Stiftung Naturschutzfonds erstellt Managementplan für die Temnitz

Mit Harke und Drahtsiebkescher begaben sich Experten an der Temnitz auf die Suche nach der Kleinen Flussmuschel. Was sie dort an sieben ausgesuchten Standorten fanden, war ernüchternd: an keiner der Probenstrecken konnten sie lebende Individuen dieser Art nachweisen. Nur einige Leerschalen wurden gefunden. Damit ist es wahrscheinlich, dass der Bestand erloschen ist. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass noch einzelne Exemplare vorhanden sind. Bis vor wenigen Jahrzehnten gehörte die Gemeine Flussmuschel zu den am häufigsten vorkommenden heimischen Fließgewässermuscheln und auch die Temnitz gehörte zu ihrem Lebensraum. Das hat sich dramatisch geändert. In Mitteleuropa sind die Bestände zusammengebrochen und in vielen Regionen sind sie bereits ausgestorben. Auch der seltene Bitterling, der unter europäischem Schutz steht, wurde in der Temnitz entdeckt und nach Angaben des Naturschutzfonds leben dort auch Fischotter, Biber und Fledermäuse. Der Fluss wurde deshalb als sogenanntes Fauna-Flora-Habitat (FFH-Gebiet) in das europäische Schutzgebiets-Netz Natura 2000 aufgenommen. Das FFH-Gebiet „Oberes Temnitztal Ergänzung“ erstreckt sich über etwa 35 Kilometer und reicht von Rägelin über Walsleben, Garz und Vichel bis zum havelländischen Zootzen, wo die Temnitz in den Rhin mündet. Bereits zum Auftakt der Managementplanung des Gebietes lud die Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg zu Infoveranstaltungen ein, an denen Landeigentümer, Nutzer, Anglerverbände, Anwohner und Behördenvertreter teilnahmen. Seit 2018 haben Experten eines Fachplanungsbüros im Auftrag der Stiftung Lebensräume, sowie Flora und Fauna im Temnitzgebiet untersucht. Der Zustand des Fließgewässers wurde anhand des Fischbestandes und der Unterwasservegetation bestimmt. Fünf Meter breite Randstreifen vorgeschrieben – aber oft nicht da: Anfang November dieses Jahres informierte die Stiftung in Walsleben über den aktuellen Stand und stellte Untersuchungsergebnisse vor. Es hat sich gezeigt, dass die Temnitz viele Gesichter hat. „An einigen Stellen weist sie die typische Unterwasservegetation auf. An anderen Stellen zeichnet sich wieder ein ganz anderes Bild: der Fluss ist begradigt, Äcker reichen direkt bis an das Ufer, Wehre verhindern, dass Fische wandern“, berichtet Anne Hartmann vom Planungsbüro. Um Einträge aus umliegenden Flächen in den Fluss zu vermeiden, sind mindestens fünf Meter breite Randstreifen vorgeschrieben, die es an der Temnitz nicht überall gibt. Die Phosphorkonzentration überschreitet den zugelassenen Grenzwert deutlich. Als Folge kommt es zu Algenwuchs, der den Sauerstoffgehalt des Flusses beeinträchtigt. Chemische Belastungen durch Kläranlagen und Einträge aus der Landwirtschaft, begradigte Abschnitte und zahlreiche Querbauwerke sind für die Experten Gründe, den Zustand der Temnitz in weiten Abschnitten als ungünstig zu bewerten. Bereits vor dem Managementplan wurde auf der Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie ein Gewässerentwicklungskonzept für die Temnitz erstellt. In diesem Konzept aus dem Jahr 2014 wurden Maßnahmen vorgeschlagen, die in den Managementplan übernommen werden. So sollen Gewässerrandstreifen angelegt und Wehre zurück gebaut werden. Landesanglerverband Brandenburg hat Hilfe angeboten: „Wir hoffen dass die vom Brandenburger Landwirtschaftsministerium beschlossene Förderung von Blüh- und Ackerrandstreifen sich positiv auswirken wird“, sagt Katinka Münch von der Stiftung Naturschutzfonds. „Das braucht natürlich alles seine Zeit und lässt sich nicht von heute auf morgen realisieren.“ Auch der Landesanglerverband Brandenburg hat angeboten, die Wiederbesiedlung von wichtigen Fischarten in der Temnitz zu unterstützen, sobald die Wasserbedingungen wieder besser sind. Die in der Dosse vorkommende Elritze ist zum Bespiel einer der Wirtsfische, auf die die kleine Flussmuschel angewiesen ist. Die Larven der Muschel setzen sich in ihre Kiemen und wachsen dort. Für eine Wiederansiedlung der Kleinen Flussmuschel bestehen also durchaus Hoffnungen. Von Cornelia Felsch

Temnitztal - Bedrohte Lebensräume an der Temnitz