In Kyritz startet Produktion von Dextrin als Wundermittel für besonders knusprige Pommes

Edelstahl, wohin das Auge blickt. Vom Erdgeschoss bis ganz nach oben. Kabelstränge durchziehen alles. Angefangen ganz unten in der mit etlichen Monitoren bestückten Schaltzentrale. Ein bisschen riecht es hier wie in einem Neuwagen. „Noch“, sagt Martin Schmidt und lacht. Der Werksleiter weiß ja, wie anders es sein kann, wenn eine Fabrik wie seine Stärkefabrik erstmal auf Hochtouren läuft. Das Werk, das seit langem schon zur Emsland-Group mit Hauptsitz im niedersächsischen Emlichheim gehört, hat seit mehreren Modernisierungen der vergangenen Jahre schon so einige sehenswerte Technik am Laufen. Was jetzt mit der neuen Anlage zur Gewinnung von Dextrin hinzukam, übertrifft das noch um einiges. Wenngleich von außen bislang kaum mehr als ein Betonklotz zu sehen ist. Ein Produkt für die Ummantelung von Pommes: Ins Innere des alles in allem etwa 14 Millionen Euro teuren Bauwerks durfte die MAZ jetzt exklusiv einen ersten Blick werfen. Denn alles ist fertig. Dextrin ist ein Stärkeabbauprodukt, das für die Ummantelung besonders knuspriger Pommes verwendet wird – Coating genannt. Bisher wurde es aus Emlichheim angeliefert. Demnächst wird aus dem Dextrin in Kyritz nun auch gleich noch ein fertiges Coating gemischt. Acht neue Arbeitsplätze sind entstanden: Dafür entstanden in Kyritz acht neue Arbeitsplätze. Nach dem seit mehreren Wochen schon laufenden Testbetrieb soll ab Ende Mai die Produktion starten. Bis dahin arbeitet sich das Personal weiter ein. „Fünf Leute betreuen die Anlage“, sagt Stephan Fiedler, der Abteilungsleiter für den Bereich Stärke-Veredelung. Hinzu kommen drei Beschäftigte für die sogenannte Absackung. Eigens für das neue Produkt wurde eine neue „Linie“ aufgebaut. Die läuft neben den bisherigen Rollbändern. Diese transportieren säckeweise bisher vor allem modifizierte Stärke als wichtige Nahrungsmittelzutat ins Lager. Von Kyritz aus geht es dann weiter in die ganze Welt. Technik in der Dextrinanlage ermöglicht völlig neuen Prozess: Für die neue Dextringewinnung ist die Technik über sechs Stockwerke verteilt. Im Erdgeschoss werden Temperatur und Dampfdruck überwacht von all dem, was weiter oben passiert. Es gibt dort Dosierwaagen, Mischer, Silos, Trockner, einen Saugventilator und etliche Gebläse. Für all das werden laut Werksleiter Schmidt nach und nach die Parameter eingestellt. Denn es handele sich um einen völlig neuen Prozess. Die Gesamtanlage sei ja nicht einfach nur nachgebaut worden. „Wir hatten 14 verschiedene Lieferanten für die technische Ausrüstung.“ Dementsprechend anspruchsvoll sei jetzt die „Schnittstellenoptimierung“. Das Herzstück nennt sich Schaufeltrockner: Es geht nun darum, aus der in der Fabrik gewonnenen Kartoffelstärke mittels verschiedener Prozesshilfsstoffe das Dextrin zu produzieren. Was „oben reinkommt“, muss aber erst mal dorthin gebracht werden. Eigens dafür wurde ein Fahrstuhl gebaut. Herzstück der Anlage ist ein riesiger sogenannter Schaufeltrockner, dessen Antrieb alleine schon fünf Tonnen wiegt. „Muss man sich wie einen großen Röster vorstellen“, erklärt Schmidt. 48 Tonnen Dextrin pro Tag: Am Ende sollen schließlich täglich 48 Tonnen Dextrin entstehen, in diesem über 30 Meter hohen Bauwerk samt seiner 2,5 Kilometer langen Rohrleitungen und den etwa 20 Kilometern Kabel im Inneren. Rund 2000 Kubikmeter Beton wurden verbaut, dazu 600 Tonnen Trägerstahl und noch jede Menge Baustahl. „30,50 Meter hoch ist es“, weiß es Schmidt ganz genau. Die Bauhöhen auf dem Gelände spielten in der Kommunalpolitik schließlich immer mal wieder eine Rolle und werden es wohl auch weiterhin. Denn neue Projekte stehen an. Die geplante Verarbeitung von Mung-Bohnen etwa ließ bereits aufhorchen. Und nebenher ein neuer Schornstein über der Gasturbine: Auf dem Gelände wuselt es also regelrecht. Handwerker hier und da. Ein neuer Schornstein wird von zwei Kränen kinderleicht durch die Luft gehoben. Rund 18 Tonnen wiegt dieses Ungetüm. „Das war lange geplant. Der alte war im oberen Bereich defekt“, erklärt Schmidt, weshalb sich dieses Projekt trotz der aktuellen Coronakrise nicht aufschieben ließ: Der Schornstein führt die Abluft der werkseigenen Gasturbine ab, mit der sich die Stärkefabrik ihren Strom erzeugt, vor allem während der ab Mitte August eines jeden Jahres beginnenden Kartoffelverarbeitung. Auch die Fabrik arbeitet unter Corona-Einschränkungen: Und überhaupt Corona: „Wir haben uns darüber verständigt, welche Projekte unbedingt fortgesetzt werden müssen und welche sich verschieben lassen“, erklärt Martin Schmidt. „Wir gehören ja zur Lebensmittelindustrie, die irgendwie weiterarbeiten muss.“ Der Kontakt zu externen Dienstleistern sei auf ein Minimum beschränkt worden. Die Verwaltung arbeite weitestgehend im Homeoffice. Hände waschen, Abstand halten, das gelte auf dem Werksgelände mehr denn je – wie derzeit auch sonst überall in der Republik. 2023 wird die Stärkefabrik 150 Jahre alt: „Unsere Exporte laufen weiter, aber es machen sich Einschränkungen bemerkbar“, erklärt Martin Schmidt. So wisse er, dass Container und Schiffe nun schwieriger zu bekommen seien als sonst. „Das wird alles eine ziemlich große Herausforderung.“ Bis zum Jahr 2023 aber sollte das längst Geschichte sein. Dann sei hoffentlich wieder über viele weitere neue Errungenschaften zu sprechen. Schließlich wollen sie 2023 ausgiebig feiern dort an der Pritzwalker Straße. Die Kyritzer Stärkefabrik existiert dann seit 150 Jahren. Lesen Sie auch: -> Der Covid-19-Liveblog für Brandenburg. Ständig aktualisiert. Von Matthias Anke

Kyritz - Wundermittel für besonders knusprige Pommes: In Kyritz startet die Dextrinproduktion