sonne noch heller. Die Brücke mit den markanten und geschwungen Stahlbögen können Verkehrsteilnehmer auf der B 5 bei Elstal schon von weitem sehen. Im Volksmund wird sie „Nur-so-da-Brücke“ genannt. Aber warum? Die Erklärung gibt es später. Kleiner Rückblick: Schon Ende der 90er-Jahre kam die Diskussion auf, wie die vierspurige Bundesstraße zu überqueren ist. Früher gab es dort einen Tunnel. Werner Moschall, Vorsitzender des Heimatvereins „Historia Elstal“, sagte, dass der Verein leider keine genauen Unterlagen oder Schriftstücke aus dieser Zeit hat. Aber er erinnert sich: „Wegen der Verbreiterung der Fahrbahn musste der Tunnel, der einst das denkmalgeschützte Sportlerdorf von 1936 und die unter Naturschutz stehende Heide verband, zugemacht werden. Die Brücke wurde der damals noch selbstständigen Gemeinde Elstal als Ausgleich versprochen.“ Das wurde im Planfeststellungsbeschluss über den zweiten Bauabschnitt der B 5 festgehalten, dem die Mehrheit der Elstaler Gemeindevertreter im November 1999 zugestimmt hatte. 2004 wurde die Brücke eingeschoben: Nach der Gemeindegebietsreform 2003 und der Eingemeindung von Elstal nach Wustermark habe sich die Gemeinde Wustermark noch einmal ausdrücklich für den die Fußgänger- und Radfahrerbrücke ausgesprochen. „Weil sich unser Verein sehr stark für den Bau der Brücke eingesetzt hatte, nennen wir sie Historia-Brücke“, so Moschall. Der Bau, der vom Bund finanziert wurde, zog sich hin. Er begann erst im Frühjahr 2004. Ende Oktober war die 50-Meter-lange Konstruktion über der B 5 fertig. Rund 1 Million Euro hat das Bauwerk gekostet. Inzwischen ist die Verbindung in Höhe der Elstaler Rhinslake ein fester Anlaufpunkt für Jogger, Skater, Fahrradfahrer und Spaziergänger. Das hat sich auch am Donnerstagvormittag gezeigt. Mit dem Rad über die Brücke fuhr die 55-jährige Martina Hergesell-Schönberg. „Ich finde die Landschaft hier schön. Und ich bin dankbar, dass wir die Brücke haben“, sagt die leidenschaftliche Radfahrerin. Rund 30 Kilometer lege sie pro Tag mit dem Rad zurück. Sie wohnt in Dyrotz, nutzt aber bei ihren Touren auch oft die Brücke für den Rundkurs durch die Heide, an Karls vorbei zurück nach Dyrotz. „Gebe es sie hier nicht, wären die Umwege zu groß“, sagt sie. Der Asphalt hat gelitten: Kolja B. hatte an diesem Vormittag auf das Rad verzichtet. Dafür rollte er auf den vier Rädern seines Elektro-Skateboards über die Brücke. Seit Mitte des letzten Jahres wohnt er in Elstal. Es gefallen ihm dort sehr gut. Und auch die Brücke nutze er nun fast täglich. Und er weiß, dass viele Menschen über die Brücke laufen oder fahren. „Hier ist immer eine ganze Menge los. Vor allem Spaziergänger und Fahrradfahrer sind hier gern unterwegs“, sagte der 44-Jährige. Doch sei der Belang auf der Brücke recht uneben und habe einige Beulen. Das störe ihn etwas, wenn er mit seinem mechanischem Skateboard dort entlang fährt. Dem schließt sich Ariane Gatzka an: „Ich finde die Brücke nicht so schön, weil der Asphalt über die Jahre mächtig gelitten hat“, sagt die 42-Jährige. Dennoch erfülle sie ihren Zweck, findet sie. Sie sei oft draußen und einmal in der Woche laufe sie rüber in die Döberitzer Heide. Mit dem Hund in die Heide: Die gesamte Entstehung um die Brücke hat Claudia Ernicke-Jankowiak damals mitbekommen. Seit 39 Jahren wohnt die Mutter von drei Kindern in Elstal. Sie sei dankbar, dass es die Brücke gibt. „Es ist eine gute Verbindung zur Heide“, erzählte sie. Wenn das Wetter passe, gehe sie wöchentlich zweimal zum Spazieren über die Brücke. Auch ihre Kinder nehme sie oft mit. „Die freuen sich total über die Wildpferde in der Heide. Oft picknicken wir dort auch“, ergänzte Claudia Ernicke-Jankowiak . Schöne Erinnerungen an die Brücke hat Steffi Peter. „Als meine Tochter noch jünger war, sind wir oft zur Brücke gelaufen. Sie war von den vorbeifahrenden Autos total begeistert“, erinnerte sie sich. Sie selbst nutze die Brücke auch heute noch regelmäßig. Oft gehe sie mit ihrem Hund in die Heide. Inzwischen ist ihr die Brücke an Wochenenden schon zu voll, sagte Steffi Peter. Vielleicht trifft sie beim nächsten Spaziergang Hannelore Köppe an. Seit 2006 wohnt die 70-Jährige in Elstal. Auch sie freut sich über einen direkten Zugang zur Heide. „Ich überquere die Brücke oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Vier- bis fünfmal in der Woche bin ich hier“, erzählte Hannelore Köppe. Auch Ilona Soyka nutzt die Brücke. In Elstal ist die 56-Jährige aufgewachsen, inzwischen wohnt sie in Dallgow und kommt zum Spazierengehen hierher. „Mindestens einmal die Woche bin ich hier, um Sport zu machen“, sagt sie. Die Brücke finde sie zweckmäßig. „Toll ist aber der direkte Zugang zur Döberitzer Heide“, sagt sie. Rampen waren Ende 2006 fertig: Bei allen positiven Meinungen der Elstaler und Besucher, die die Brücke überquerten – den Namen „Nur-so-da-Brücke“ kannte keiner von ihnen. Was steckt dahinter? Dieser im Volksmund entstandene Name kam zustande, weil die Brücke, nachdem sie Ende 2004 eingeschoben war, knapp zwei Jahre praktisch nicht benutzt werden konnte. Sie stand eben nur so da. Der Grund: Es gab auf beiden Seiten keine Wege oder Rampen, die es ermöglicht hätten, auf die Brücke zu gelangen. Die Brücke wurde vom Bund bezahlt, die Rampen und die damit verbundenen Wanderwege lagen in der Verantwortung anliegender Gemeinden unter Federführung von Wustermark. Die Verwaltung hatte zwar Fördermittelanträge gestellt, aber bis die bewilligt wurden, ist eine Zeit vergangen. Erst im Frühjahr 2006 wurden an der Brücke die ersten Vorarbeiten für die Rampen geleistet. Im August 2006 war der erste Wegabschnitt vom Parkplatz an der Döberitzer Heide zum Naturschutzzentrum und zur Brücke über die B 5 ausgebaut. Im November 2006 konnte auch der Abschnitt auf Elstaler Seite von der Brücke bis zum Eulenspiegelring fertiggestellt werden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 400 000 Euro, darunter rund 284 000 Euro Fördermittel aus dem Konversionsprogramm zur Umwandlung ehemals militärisch genutzter Flächen. Die offizielle Freigabe der Wanderwege erfolgte am 1. Dezember 2006. Damit war ein Rundwanderweg vom Olympischen Dorf über die Brücke, hinter dem Kasernengelände entlang bis zu Karls und zurück nach Elstal geschaffen. Und die „Nur so-da-Brücke“ hatte ihren Namen verloren. Von Steve Reutter und Jens Wegener