Kyritz: Förderverein erzählt in seinem Museum die Geschichte des Agrarflugs

Die Zeiten, als das Dromedar noch seine Kreise am Himmel im Dienste der Landwirtschaft zog, sind lange vorbei. In Kyritz ist die Erinnerung an den Traktor der Lüfte, der nicht nur Dünger streute, noch lange nicht verblasst. Geht es nach den Mitgliedern des Fördervereins Agrarflug, wird das nicht passieren. Sie bewahren die Geschichte des Agrarflugs in ihrem Museum auf dem Verkehrslandeplatz Heinrichsfelde. Zeitweise arbeiteten mehr als 100 Personen in verschiedenen Bereichen für den Agrarflug. Einige von ihnen gehören zum Förderverein Agrarflug, der sich vor zehn Jahren gründete. Keine Feier wegen Corona: „Wir wollen die Ausstellung erweitern und neue Mitglieder werben, das sind unsere Ziele im zehnten Jahr“, sagt Reinhard Krüger, Vorstandsvorsitzender des Vereins. Den zehnten Geburtstag hatten er und die anderen Mitglieder sich eigentlich anders vorgestellt, aber Corona verbietet eine große Feier. Mehr Besucher als sonst im Corona-Sommer: Im Sommer sah es da noch ein bisschen anders aus. „Wir durften das Museum öffnen und hatten sogar mehr Besucher als in den Jahren zuvor“, freut sich Krüger. Das Interesse und der gute Zuspruch rühren ihn. Schließlich geht es auch um seine Profession. Krüger gehörte einst zur Agrarflugstaffel, die in Heinrichsfelde stationiert war. Wenn er ins Museum geht, werden Erinnerungen wach. Betriebsteil Kyritz hatte insgesamt 325 Techniker, Angestellte und Piloten. Der Betriebsteil Kyritz beschäftigte bis 1990 insgesamt 325 Techniker, Angestellte und Piloten. Direkt in Kyritz waren es 120 Beschäftigte. Die Einsatzgebiete lagen in den damaligen Bezirken Schwerin, Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus. „In unserem kleinen aber feinen Museum, wie es ein Fernsehsender bezeichnete, kann man in Bild und Ton sowie mit praktischen Ausstellungstücken und mit historischen Berichten vieles aus dieser Zeit erfahren“, erzählt Krüger. Museum zieht in den Hangar in Heinrichsfelde um: Der Verein beschäftigt sich schon das ganze Jahr mit dem Umzug des Museums in einen Teil eines Hangars auf dem Verkehrslandeplatz. Für die Ausstellungsstücke ist es besser, wenn sie nicht unter freiem Himmel stehen. „Sie gingen immer wieder kaputt und mussten repariert werden“, so Krüger. Aktuell wird auch in Zusammenarbeit mit MAE-Kräften am Archiv gearbeitet. Angeleitet werden sie von Vereinsmitarbeiterin Martina Bauer. „Es gibt noch so viele Exponate und Dokumente, die katalogisiert werden müssen“, so Krüger. Parallel dazu wird ein Traktor CT 300 aufgearbeitet. Mit ihm wurde früher der Dünger zu den Flugzeugen transportiert. Der „Dromedar“ soll ergänzt werden: Ein Projekt, dass den Vereinsmitgliedern ebenfalls sehr am Herzen liegt ist der Erhalt des Flugzeuges vom Typ „Dromedar“. Bisher gibt es davon im Agrarflugmuseum nur den Rumpf. Aber auch der muss gepflegt werden. „Wir wollen schließlich, dass er ein schönes Ausstellungsstück wird und bleibt“, so Krüger. Auch wenn es kein vollständiges Flugzeug ist, so könnten Besucher doch am Rumpf die Dimension des früheren Flugapparates erkennen, fügt er an. Kyritzer Vereinsmitglieder sind Agrarflieger: Viele der 33 Vereinsmitglieder kennen das Flugzeug von früher. Sie sind damit im Einsatz unterwegs gewesen. Fast die Hälfte der Fördervereinsmitglieder sind ehemalige Agrarflieger. Aus dem ganzen Bundesgebiet kommen die Vereinsmitglieder zusammen. Gut zehn stammen aus dem Bereich Kyritz. Verein sucht Teile eines Dromedars: Für die weitere Rekonstruktion von Ausstellungstücken benötigen sie noch Bilder verschiedener Flüssigkeitsbelademethoden und Geräte. Wer etwas abzugeben hat, kann es per Post oder E-Mail übermitteln. „Aber auch andere Gegenstände oder Unterlagen aus der Zeit des Agrarfluges sind uns immer willkommen“, sagt Krüger. Mit Blick auf die Ergänzung des „Dromedars fragt er zum Beispiel: „Wer weiß, wo wir noch einen KA 26 oder Teile eines Dromedar für unsere Ausstellung bekommen können?