Am 30. November 1993 besiegelten es die Stadtverordneten: Der Neuruppiner Schülertreff wurde zur Jugendkunstschule (JKS), erzählt Monika Meichsner, die diese von Anbeginn leitete. Letztes Jahr ging sie in Ruhestand, verschwand jedoch nicht ganz. „Ich unterrichte noch, Gitarre und Keyboard.“
Das tat sie auch schon im Schülertreff, der wiederum aus dem Pionierhaus hervorgegangen war. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde es geschlossen. Der Nachwuchs verlor seine Anlaufstelle, wogegen Meichsner kämpfte.
„Wir hatten eine große Verantwortung“, sagt die studierte Grundschullehrerin und Theaterpädagogin. „Nach der Wende waren viele Eltern arbeitslos und wir kümmerten uns um deren Kinder. Wir gaben ihnen Raum und ein warmes Mittagessen.“ Einmal pro Woche fuhr die gebürtige Falkenseerin mit ihrem Trabi zum Aldi nach Löwenberg und kaufte neue Vorräte ein.
Plötzlich war die Talenteförderung weg
Beschäftigt waren die Kinder nun, spielten Billard und Tischtennis, manche belegten für wenig Geld im Monat Theater- oder Musikkurse. Jeder konnte im Schülertreff kommen und gehen, wann er wollte. Genau darin sah Monika Meichsner das Problem: „Als die DDR weg war, fehlte plötzlich auch die Talenteförderung. Wir haben geforscht, wie die alten Bundesländern dies handhaben und stießen auf Kunstschulen.“
Das konnten sie auch, fanden Meichsner und ihre Kollegen, erstellten ein Konzept für Neuruppin und setzten es durch. „Equipment hatten wir schließlich vom Schülertreff bzw. Pionierhaus, breit gefächert in unserem Angebot waren wir auch.“ 400 Kinder und Jugendliche ließen sich fortan für einen geringen Monatsbetrag ließen sich von Vollblutkünstlerin Meichsner und ihrem Team in Malen, Zeichnen, Basteln, Tanz, Theater, Gitarre und Keyboard unterrichten.
400 Schüler zwischen vier und 80 Jahre
Zu fünft inklusive Honorarkräfte stemmten sie den Alltag an der Kunstschule. „Heute sind wir vier Mitarbeiter und 20 Honorarkräfte“, sagt Alexandra Christ. Die 35-Jährige ist Anfang des Jahres in Meichsners Fußstapfen getreten. Die Schülerzahl ist in etwa die Gleiche wie damals. „Rund 400 Schüler sind derzeit angemeldet zwischen vier und 80 Jahre“, so Christ.
Die Qualifizierung der Dozenten hat im Laufe der Zeit zugenommen, was auch die Qualität der Kunstschule steigert. Alle drei Jahre müssen die Honorarkräfte zu Weiterbildungen, so schreibt es der Gesetzgeber vor, immerhin ist die Neuruppiner Jugendkunstschule eine staatlich anerkannte Institution.
Diese Anerkennung war ein Meilenstein für die Neuruppiner Jugendkunstschule, zählt Monika Meichsner auf. „Die brandenburgischen Amateurtheatertage alle zwei Jahre sind stets ein anderer. Zwölfmal sind wir dort schon aufgetreten, immer hat unsere Theatergruppe gute Kritiken bekommen.“
Große Talente hervorgegangen
Aus der Theatergruppe sind schon namhafte Größen hervorgegangen, die man von Film, Fernsehen und Bühne kennt. So hat Schauspielerin Tina Amon Amonsen als blutige Anfängerin im JKS-Theaterstück „Der Vogelkopp“ brilliert und später am Salzburger Mozarteum studiert. Max Rothbart entdeckte Jahre später das „Theater ohne Bühne“ für sich, eine Theater AG der Jugendkunstschule unter der Leitung von Regisseur Sebastian Eggers, und studierte anschließend an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig.
Schon mehrmals stand der 28-Jährige, der am Theater Basel engagiert ist, beim Berliner Theatertreffen auf der Bühne. „Egal ob jemand Schauspieler werden möchte oder Erzieher, für einen Teilnehmer bringt es immer etwas, wenn er in der Theatergruppe mitgemacht hat“, so die ehemalige JKS-Leiterin Monika Meichsner. „Das zeugt von Teamgeist.“ Auf Wunsch werden Zertifikate ausgestellt.
