Schloss Zehdenick: Erst Adelshaus und jetzt Hotel

Wenn diese Mauern erzählen könnten… Mehr als 800 Jahre Wissen stecken zumindest noch im Fundament, die anderen Bestandteile des heutigen Havelschlosses in Zehdenick entsprechen nicht mehr der ursprünglichen Version. Von der einstigen Wasserburg (1216 erstmals erwähnt), von der aus der Havelübergang bewacht wurde, blieben nur die Grundfesten übrig. Auf ihnen entstand ein repräsentativer Renaissancebau, der 1631 – während des 30-Jährigen Krieges – dem Stadtbrand zum Opfer fiel. Geblieben sind auch hier die Grundmauern und der Gewölbekeller, die für den Bau des Schlosses (um 1700) eine gute Grundlage bildeten. 1804 erhielt das Gebäude einen nördlichen Flügel – seitdem steht das Schloss so auf der idyllischen Halbinsel, wie man es von den Ausmaßen heute kennt. Familie von Arnim residierte eine Zeitlang im Schloss: Solche Namen geistern durch das historische Gebäude: Familie von Holzendorf, Familie von Arnim, der Müller Trambow – sie alle waren einst Besitzer des Schlosses. „Zu DDR-Zeiten wurde es als Internat und später als Altenheim genutzt“, weiß Margitta Gatzke, ehemalige Archivarin der Stadt Zehdenick und zugleich wandelndes Lexikon, wie sie ihre Ex-Kolleginnen liebevoll nennen. Die Oberschule nutzte das Anwesen ab 1952 als Internat für die Schülerinnen und Schüler der Region; die Mädchen wohnten im Holzhaus rechts neben der Schlosszufahrt, die Jungen im Schloss. Auch das Tourismusbüro, die Stadtverwaltung und die Stadtwerke wären eine gewisse Zeit auf dem Schlossgelände einquartiert gewesen, zum Beispiel im Holzhaus. „Es bestand nach der Wende ein hoher Sanierungsbedarf“, weiß Margitta Gatzke. „Und dann kam Herr Waffler.“ Familie Waffler hauchte dem Hotel neues Leben ein: Ingo Waffler. Ihn zog es 1991 beruflich von Berlin nach Zehdenick. Das Familienunternehmen – damals noch in Vaters Hand – kaufte seinerzeit die Schiffsreparaturwerkstatt, unmittelbar neben dem Schloss gelegen, von der Treuhand. Es wurden Mitarbeiter übernommen, umgeschult, eine Steganlage gebaut, das 120 Jahre alte Trockendock rekonstruiert, Schleusentore erneuert, die Zufahrt zum denkmalgeschützten Trockendock reaktiviert und dabei 6000 Kubikmeter Erdmassen aus dem verlandeten Stich geholt (wo einst die Zehdenixe abfuhr). „Als wir 1998 das Trockendock einweihten, war der damalige Brandenburger Umweltminister Matthias Platzeck dabei. Er schaute übers Wasser und fragte, was sich hinter den Bäumen befindet“, erinnert sich Ingo Waffler. Es war das Schloss. Oder besser: das leerstehende, abgewirtschaftete Schloss. Platzeck zu Waffler: „Wäre das nicht was für Sie?“ Sanierung: „Zustand war viel schlechter als erwartet“: Zwei Jahre später kaufte es Ingo Waffler, inzwischen alleiniger Firmenchef von A bis Z Oberflächenveredelung, von der Stadt. Er wollte wirtschaftlich nicht mehr auf einem Bein stehen – aus schlechter Erfahrung. Dass er sich mit der traumhaft gelegenen Immobilie einen gehörigen Klotz ans Bein band, war ihm vorher nicht ganz klar. „Nach der Entkernung des Gebäudes zeigte sich, dass der Zustand viel schlechter war als erwartet.“ Vier Jahre lang dauerten die Sanierungsarbeiten. Architektonische Schätze traten zutage. Die Rundbögen zum Beispiel, die einst hinter baulichem Dilettantismus verschwanden, sind heute wieder gut sichtbar. Nach vier Jahren Bauzeit: Eröffnung im Jahre 2004: 2004 eröffneten die Wafflers das Schloss – mit gehobener Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten. „Das war damals eine Ergänzung zum bestehenden Angebot in der Stadt“, so Ingo Waffler. Zehn Jahre lief das Haus in Eigenregie. Im Restaurant – es befindet sich im romantisch-urigen Gewölbekeller – setzten Restaurantfachfrau Rosi John und Koch Jürgen Preuß Akzente. Das Eis der Zehdenicker war auch bald gebrochen, sodass nicht nur Touristen das Schloss-Restaurant besuchten. 17 Appartements mit bis zu sechs Betten finden in dem altehrwürdigen Gebäude Platz (heute sogar 19 Appartements). Die seitlich stehende Scheune ist mittlerweile ausgebaut und als Feierraum nutzbar. Zum Beispiel für Hochzeiten; im Schloss werden standesamtliche Trauungen durchgeführt. Nationale und internationale Gäste: Seit 2014 wird das Schloss unbeabsichtigt im Zwei-Jahres-Rhythmus von verschiedenen Pächtern geführt: Mario Giel, die holländische Familie Overvoorde, Sohn Dennis Waffler und seit Anfang 2019 von Lars Ritter und Dirk Naujokat-Großpietsch. 2014 fing auch Maria Kedzierski an, im Havelschloss zu arbeiten. „Die Ausrichtung ist in all den Jahren gleich geblieben. Die Pauschalangebote, die wir mittlerweile machen, haben sich bewährt“, sagt die Leiterin des Schlosses, die auch immer wieder internationale Gäste begrüßt. Stammgäste seien Jäger aus Norwegen und Holland. Die 34-jährige Zehdenickerin konstatiert froh, dass die Corona-Zeit mit dem Lockdown keinen größeren Schaden anrichtete. „Es sieht so aus, dass wir die Ausfälle vom Frühjahr wieder hereinbekommen.“ „Es hat sich alles zum Guten gewendet“: Ingo Waffler kann sich darüber nur freuen, wenn das Geschäft im Schloss, welches ihm nach wie vor gehört, brummt. Der 57-Jährige hat die Bewegung auf dem Areal selbst jeden Tag vor Augen, schließlich wohnt er auf dem Hof; im großen Holzhaus, welches gleich an der Einfahrt zum Schloss steht und in dem einst die Internats-Mädchen übernachteten. Gärtner halten das Gelände, welches direkt an der Havel liegt, in Schuss. Margitta Gatzke sagt: „Es hat sich alles zum Positiven gewendet. Es ist ein wunderschönes Terrain.“ Von Stefan Blumberg