“ Der Vorsitzende ist froh darüber, dass es die Stadt Kyritz es dem Verein mit den von ihr vorgegebenen Rahmenbedingungen im Wesentlichen ermöglicht hat und erlaubt, dass aus dem kleinen feinen, ein großes Museum werden kann. 110 Jahre Agrarflug: Mit dem Vereinsjubiläum einher geht ein weiterer Jahrestag. Mittlerweile sind nämlich 110 Jahre vergangenen, seitdem Forstmeister Alfred Zimmermann in Detershagen bei Magdeburg in der Patentschrift Nr. 247028 ein „Verfahren zur Vernichtung der Nonnenraupe und anderer Waldschädlinge durch Bestäuben der Bäume mit die Schädlinge vernichtenden Flüssigkeiten oder Trockenstoffen“ eingereicht hatte. Der Agrarflug war geboren. Deutschland stand an vierter Stelle beim Agrarflug: Zunächst aber gab es Flugversuche in ganz Europa. Durch starke Aufforstungen mit Kiefer und Fichte wurden damals große Schäden verursacht. Die Schädlinge wie Blattwespen, Kiefernspinner, Nonne oder Borkenkäfer ruinierten die Waldbestände teilweise komplett. Reinhard Krüger erzählt aus der Geschichte, dass bis zum Zweiten Weltkrieg die verschiedensten Luftfahrzeugtypen für diesen Einsatz verwendet wurden. Die führenden Länder waren damals die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und an vierter Stelle Deutschland. Antonov und Piper waren im Einsatz: Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich andere Arbeitsarten. Da aber die Bodengeräte lange nicht so gut entwickelt waren wie heute, kam die Schädlingsbekämpfung besonders in hohen Kulturpflanzen bald dazu. Die Düngung mit hoch konzentrierten Mitteln mit stets verbesserter Abwurftechnik erwies sich in vielen Ländern als ein probates Mittel, die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern. Hauptsächlich im Einsatz waren damals Flugzeugtypen Antonov AN 2 (Osteuropa) und auf der westlichen Seite in kleineren Stückzahlen die Piper Pawnee. Agrarflieger bekämpften auch Heuschrecken: Krüger berichtet weiter, dass damals auch in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft das Flugzeug und der Hubschrauber Hilfsmittel waren. Nicht immer waren Düngung und Schädlingsbekämpfung das Ziel. Auch gegen Heuschrecken wurden die Agrarflieger losgeschickt. Aber auch die Aussaat von Pionierpflanzen in schwer befahrbaren Gebieten oder das Ausbringen von Roggen, Weizen, Serradella oder Klee gehörten zur ihrer Arbeit. Von Kyritz aus in den Waldbrandeinsatz: Im Waldbrandeinsatz erwiesen sich kleine Agrarflugzeuge als effizientes Mittel bei der Bekämpfung. Später, Anfang der 80 Jahre, als die Wälder besonders in den Mittelgebirgen durch chemische Stoffe im Regen geschädigt wurden, konnten mit der Waldkalkung die Schäden reduziert werden, erinnert sich Reinhard Krüger noch. Der Hubschrauber gewann mehr und mehr an Bedeutung im Agrarflug. An Hängen und im Obstbau bewies er seine besonderen Fähigkeiten als wendiger Partner der Agrarflugzeuge. Beim Lastenheben in der Industrie oder in der Forstwirtschaft ist er heute nicht mehr weg zu denken. Als das GPS überall eine präzise Navigation ermöglichte, endete das Zeitalter des Agrarfluges mit Flugzeugen in Deutschland. Bis 2015 gab es Agrarflug in Kyritz: Bis 2015 gab es aber noch Agrarflug in Kyritz. Er hatte zu seiner Hoch-Zeit mit seinen 85 Flugzeugen zum Ende der 80 er Jahre einen großen Anteil am Wirken des Agrarfluges in der gesamten DDR. Es waren Kyritzer Ingenieure und Techniker, die damals neue Verfahren und Technologien entwickelt hatten. Lesen Sie auch: MAZ-Leser im Cockpit Von Sandra Bels