Auch die hauseigene Band ist erfolgreich, hat schon an vielen Wettbewerben teilgenommen und CDs herausgebracht. „Sehr groß ist neben dem Theater unser Tanzbereich mit 250 Mitgliedern“, sagt Alexandra Christ. „Wir unterrichten Kinder ab vier Jahre bis zum Abitur-Jahrgang und haben eine Kooperation mit dem Theatersommer Netzeband oder den Fontanefestspielen, wo unsere Tanz-Kompanie auftritt.“
96-Stunden-Aktion vom RBB
Zwischen Oranienburg und Neuruppin gäbe es nichts Vergleichbares wie die Jugendkunstschule Neuruppin, so Christ. „Zehn Prozent unserer Schüler kommen nicht mal aus dem eigenen Landkreis.“ Mit Fördermitteln vom brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur wird die Kunstschule Neuruppin unterstützt.
Doch nicht nur von Landesebene gibt es Hilfe, auch vor der eigenen Haustür gab es diese schon. Damals als das RBB-Team von „96 Stunden“, das bei sozialen Projekten unter die Arme greift, zum Umzug ans Rheinsberger Tor mit anpackte. „Die Aktion hat uns gezeigt, welchen Stellenwert die Kunstschule in der Region hat. Hiesige Betriebe haben geholfen. Jeder brachte es vorbei, Türen, Telefon. Die ganze Aktion basierte ja auf Spenden.“
Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Kräfteraubend waren für Meichsner die Gebührenanhebungen der Stadt: „Dagegen gab es Demonstrationen, die immerhin dazu führten, dass ein Monat in den Sommerferien geführenfrei wurde.“ – „Mittlerweile sind es sogar zwei“, ergänzt Alexandra Christ.
Kunstschule für jedes Kind
„An der Jugendkunstschule sollen alle Kinder abgeholt werden. Wer sich die Kosten nicht leisten kann, kann Unterstützung bei unserem Förderverein beantragen.“ Dieser wurde fünf Jahre nach Bestehen der Schule von engagierten Eltern gegründet, da Meichsner und ihre wenigen Kollegen neben Unterricht und Verwaltung nicht mehr mit dem Organisieren von Hof- oder Sommerfesten nachkamen.
Vieles war ein Kampf, auch das ständige Umziehen. Oft wurde improvisiert, sei es beim Möbelschleppen oder gar beim Unterrichten. „Als wir ins Alte Gymnasium ziehen sollten, wurde es gerade improvisiert. Ich weiß noch, dass unser erstes Theatertreffen auf dem Dachboden der Bibliothek stattfand.“
In den vergangen 25 Jahren hat sich viel getan und die Jugendkunstschule hat allen Grund zu feiern. Das Jubiläum dauert das kommende Jahr an. „Wir hängen uns damit ans Fontanejahr an“, verrät Christ.
Sechs Wochen-Aktion im Ex-Kaufhaus
„Ab 11. Mai bespielen wir für sechs Wochen das ehemalige Magnet-Kaufhaus mit einer Ausstellung zu Fontane und seinen Lebenswelten.“ Bunt, schrill, knallig wird es auf 500 Quadratmetern. „Alle Kursteilnehmer machen mit. Es wird Tanzauftritte inmitten der Fontanewelten geben, Theater, Musik.“
Eingeläutet wird das Jubiläum am Donnerstag, 28. November, zum Stadtfest „Licht an!“. Interessierte sind herzlich ins Foyer im Alten Gymnasium eingeladen. Tanz- und Theateraufführungen locken, Gitarrenmusik und ein Weihnachtsrockkonzert. Auf dem Schulplatz steht der Förderverein der Schule mit Waffeln und Kinderpunsch. Ganz passend, wenn um 17 Uhr gemeinsam die Lichter am Weihnachtsbaum angezündet werden, die symbolisch für die Geburtstagslichter der Kunstschule stehen.
Von Anja Reinbothe-Occhipinti