Hennigsdorf: Ein Stolperstein für Wilhelm Busse

Der Stolperstein seiner Frau Klara ruht bereits im Pflaster. Die Hennigsdorferin, die den Zeugen Jehovas angehörte, wurde 1941 von den Nazis ins KZ Ravensbrück deportiert und fand im Januar 1943 den Tod in Auschwitz. Am Montag nun bekam auch ihr Mann Wilhelm Busse seinen Stolperstein, nur wenige Meter vor dem Haus in der Berliner Straße 18, in dem die Eheleute gelebt haben. Der Kölner Künstler Gunter Demnig, der seit 1992 allein in Deutschland rund 1265 Steine verlegt hat, bettete die Erinnerung an den Hennigsdorfer ins Pflaster. Um ihn herum stand eine Traube Menschen, vor allem Angehörige der Zeugen Jehovas waren gekommen, denen auch das Ehepaar Busse angehörte. Gekommen war auch Stephan Steinfurth, ein Urenkel Wilhelm Busses, der mit seiner Frau die Patenschaft für den Stein übernimmt. Erinnerungen an Hennigsdorfer von einst: Für Künstler Gunter Demnig war es eine Rückkehr in die Stadt: 2006 verlegte er– auf Bitten des 2010 verstorbenen Orts-Historikers Helmut Fritsch – neun Stolpersteine in Hennigsdorf. Sie erinnern an Bürger, die zwischen 1933 bis 1945 Opfer der Nazis wurden. Die Messingtafeln erinnern an Clara Schabbel, die Familie Ernst, Dora, Liesel und Ursel Blaschke, Else Ernestine Bela Lachmann, Heinrich Bartsch, Ludwig Goldmann und schließlich Klara Busse. Ihr Mann Wihelm Busse und sie traten 1923 aus der evangelischen Kirche aus und den Zeugen Jehovas bei. Busse kümmerte sich als Gruppendiener um die Hennigsdorfer Gemeinde und wurde in der NS-Zeit – wie rund 10 700 Zeugen Jehovas – verfolgt. Neun Jahre lang verbrachte er hinter Gittern, von Gefängnissen in Moabit und Tegel kam er 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Busse hatte gar nicht daran gedacht, seinen Glauben zu verleugnen. Den Hitlergruß lehnte er ab, den Wehrdienst verweigerte er. „Er war bereit, sich seine Würde nehmen zu lassen. Er verlor mehrmals seinen Arbeitsplatz, ließ sich entrechten, einsperren, quälen, demütigen und verlor seine geliebte Frau – weil er auf sein Gewissen als Zeuge Jehovas hören wollte“, erklärte Urenkel Stephan Steinfurth. In der DDR ging die Verfolgung weiter: Mit viel Glück überstand Wilhelm Busse die lange Zeit in Haft samt Zwangsarbeit und dem Todesmarsch in Richtung Schwerin. Doch wegen seines Glaubens ging die Verfolgung auch nach der Nazizeit weiter. In der DDR wurde ihm vorgeworfen, mit dem Verteilen religiöser Schriften feindliche Propaganda betrieben zu haben. Und so landete Wilhelm Busse im August 1950 erneut im Gefängnis, acht Jahre Zuchthaus lautete das Urteil. Doch das Ende der Haft sollte er nicht mehr erleben: Im Gefängnis in Brandenburg-Görden erlitt Busse im März 1957 einen Schlaganfall. Einen Tag später starb er an Kreislaufversagen im Krankenhaus des Gefängnisses. Wilhelm Busse wurde 69 Jahre alt, 16 Jahre davon verbrachte er in Haft. In Zeiten von Veränderungen sei eigenes Denken auch heute besonders wichtig. „Die Vergangenheit ist das Fundament für morgen“, erklärte Stephan Steinfurth, bevor er Rosen an den Stolpersteinen seiner Urgroßeltern niederlegte. Steinfurth, der bei Frankfurt am Main lebt, ist ebenfalls aktiv in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Das Stasi-Verhör als Bühnenstück: Am Montagabend lud er ins Stadtklubhaus zur Gedenkveranstaltung für die Opfer der Nationalsozialisten, der Saal war gut gefüllt. Es wurden Briefe Wilhelm Busses aus der Haft verlesen, sein absurdes Verhör durch die Stasi nachgespielt – das Hennigsdorfer Stadtarchiv hatte das Original-Protokoll davon aufgetrieben. Hans-Joachim Rehwald, Sohn des ebenfalls verfolgten Zeugen Josef Rehwald, schilderte all die Widrigkeiten, mit denen die Gemeinschaft in der Nazizeit zu kämpfen hatte. Und schließlich mahnte Busses Urenkel Stephan Steinfurth, dass die Verfolgung in Europa von Neuem beginnt: „In Russland“, erklärte er, „werden massenhaft Zeugen Jehovas verhaftet.“ Von Marco Paetzel

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