Nur noch 15 Kilometer vom Wohnort entfernen? So reagieren die Menschen aus Oberhavel

Die Beschlüsse der Bund-Länder-Beratungen hat Silvio Reinke am Dienstag aufmerksam verfolgt. „Ich muss mir dann wohl neue Lieblingsmenschen suchen“, sagt der Leegebrucher mit Augenzwinkern. Denn ein wesentliches Element des verlängerten Corona-Lockdowns könnte die Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort sein – sofern kein triftiger Grund vorliegt. Dies solle zwar erst ab einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern gelten – Oberhavel lag am Mittwoch bei 149,36. Zudem will das Land erst am Freitag die vereinbarten Regeln noch in eine neue Eindämmungsverordnung gießen. „Es könnte aber so kommen. Und dann kann ich meine Eltern nicht mehr besuchen, die in Wünsdorf wohnen“, so Silvio Reinke. Auch seine Großmutter, die nahe Lübben im Spreewald lebt, wäre außer Reichweite. „Wir haben uns Weihnachten das letzte Mal gesehen. Das wäre schon hart für uns“, sagt der 31-Jährige. Immerhin: mit den Eltern kann er per Videotelefonie sprechen, die Großmutter hat ein Telefon. „Ich habe Verständnis für die Maßnahmen, aber es müssten sich dann auch alle dran halten“, sagt Silvio Reinke. Besuche bei entfernteren Freunden und Familie würden entfallen: „Für mich hätte die Maßnahme nicht so große Auswirkungen, alles was man erreichen muss, liegt eigentlich innerhalb dieser 15 Kilometer“, befindet Isabell Baugatz aus Freienhagen. Momentan würde man generell schon aus Eigenschutz auf viele Dinge verzichten. „An sich stehe ich der Maßnahme aber insgesamt positiv gegenüber, da ich hoffe, dass damit der Tagestourismus eingedämmt werden kann.“ So wie es jetzt sei, kann es ihrer Meinung nach nicht weiter gehen. „Sonst bleibt uns der Lockdown noch ewig erhalten, weil sich die Menschen nicht an die Maßnahmen halten.“ Steffi Stübner aus Hennigsdorf indes sagt: Lockdown ohne Bewegungsradius ist schon nicht schön, wenn man Familie auf Rügen und bei Düsseldorf hat. Nun kann ich nicht mal mehr Freunde in Berlin besuchen, da diese knapp 25 Kilometer entfernt wohnen. Damit würde ich dann den Radius von 15 Kilometern leider überschreiten. Der Veltener Roman Pasell könnte mit den Einschränkungen leben, auch wenn Kinder und Geschwister in Berlin leben. Zu denen habe er aber ohnehin gerade wegen Corona meist nur digital Kontakt. Und auch ansonsten dürfe man ja sowieso momentan nicht reisen. „Aber natürlich wäre das wieder ein großer Einschnitt. Wir müssen aber alles tun, um das Virus endlich unter Kontrolle zu bringen“, sagt der 56-Jährige. Problematisch auch für Gastronomen: Sorge bereitet die geplante Einschränkung der Bewegungsfreiheit dem Gastronomen Robert Friedrichs, der gemeinsam mit einem Partner die „Gallische Dorfkneipe“ in Altlüdersdorf betreibt. „Uns ist bewusst, dass die Lage ernst ist“, sagt er. „Allerdings wurden aus unserer Sicht wieder einmal Maßnahmen beschlossen, welche die Lage nicht wirklich besser machen.“ Sollte der Landkreis Oberhavel ab einem Inzidenzwert von 200 auch in die Regelung fallen, hätte dies erhebliche Folgen für den gastronomischen Betrieb. „Es würde bedeuten, dass man uns das ohnehin schon schwierige To-Go-Geschäft noch weiter einschränkt. Ein Radius von 15 Kilometern würde bedeuten, dass sich der Kundenkreis um einiges verringern würde.“ Trotzdem sei man zuversichtlich, dass man die Zeit gut überstehe. Keine Windeln im Umkreis von 15 Kilometern: Maria Guthjahr (35) aus Schwante blickt mit Sorge in die Zukunft. Die zweifache Mutter sagt: „Waren des täglichen Bedarfs würde ich in Vehlefanz bekommen. Aber spezielle Produkte wie Windeln kaufe ich im DM-Markt in Oranienburg. Die Tour wäre mir nicht erlaubt. Ich müsste online bestellen. Das ist teurer und dauert länger.“ Der Senior Peter Witte aus Summt hält gar nichts von der 15-km-Regelung. „Wie will man das kontrollieren?“, fragt der 81-jährige aktive Sportler und lässt keinen Zweifel: „Ich halte das für eine absolute Luftnummer.“ Gleichzeitig würde das ein wichtiges Arrangement mit seiner Tochter unmöglich machen, denn er und seine Frau betreuen den dreijährigen Enkelsohn, während die Eltern im Homeoffice im 30 Kilometer entfernten Falkenthal tätig sind. Die Entfernung stelle unter Normalbedingungen keine Hürde dar, wohl aber, wenn die 7-Tage-Inzidenz in Oberhavel über 200 klettern sollte. Das Kind sei gern bei den tagsüber deutlich entspannteren Großeltern – „und wir machen das natürlich gern“, so Witte. Bereitschaft, für eine Zeit lang zurückzustecken: „Zum Schutz der Menschheit kann man mal zurückstecken“, findet Veranstaltungstechniker Matthias Bonk aus Löwenberg, „auch wenn es bedeutet, dass ich mich bei meinem Hobby, dem Angelsport, einschränken muss.“ Persönlich hält er die Maßnahmen für einen „Hilfeschrei der Regierung“, wie er selbst sagt. „Sie wissen nicht mehr, was sie machen sollen. Ich denke auch, dass man das Problem falsch angefasst hat, man hätte den Lockdown schon Anfang November machen sollen.“ Mit dem „Lockdown light“ habe man nichts erreicht. „Wir haben ein sehr gutes Katastrophenschutzsystem, darüber hätte man 14 Tage lang alle Haushalte versorgen sollen. Dazu den Reisetourismus einstellen – keiner rein, keiner aus“, befindet er. Sollte es zu der Maßnahme kommen, will er sich dem fügen und den Radius auch einhalten. Von Marco Paetzel, Helge Treichel, Stefanie Fechner, Wiebke Wollek und Björn Bethe