Der Fischer vom Mühlensee verkauft Silvesterkarpfen in Oranienburg

Eigentlich habe sie dieses Jahr keinen Fisch mehr kaufen wollen, sagt die Oranienburgerin. „Aber meine Tochter hat für Silvester Karpfen bestellt“, sagt die Seniorin. Und so lange sie noch kochen kann, mache sie das gerne. Die Frau, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchte, lässt sich ein drei Kilogramm schweres Tier aus dem Bottich fischen – so wie schon in den Jahrzehnten zuvor. Der Silvesterkarpfen hat eben etwas mit Tradition zu tun. Absatz stieg am Mittwoch sprunghaft: Auch der Verkaufsstandort ist traditionell: Seit zehn Jahren kommt Fischer Michael Gebhardt in die Bernauer Straße nach Oranienburg, wo er in Höhe des Möbelmarktes Paeske alljährlich von 9 bis 12 Uhr seinen provisorischen Verkaufsstand mit der Waage aufbaut. Bereits über Weihnachten stand er hier – und auch am Silvestertag will er noch die letzten Fische verkaufen. Zwischen 14 Uhr und dem Einbruch der Dunkelheit steht er dann in Vehlefanz neben dem Bank-Container. Ob die lebenden Fische allerdings auch am Silvestertag noch für diesen Standort reichen, kann der 65-Jährige noch nicht abschätzen. Denn nach einem ersten Artikel in der MAZ stieg der Absatz am Mittwochvormittag sprunghaft an: „Bis 11 Uhr hatte ich alle Karpfen verkauft“, sagt er. „Das habe ich noch nie erlebt.“ Immerhin bis zu 150 Kilogramm könne er in seinem riesigen Wassertrog mitbringen. Aber neben Spiegelkarpfen, deren Schuppen weitestgehend weggezüchtet wurden, hat der Fischer auch noch Zander und Hechte im Angebot. Hinzu kommen geräucherte Forellen und Aale. Es handelt sich allerdings um seine letzten Fische aus der Teichlandschaft Neuholland. Zum 31. Dezember gibt Michael Gebhardt die Bewirtschaftung dort auf, die er 2008 übernommen hatte. „Zu viele Fressfeinde“, sagt er mit seiner etwas brummeligen Stimme. Damit meine er nicht nur viele geschützte Tierarten, sondern auch die Zweibeiner, die dort zunehmend illegal mit ihrem Angelgerät auf Raubzug gingen. Eigentlich sollte dort ein Fischertrag von 30 Tonnen möglich sein. Das Ergebnis sei durch die Umstände auf ein Zehntel gesunken. Deshalb habe er in diesem Jahr in Neuholland nur noch zwei Teiche bewirtschaftet. Mit 600 bis 700 Kilogramm Fisch rechnet er in diesem Jahr. Vom ehrenamtlichen Helfer zum Bewirtschafter: Die Teiche in Neuholland hatte Michael Gebhardt von Bernd Reich übernommen, der 2010 in den Ruhestand gegangen war und seinen Fischereibetrieb aufgegeben hatte. Bei dem Oranienburger Züchter und Fischsachverständigen war er zuvor bereits als ehrenamtlicher Helfer tätig, bevor er dessen Nachfolge übernahm. Und Bernd Reich hatte bereits den Fischverkauf zum Jahreswechsel in Oranienburg etabliert. Ansprechpartner auch für Angler: In Schwante bewirtschaftet Gebhardt drei Gewässer, alle drei Staustufen der Gräben: den Mühlensee, den Flugplatzsee neben dem Modellflugplatz sowie den Karwesee, auch Karpfensee genannt. Für alle, die dort als Freizeitfischer angeln möchten, ist Michael Gebhardt als Pächter der Ansprechpartner. Wenn der 65-Jährige auf Internet und Kartenzahlung angesprochen wird, muss er allerdings passen. „Wir sind aus dem letzten Jahrtausend“, sagt er entschuldigend. Den digitalen Wandel möchte er nicht mitmachen. Weil es in Neuholland immer schwieriger wurde, hat Michael Gebhardt vor vier Jahren in Oberkrämer bereits neue Teiche gebaut. „Die Teiche in Schwante kann ich verteidigen“, sagt er. Im kommenden Jahr werde er dort die erste „Ernte“ abfischen können. Und mit dieser Zucht werde er dann auch wieder in Oranienburg und Vehlefanz präsent sein. „Solange ich kann, werde ich auch herkommen“, verspricht Michael Gebhardt. Von Helge Treichel