Tierärztin Mareike von Lewinski aus Horst auf Pferdezähne spezialisiert

Ein Eimer aus Edelstahl, eine Spritze im XXL-Format, Schleifinstrumente, Zangen, Hammer und ein Maulgatter. Wer bei diesem Anblick noch keine Zahnschmerzen hat, dem kriecht ein leichter Schauer über den Rücken. Doch keine Angst: Nur wenn Pferde zum Zahnarzt gehen, sind die Instrumente ein paar Nummern größer als beim Menschen. „Madani“ erwartet im Stall auf Gut Burghof in Horst bei Blumenthal die jährliche Durchsicht ihrer Zähne. Geduldig steht sie im Wartezimmer. „Madani“ ist ein 17 Jahre altes Österreichisches Warmblut und gehört Mareike von Lewinski aus Horst. Seit Februar 2016 ist sie selbstständige Tierärztin und im Umkreis von 100 Kilometer unterwegs. Pferde sind ihr Spezialgebiet. Im Frühjahr und Sommer dominieren Reproduktion und Zucht, im Herbst und Winter steht Zahnmedizin oben auf dem Programm. Zahnpflege bei Pferden ist Investition in Gesundheit: Schneidezähne, Backenzähne oder Fehlstellungen behandeln – Zahnpflege bei Pferden ist wie bei den Menschen eine Investition in die Gesundheit. Pferdezähne „wachsen“ zeitlebens zwei bis fünf Millimeter pro Jahr nach. Das eigentliche Längenwachstum endet aber bereits im Alter von neun Jahren. Dann schieben sich die Backenzähne schrittweise aus dem Kiefer in Richtung Maulhöhle und werden mit zunehmendem Alter kürzer. Mareike von Lewinski aus Horst ist Tierärztin aus Leidenschaft: Die Arbeit als Tierärztin ist körperlich schwer ist und liegt weit vom sprichwörtlichen Ponyhof entfernt. Dennoch stand für Mareike von Lewinski schon früh der Berufswunsch fest. Jede Zahnbehandlung dauert durchschnittlich eine Stunde. Das Bonusheft heißt bei Pferden Zahnpass. Im Herbst und Winter hat die promovierte Tierärztin viele Zahnpässe in der Hand. Gebiss von Reitpferd „Madani“ wird untersucht: „Madani“ ist tiefenentspannt. Zunächst erhält das Pferd eine Beruhigungsspritze. „Damit wird die Behandlung für das Tier stressfreier“, sagt die 38-Jährige. Auch für die Tierärztin geht es bei der Untersuchung und Behandlung damit leichter. „Madani“ nimmt zwar auf keinem Behandlungsstuhl in der Box Platz; über ein Hängehalfter mit Flaschenzug wird ihr Kopf aber in die richtige Position gebracht. Dabei hilft Mareike von Lewinskis Mann Felix. „Das Hängehalfter entlastet den Kopf“, sagt die Tierärztin. Sie legt dem Pferd ein Maulgatter an und weitet damit das Gebiss. Den Gang in das Fitnessstudio kann sie sich ersparen, denn viele Instrumente halten locker mit Hanteln mit. Mindestens einmal im Jahr zum Pferdezahnarzt: „Einmal im Jahr steht die Zahnkontrolle auf dem Plan“, sagt die Tierärztin. Bei Reitpferden wie „Madani“ ist das häufiger notwendig, denn ihre Rittigkeit hängt vom Zustand der Zähne ab. Wenn die Trense zum Reiten angelegt wird, darf es zu keinen Reibungen an Zahnecken und -kanten kommen. Verändertes Fressverhalten führt zu Zahnproblemen: Das Fressverhalten hat sich bei den Pferden schrittweise verändert. Boxenpferden fehlt das Grasen auf der Weide, die Mahlvorgänge beim Kauen von Kraftfutter sind kürzer. Somit fehlt der normale Zahnabrieb. „Das wird bei der Behandlung korrigiert“, sagt Mareike von Lewsinki. Heu ist ein Raufutter, reinigt die Zähne und schützt vor Zahnfleischentzündungen. Raues Futter wirkt wie Zahnseide. Mit der Kopflampe tiefe Einblicke in die Maulhöhle: Die Tierärztin knipst ihre Kopflampe an, zieht die XXL-Spritze mit Wasser auf und spült die Maulhöhle. Dabei werden Futterreste entfernt. Dem Lichtkegel entgeht nichts. Schon weitet die Tierärztin das Maulgatter und blickt tief hinein. Lose und lockere Zähne spürt sie auf – bei „Madani“ sitzt alles. Dann tastet sie Backen- und Schneidezähne ab. Wenn die Backenzähne sich ungenügend abreiben oder Fehlstellungen auftreten, bilden sich Zahnkanten und -haken. Diese verletzen Mundschleimhaut und Zunge – die Kaubewegungen fallen schwerer. „Durchschnittlich beginnen Zahnprobleme bei Pferden im Alter von 17 bis 20 Jahren. Es gibt aber auch 25 Jahre alte Tiere mit topp Zähnen“, sagt Mareike von Lewinski. Zahnraspeln beseitigen Ecken und Kanten: Bei der Gebisssanierung greift sie zu mechanischen Zahnraspeln und schleift Zahnkanten an den Backenzähnen ab. „Das ist so wie Hufebeschneiden“, sagt von Lewinski. Beim Raspeln hat sie nicht nur freie Sicht, sondern muss viel ertasten und dann die Instrumente ansetzen. Die Tierärztin greift anschließend zur elektrischen Raspel und behandelt Außen- und Innenkanten der Backenzähne. Mit den Handraspeln nimmt sie den Feinschliff vor. Die Kauflächen dürfen nicht mit der Raspel bearbeitet werden, sonst können die Pferde nicht mehr kauen. Der Stempel im Zahnpass ist gesichert: Schwere Geschütze für das Ohr fährt die Tierärztin mit dem Schleifinstrument auf. Wie der Handwerker die Flex setzt, verbreitet die Diamantschleifscheibe ähnliche Geräusche. Damit gleicht sie die Schneidezähne in ihrer Länge an. „Das ist Millimeterarbeit“, sagt Mareike von Lewinski. „Madani“ zeigt auch mit 17 Jahren gute Zähne. Der Stempel in ihrem Zahnpass ist dann nur noch Formsache. „Nach der Behandlung dürfen die Tiere wegen der Beruhigungsspritze zwei bis drei Stunden nichts fressen“, sagt Mareike von Lewinski. Von Christamaria Ruch