Berührende Klänge in der „Station Z“: Orchestermusiker spielen Moorsoldatenlied ein

Der 76. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des KZ Sachsenhausen steht bevor. Auch in diesem Jahr wird es wegen Corona wieder keine größere Veranstaltung vor Ort mit vielen Gästen geben – dafür aber lauter einzelne nicht weniger interessante Beiträge im Internet. Am 8. April beginnen die Programme der einzelnen Gedenkstätten im Land Brandenburg. In der Gedenkstätte Sachsenhausen wurde bereits vergangene Woche in der Baracke 39 ein Gedenkkonzert des „Moka Efti Orchestra“ aufgezeichnet. Die Musiker bilden die originale Big Band aus der TV-Serie Babylon Berlin um die Komponisten Nikko Weidemann und Mario Kamien sowie Arrangeur Sebastian Borkowski. Neben eigenen Songs interpretiert das Orchester im Nationalsozialismus verfemte sowie in den Konzentrationslagern entstandene Lieder. Das Konzert wird am 18. April ab 18 Uhr online zu sehen sein. In Vorbereitung des Online-Programms zum Jahrestag der Befreiung wurden am Mittwoch noch einmal Aufnahmen der Musiker gemacht – dieses Mal jedoch in einer kleineren Formation. In der „Station Z“ wurde eine Darbietung des „Moorsoldatenliedes“ mit dem „Moka Efti Orchestra“ aufgezeichnet. „Z“, der letzte Buchstabe des Alphabets, stand in zynischer Weise für die letzte Station im Leben eines Häftlings. In der „Station Z“ befanden sich vier Krematoriumsöfen, eine Gaskammer und ein Erschießungsbereich. Zwischen den ruinenhaften Überresten des Gedenkortes erklang die zarte Stimme des Sängers: „Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor. Heimwärts, heimwärts jeder sehnet sich zu Eltern, Weib und Kind.“ Das Moorsoldatenlied ist traditionell Teil der Gedenkveranstaltung zum Tag der Befreiung. Das am Mittwoch aufgenommen Video mit dem Lied wird Teil des Einspielers zur zentralen Gedenkveranstaltung sein, die am 18. April ab 15 Uhr live aus den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück gestreamt wird. Die Veranstaltungen werden nur im ganz kleinen Rahmen stattfinden. Nur einige hohe Ehrengäste sind geladen. Nur noch wenige Zeitzeugen sind am Leben: Stiftungsdirektor Axel Drecoll, Leiter der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, verfolgte gespannt die Videoaufzeichnung. „Durch die Musik bekommt man noch einmal einen ganz neuen Zugang zur Geschichte. Man könnte also auch sagen, dass die Musik Brücken schlägt“, erklärt er. Ein bisschen wehmütig wird Drecoll, wenn er daran denkt, dass er auch in diesem Jahr nicht wie sonst üblich zum Flughafen fahren kann, um Zeitzeugen zu empfangen, die an der Gedenkveranstaltung teilnehmen und damit gegen das Vergessen angehen. „Anders als bei anderen Konzentrationslagern, in denen Kinder überlebt haben, waren die Männer, die nach Sachsenhausen kamen, meist schon 25 bis 30 Jahre alt. Dementsprechend gibt es ohnehin nur noch sehr wenige Überlebende. Und ob sie dann im kommenden Jahr dabei sein können, ist ungewiss“, sagt Drecoll. Der Vorteil an den Online-Veranstaltungen sei aber, dass sie aus der ganzen Welt verfolgt werden können. So ist es beispielsweise auch Überlebenden oder deren Angehörigen, die irgendwann ans andere Ende der Welt ausgewandert sind, möglich, zuzuschauen. Zahlreiche Beiträge zum Gedenken: Bis Anfang Mai wird auf www.rememberliberation.stiftung-bg.de das digitale Jahrestagsprogramm „Erinnerung teilen“ mit Gedenkveranstaltungen, Gesprächen mit Überlebenden sowie Angehörigen der zweiten und dritten Generation, der 360°-Ausstellung „Bruchstücke 45“, Filmen und Kunstprojekten zu sehen sein. Zum Auftakt werden Stiftungsdirektor Axel Drecoll, Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, das Programm am 8. April um 18Uhr in einer Online-Veranstaltung live eröffnen. Bitte melden Sie sich für eine Teilnahme an den Veranstaltungen an: veranstaltungen@gedenkstaette-sachsenhausen.de. Von Wiebke Wollek