Attacke auf Wahlkreisbüro in Birkenwerder: „Abscheulich und menschenverachtend“

Der Anschlag auf das Wahlkreisbüro der Landtagsabgeordneten Inka Gossmann-Reetz (SPD) in Birkenwerder zu Beginn dieser Woche (MAZ berichtete) war nicht der erste seiner Art. Bislang unbekannte Täter hatten die Fassade des Büros in der Hauptstraße großflächig mit Fäkalien beschmiert. Aufgefallen war dies am Dienstagmorgen der Ehefrau des Hausmeisters, welche die Landtagsabgeordnete für Birkenwerder, Glienicke/Nordbahn, Hohen Neuendorf und das Mühlenbecker Land umgehend darüber in Kenntnis setzte. Die Polizei rückte zur Spurensicherung an, anschließend wurde ein Firma mit der Beseitigung des Schadens beauftragt. „In den letzten zwei, drei Jahren gab es über ein Dutzend solcher Vorfälle“, berichtet Inka Gossmann-Reetz. In keinem dieser Fälle habe die Polizei bislang den oder die Täter ermitteln können. Auf die Anschläge selbst reagiert die Landtagsabgeordnete nicht, wie sie sagt. „Das ist für mich keine Meinungsäußerung. Daher schenke ich dem Ganzen keine unnötige Aufmerksamkeit.“ Was sie jedoch umtreibt ist die Tatsache, „dass es tatsächlich Menschen gibt, die solch ein Vorgehen gutheißen und befürworten“. So entwickelte sich nach der jüngsten Attacke auf ihr Büro in Birkenwerder anschließend im sozialen Netzwerk Facebook zu diesem Thema eine Diskussion, in der teils kontrovers debattiert wurde. Die Meinungen schwankten zwischen Entsetzen bis zu Verständnis für den unbekannten Täter. Letzteres ließ die erfahrene Politikerin fassungslos zurück. So fassungslos, dass sie sich am Freitagvormittag vor ihrem Büro ganz klar positionierte: „Brandenburgs Landtag ist ein offenes Gebäude ohne Kontrollen, in dem die Bürger jederzeit ein- und ausgehen können. Das gibt es in keinem anderen Landtag. Diese offene Demokratie, in der wir hier leben, ist etwas, auf das wir sehr stolz sein können“, sagte die 50-Jährige. „Ich halte das für genau richtig. So wie wir es im Landtag handhaben, halte ich es auch hier in Birkenwerder mit meinem Büro. Es steht jedem Bürger offen, ich bin hier ansprechbar und jederzeit zum Dialog bereit. Auch um zu zeigen: Ich sitze als Politikerin nicht in einem Elfenbeinturm.“ Noch nie seien Politiker so gut zu erreichen gewesen, wie jetzt, findet Inka Gossmann-Reetz. Dies mache jedoch nicht nur ansprechbar, sondern auch angreifbar. „Unser Büro steht jederzeit offen, um mit uns zu diskutieren – auch über unterschiedliche Meinungen.“ Dem Tenor, Attacken auf solch ein Büro gutzuheißen, gelte es genau aus diesem Grund, zu widersprechen. „Hier müssen wir alle klare Kante zeigen, für eine offene Gesellschaft stehen und dafür sorgen, dass sich das gesellschaftliche Klima nicht noch weiter verschlechtert“. Gleichzeitig wolle sie anderen Politikern Mut machen, denn „leider ist der Vorfall hier bei weitem kein Einzelfall“. In die Diskussion unter dem Beitrag zu dem Anschlag auf ihr Büro wird Inka Gossmann-Reetz nicht einsteigen. „Das kostet zuviel Kraft“, sagt sie. Verfolgt habe sie die Kommentare jedoch schon. Wichtig ist ihr, „der eigentlichen Attacke keine zusätzlichen Klickzahlen und Aufmerksamkeit zu schenken“. Viel mehr will die Landtagsabgeordnete dem Ganzen mit eigenen Beiträgen entgegentreten. „Es gibt genügend Themen, mit denen wir etwas Positives entgegensetzen können“. Entsetzt über den Angriff auf das Wahlkampfbüro zeigte sich auch Stephan Zimniok. „Das ist abscheulich und menschenverachtend und ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft immer mehr verroht“, sagt Birkenwerders Bürgermeister. „Man kann und muss nicht immer einer Meinung sein, aber so setzt man sich nicht auseinander.“ Auch Oberhavels Landrat Ludger Weskamp verurteilt den Vorfall. „Es ist erschreckend, dass Leute die sich politisch engagieren, solchen Attacken ausgesetzt sind“, sagt er. „Es ist nicht akzeptabel, dass in Deutschland so mit Politikern umgegangen wird.“ Gibt es Zusammenhänge zwischen den zahlreichen Attacken? Eine Vermutung, wer hinter den Attacken auf das Wahlkampfbüro stecken könnte, gibt es bislang nicht. Inka Gossmann-Reetz geht davon aus, dass diese sich „gegen das System“, und nicht gegen sie persönlich richten. Die Handschrift bei allen Vorfällen sei ähnlich. Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen ihnen besteht, ermittelt der Staatsschutz. Nur an einen ähnlichen Vorfall in Birkenwerder erinnern sich Inka Gossmann-Reetz und Stephan Zimniok in der Vergangenheit. Im Dezember 2016 sei ein Kleinbus eines Vereins, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert, zunächst ebenfalls mit Fäkalien beschmiert worden, ehe er wenige Wochen später auf dem Parkplatz am Rathaus in Birkenwerder schließlich von unbekannten Tätern in Brand gesetzt wurde. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei zu dem Vorgang in dieser Woche dauern an. Ermittelt wird im Fall von Sachbeschädigung. Die Polizei bittet Zeugen, sich mit Hinweisen zum Sachverhalt bei der Polizeiinspektion in Oranienburg unter Tel. 03301/ 85 10 zu melden. Von Nadine Bieneck

Birkenwerder - Attacke auf Wahlkreisbüro: „Abscheulich und menschenverachtend“