30 Jahre Einheit: Kreistag in Kyritz erinnert an Pfarrer Freimark

Die geplante Festrede zu 30 Jahre Deutsche Einheit konnte Hans-Peter Freimark, der einstige Pfarrer von Neustadt (Dosse), zwar bei der Sondersitzung des Kreistages Ostprignitz-Ruppijn am Dienstag in Kyritz nicht halten, gleichwohl wurde an das bewegte Leben von Freimark, der am Sonntag nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben ist, im Kreistag vielfach gedacht. „Freimark war ein streitbarer Mensch, der zu DDR-Zeiten bespitzelt und ausspioniert wurde“, sagte Kreistagsvorsitzende Sigrid Nau. Gleichwohl habe Freimark immer den Dialog gesucht, so die CDU-Politikerin, die seit 1978 in Neustadt lebt. „Er hat stets den Finger in die Wunde gelegt.“ Nau erinnerte an den Runden Tisch, den Freimark 1990 in der Dossestadt mitgegründet hat. „Wir lernten mit ihm das Streiten.“ Die Kirche war ein Sprachrohr für die Verstummten: Statt der Festrede zu 30 Jahre Deutsche Einheit erinnerte Dorit Geu an Freimark. Die Mitarbeiterin der evangelischen Kirche in Neustadt kannte Freimark seit Kindertagen. Geu war Konfimantin bei ihm, später war er ihr Chef. „Wir sind dankbar, dass die Diktatur der SED ohne Gewalt und Blutvergießen zu Ende gegangen ist“, so Geu. Die Kirche sei für Freimark stets ein Sprachrohr für die Verstummten gewesen, für die Menschen, die sich nicht trauten, offen gegen das erfahrene Unrecht in der DDR zu protestieren. Die Stasi wollte Freimark sogar liquidieren: Das übernahm vielfach die Kirche, etwa als 1982 auch in Neustadt gegen die Stationierung der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen in der DDR protestiert wurde. Oder als es um den Widerstand gegen eine Atomschlag-Übung in der DDR ging, bei der angeblich das Tragen von Baumwollwindeln gegen Atomstrahlen helfen sollten. Freimark war bei solchen Aktionen immer dabei – und wurde deshalb jahrelang argwöhnisch von der Staatssicherheit, dem Geheimdienst der DDR, kurz Stasi genannt, bespitzelt und ausspioniert. Sogar eine „Liquidierung“ von Freimark hatte die Stasi 1983 ins Auge gefasst. Für Freimark war es selbstverständlich, bei der ersten Friedensdemo in Neustadt, im Oktober 1989, mit dabei zu sein. „Die friedliche Revolution verpflichtet uns alle zu verantwortlichem Handeln“ – das war das Motto, nach dem Freimark lebte. Um auf das erfahrene Unrecht und an diesen Teil der DDR-Geschichte zu erinnern, gründete Freimark, nachdem er als Pfarrer in den Ruhestand gegangen war, gemeinsam mit seiner Frau Gisela in Perleberg ein DDR-Museum. Dieses besteht inzwischen seit mehr als 15 Jahren. „Er hat immer den Dialog gesucht“, sagte CDU-Frau Nau. Späte Ehrungen: Das wurde anerkannt: Erst erhielt das Pfarrer-Ehepaar für das Aufarbeiten der Geschichte vom Land Brandenburg das Landesverdienstkreuz, im Juni folgte das Bundesverdienstkreuz. Gleichwohl musste Freimark überlegen, ob er beim Kreistag die Festrede zu 30 Jahre Deutsche Einheit halten würde. Letztlich sagte er zu. Seinen letzten großen Auftritt haben die Krankheit und der Tod verhindert. Von Andreas Vogel