Corona-Gewalt: Kinderschutzbeauftragte aus Mühlenbeck schlägt Alarm

Die pädagogische Psychologin Nadja Antonczik schlägt Alarm: „Seit Corona unser Leben bestimmt, haben die Vernachlässigung, Gewalt, aber auch die Misshandlungen an Kindern zugenommen.“ Nadja Antonczik berät im Auftrag der Erziehungs- und Familienberatungsstelle OHV des DRK-Kreisverbandes Märkisch-Oder-Havel-Spree e.V. sowie des Landkreises Oberhavel Erzieher in Kindertagesstätten und Horteinrichtungen, Lehrer in Schulen, aber auch Sozialarbeiter, Ärzte und Hebammen sowie Trainer in Sporteinrichtungen. Bis zu zwölf Mal im Monat rückt Nadja Antonczik derzeit aus, um beratend in Krisensituationen Ansprechpartnerin zu sein und fachliche Hilfe anzubieten. Vor der Pandemie waren es maximal acht Einsätze pro Monat. Alle Fälle sind anonymisiert: „Wir erfahren keine Namen und keine Adressen“, sagt Nadja Antonczik. Gerufen wird die Expertin, wenn Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern und jungen Erwachsenen zu tun haben, am Ende ihres Lateins sind. „Oft sind es leise, erste Anzeichen, die Kinder zeigen, wenn sie in ihrem Umfeld Gewalt erfahren“, sagt die ausgebildete Kinderschutzkraft, die 2019 auch die „AG Kinderschutz MBL“ (Mühlenbecker Land) gegründet hat. Auch Weiterbildungen für Betreuer bietet die Psychologin an. „Indizien für Gewalterfahrung können zum Beispiel sein, wenn Kinder sich plötzlich zurückziehen oder ins andere Extrem verfallen, wild um sich schlagen, andere tyrannisieren oder ein auffälliges Nähe-Distanzverhalten wie beim Anziehen meiden“, sagt die Psychologin. Auch bei den ganz Kleinen, die plötzlich beim Wickeln mit Stress reagieren oder Kinder, die sich plötzlich selbst verletzen, sehe die Psychologin Handlungsbedarf. „Durch unsere Beratungs- und Hilfsangebote wollen wir sensibilisieren und auch den Blick schärfen.“ Oft würde sie bei ihren Vor-Ort-Besuchen den Satz hören: „Wir sind uns eigentlich gar nicht sicher, ob es bei uns überhaupt einen Vorfall gibt. Vielleicht haben wir sie ja auch umsonst gerufen.“ Dazu die Expertin: „Es ist mir tausendmal lieber, umsonst zu kommen, als einmal zu spät.“ Viel habe sie schon im Laufe ihrer langjährigen psychologischen Arbeit auch in Berlin erlebt, wie bei der Betreuung von stark belasteten Familien. Hier und da sei sie früher in ihrer Berliner Zeit auch schon von erzürnten, uneinsichtigen Eltern angegriffen worden – ein Grund, warum die Psychologin und Mutter von zwei Kindern körperlich trainiert ist. Mit dem DRK-Kreisverband Märkisch-Oder-Havel-Spree e.V., als freier Träger arbeitet die DRK Erziehungs- und Familienberatungsstelle OHV eng mit dem Jugendamt Oberhavel zusammen, dass das kostenlose Beratungssystem entwickelt hat. Die Expertin: „Bei Auffälligkeiten, muss immer zuerst das Gespräch mit den Eltern gesucht werden.“ Ein Grund für ein Gespräch könne zum Beispiel auch sein, wenn ein Kind ständig nicht der Jahreszeit entsprechend angezogen und offensichtlich vernachlässigt ist. Ändert sich nichts, würde die Leitung von Kita, Hort oder Schule sich Rat bei den erfahrenen Kinderschutz-Fachkräften holen, und dann gegebenenfalls das Jugendamt informieren. Das behalte sich dann vor, weitere Schritte einzuleiten. Beim Jugendamt können Betreuer auch eine sogenannte Überlastungsanzeige stellen, um Hilfe zu bekommen. Nadja Antonczik ist werktags von 7 bis 17 Uhr unter Tel. 0162/137 80 18 erreichbar. Der Fachbereich Jugend vom Jugendamt OHV ist unter Telefon 03301/6014821 erreichbar. Außerhalb der Sprechzeiten kann man auch den Kinder- und Jugendnotdienst OHV unter Telefon 0800/000 98 36 anrufen.Infos: www.kinderschutz-ohv.de Von Jeannette Hix