Leegebruch: Als 2017 die Keller vollliefen – Bürger erzählen vom Jahrhundert-Regen

Und dann zogen Wolken auf, tiefblau hingen sie über Leegebruch. Ausgerechnet am Montag, genau drei Jahre nach dem Beginn des Jahrhundert-Regens in der Gemeinde. Der Leegebrucher Jörg Engmann bekommt immer ein schlechtes Gefühl, wenn es länger regnet. „Das geht vielen Leegebruchern so, das geht auch nicht mehr weg.“ Jener 29. Juni 2017 ist so etwas wie ein kollektives Trauma für die Gemeinde mit ihren knapp 7000 Einwohnern geworden. Rund 250 Liter Niederschlag pro Quadratmeter fielen in der Spitze. Und weil die Gemeinde in einer Senke liegt, floss das Wasser von überall herein. Keller liefen über, Straßen verwandelten sich in Kanäle. Und die Einsatzkräfte – viele Feuerwehren aus dem ganzen Landreis halfen – kämpften Tag und Nacht gegen die Wassermassen. 50 Zentimeter Wasser standen im Fitnessraum: Besonders hart traf es die Anwohner der Birkenallee, die sich als Hauptverkehrsader durch den Ort zieht. Auch Jörg Engmann lebt hier. Er war gerade an der Ostsee, als der Regen am 29. Juni einsetzte. An der Birkenallee habe er mit seiner Frau und den Koffern bis zur Hüfte im Wasser gestanden. Etwa 50 Zentimeter hoch stand es in seinem Fitnessraum, den sich der 59-Jährige im Keller eingerichtet hatte. Laufband, Ergometer, Couch – das alles habe etwa eine Woche im Wasser gestanden, bevor der Keller leergepumpt wurde. „Nur meine Infrarotkabine konnte ich retten. Ich habe sie auseinandergebaut und in der Garage trocknen lassen.“ Der Leegebrucher schätzt seinen Schaden auf rund 20. 000 Euro. Dazu kommt, dass Engmann seit Jahren Comics sammelt und signierte Originale – unter anderem die DDR-Zeitschrift „Mosaik“ – im Keller standen und so ein Fall für die Mülltonne waren. „Das kann einem keiner ersetzen“, so Engmann. Der Bürgermeister bekommt den Starkregen nicht mehr aus dem Kopf: Bürgermeister Martin Rother (CDU), der damals amtierend den erkrankten Verwaltungschef Peter Müller (HGBV) ersetzt hatte, war 2019 zur Bürgermeisterwahl mit der Forderung angetreten, dass sich ein Hochwasser wie 2017 nicht wiederholen dürfe – Regenentwässerung, Grabensystem und Abwasseranlage hätten oberste Priorität. Auch er bekommt jenen 29. Juni 2017 nicht aus dem Kopf. „Ich denke immer daran, wenn der Tag sich nähert.“ Für Rother sei der schrecklichste Tag der „Tag danach“ gewesen, der 30. Juni. „Am Vormittag hatte es aufgehört zu regnen. Doch bis es wieder dunkel wurde, war das Wasser keinen Zentimeter zurückgegangen, sondern noch gestiegen. Wir waren hilflos und wussten nicht, wo wir anfangen sollten.“ Rother spricht von einer Naturkatastrophe, die seinen Heimatort heimgesucht hatte – 250 Litern Niederschlag innerhalb von zehn Stunden gebe es in Deutschland nur ganz selten. Doch die Gemeinde hat viel getan, in der vergangenen Woche wurde der sanierte Durchlass in der Eichenallee (rund 810 000 Euro) fertiggestellt, weitere 20 Durchlässe sollen in den kommenden Jahren saniert werden. Im Bauhof gibt es jetzt zwei Mitarbeiter, die nur für die Reinigung der Gräben zuständig sind, seit Mai arbeitet auch ein Bauingenieur in der Verwaltung, der sich um die Niederschlagsentwässerung kümmert. Dass Montag, drei Jahre danach, wieder ein Gewitter aufzogen ist, hat auch der Bürgermeister beobachtet. Am Ende kamen aber nur ein paar Tropfen runter. „Das“, sagt Martin Rother, „ ist Leegebrucher Sonnenwetter.“ Von Marco Paetzel