Johannes Lindenmeyer als Direktor der Salus-Klinik Lindow geht in den Ruhestand

Für Schlagzeilen war Johannes Lindenmeyer immer gut. „Kinder sollen in der Schule saufen lernen“, titelte die Boulevardzeitung BZ Anfang des Jahres. In dem Bericht ging es um das Projekt „Lieber schlau als blau“, das Lindenmeyer maßgeblich etabliert hat. Der Experte für Suchterkrankungen plädiert dafür, Jugendlichen den vernünftigen Umgang mit Alkohol zu zeigen – indem sie selbst ausprobieren, was das Trinken bewirkt. Kontrolliert, unter Anleitung und genauer Beobachtung. Niemand soll lernen, wie man „säuft“. Aber schon, was passiert, wenn man Alkohol zu sich nimmt. Wie der Körper und die Psyche sich verändern. Und wie viel Alkohol zu viel ist. Seit 23 Jahren leitete Johannes Lindenmeyer die Salus-Klinik in Lindow. Als Direktor einer Einrichtung für Suchtkranke hat er jeden Tag vor Augen, was falscher Umgang mit Alkohol anrichtet. „In Deutschland gibt es eine gestörte Trinkkultur“, sagt Lindenmeyer immer wieder. Eltern würden ihren Kindern nicht mehr zeigen, wie man richtig trinken kann. Aus dem Wunsch, die Kinder zu beschützen, geben Eltern ihren Kindern gar keinen Alkohol. Die Jugendlichen lernen das Trinken dann in der Clique – dort gibt es keine Grenzen und keine Kontrolle. Johannes Lindenmeyer weiß, wovon er spricht. Er ist einer der anerkanntesten Fachleute auf seinem Gebiet in Deutschland, wenn auch nicht immer unumstritten. Er hat diverse Programme zur Behandlung von Menschen mit Alkohol-, Drogen und Medikamentenabhängigkeit entwickelt, die oft weltweit eingesetzt werden. Seit Jahrzehnten forscht er auf dem Gebiet. Die Salus-Klinik hat seit 1996 etwa 33 000 Patienten behandelt: Als Chef der Salus-Klinik hat er vielen Patienten geholfen, mit ihrer Sucht umzugehen und wieder ein geregeltes Leben zu führen. Jetzt geht Johannes Lindenmeyer in den Ruhestand. Nach 23 Jahren an der Spitze der Klinik gibt er die Leitung ab. 1996 hatte Johannes Lindenmeyer den Posten an der Spitze der neu gegründeten Klinik für Suchtbehandlung und Psychosomatik übernommen. Rund 20 000 Suchtpatienten hat die Lindower Klinik seitdem behandelt, weitere 13 000 Patienten mit anderen psychosomatischen Problemen. Bei seiner Verabschiedung am Mittwoch wurde Johannes Lindenmeyer von Mitarbeitern und Kollegen mit Lob und Dank überhäuft. Als Kollege ist er wegen seines Umgangs mit Mitarbeitern, seiner Kompetenz und der einfühlsamen Arbeit mit Patienten hoch geschätzt. Leidenschaft, Detailtreue, Offenheit attestieren ihm die Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten. Johannes Lindenmeyer hat sich stets für eine wissenschaftlich fundierte Behandlung von Patienten eingesetzt und sich damit einen Namen gemacht. Von 1974 bis ’81 hat er klinische Psychologie an der Universität Heidelberg studiert und später in Marburg seinen Doktortitel bekommen. Mit Suchtpatienten hat er von Anfang an gearbeitet. Schon in seiner ersten Klinik im bayerischen Furth im Wald hat er seinen damaligen Chef Ralf Schneider schnell von sich überzeugt. Beide hatten in den Jahrzehnten danach stets ein enges Verhältnis – auch lange, nachdem Johannes Lindenmeyer in die Nähe von Stuttgart und später nach Münster gewechselt war. Johannes Lindenmeyer leitet die Lindower Klinik von Anfang an: Als die Geschäftsführung der Sana-Kliniken Mitte der 90er Jahre überlegte, wen sie zum Leiter in der neuen Einrichtung in Lindow ernennen könnte, hat Ralf Schneider Johannes Lindenmeyer empfohlen. Lindenmeyer gilt bei seinen Kollegen als Energiebündel. Er hat die Klinik geleitet, bei diversen Veranstaltungen Fachvorträge zu den verschiedensten Themen gehalten, ständig weiter geforscht, unterrichtete seit 1997 an Hochschulen und Universitäten in Dresden, Berlin, Köln und Chemnitz, ist Chef der Prüfungskommission für psychologische Psychotherapeuten in den Berlin und in Brandenburg, wurde in den Nationalen Expertenrat für Tabakabhängigkeit der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und in etliche weitere Funktionen und Arbeitsgruppen berufen. Mit 65 Jahren übergibt er den Chefposten in Lindow nun an seinen bisherigen Stellvertreter Robert Schöneck als neuen Direktor und an Reto Cina, den ärztlichen Leiter der Klinik. Ruhestand? Davon kann bei Johannes Lindenmeyer kaum Rede sein. Seit 2018 ist er Professor für Klinischen Psychologie an der Medizinischen Hochschule in Neuruppin (MHB). Die Hochschule ist gerade dabei, ihr Angebot zu erweitern. Ab 2020 soll es einen völlig neuen Studiengang geben, und an dem arbeitet Johannes Lindenmeyer ganz maßgeblich mit. Als eine der ersten Hochschule in Deutschland überhaupt will die MHB ein Studium für Psychotherapeuten anbieten. Medizinische Hochschule Neuruppin plant neues Studium mit Johannes Lindenmeyer: Bisher war die Ausbildung zum Psychotherapeuten in Deutschland ein sehr langer und aufwendiger Weg. Erst vor wenigen Wochen hat der Bund beschlossen, dass künftig alles mit einem direkten Studium einfacher werden soll. Genau das will die MHB künftig anbieten, sagt Thomas Stamm, Prodekan für Studium und Lehre an der MHB. Dass es jetzt dazu kommt, „haben wir zu 85 bis 99 Prozent Herrn Lindenmeyer zu verdanken“, sagt Thomas Stamm. Als Johannes Lindenmeyer vor Jahrzehnten seine Ausbildung zum Psychotherapeuten abgeschlossen hatte, war die Situation für seinen Berufszweig noch ziemlich unklar. In der Bundesrepublik mussten sie eine Zulassung als Heilpraktiker beantragen, um legal Patienten behandeln zu können. Das ist zwar lange vorbei. Trotzdem hat sich Lindenmeyer immer Gedanken gemacht, wie sich die Ausbildung weiter verbessern lässt. Als der Bund den Weg nun freigemacht hat, hatte er ein fertiges Konzept im Schreibtisch. Eines, das er mit der MHB nun umsetzen kann. Neben allem, was er sonst noch leistet. Von Reyk Grunow

Johannes Lindenmeyer - Chef der Suchtklinik in Lindow geht in den Ruhestand