Auf Fahrradtstreife durch Neuruppin: Unterwegs mit der Polizei

Noch scheint die Sonne, als sich die Polizeihauptmeister Ingo Wiechmann und Bernd Krümmling auf die Sättel schwingen. Es ist Mittwochmorgen um kurz vor 8 Uhr, die beiden Beamten haben gerade ihre Fahrradstreife durch Neuruppin begonnen. Erster Halt: Die Fehrbelliner Straße, ein Kontrollschwerpunkt, wie Ingo Wiechmann erklärt. Hier benutzen viele Radfahrer die falsche Straßenseite. „Die meisten wissen das auch, machen es aber trotzdem aus Bequemlichkeit“, sagt Krümmling. Doch heute zeigt die Polizeipräsenz Wirkung: Kein Fahrradfahrer fährt falsch – oder hat die Polizisten vielleicht vorher gesehen. Handy am Steuer gibt saftige Strafe: Weiter geht es zur Artur-Becker-Straße. Tempo 30, Zebrastreifen und die Nähe zu Kita und Schule: Hier kommt es oft zu brenzligen Situationen, erklärt Ingo Wiechmann. Und tatsächlich dauert es nur ein paar Minuten, bis ihm eine Autofahrerin auffällt, die mit dem Handy telefoniert. Wiechmann schwingt sich auf sein Rad, nimmt die Verfolgung auf – und erwischt sie. Die Konsequenz: 100 Euro und ein Punkt in Flensburg. „Beim Handy und beim Parken auf dem Behindertenparkplatz schaue ich nicht drüber hinweg“, erklärt Wiechmann später. Denn die beiden Polizisten haben durchaus einen Ermessensspielraum: Oftmals belassen sie es bei einer mündlichen Verwarnung. Etwa bei der Mutter mit Kind auf dem Rad, die sowohl auf der falschen Seite als auch auf dem Gehweg fährt. Krümmling erklärt ihr, warum das nicht in Ordnung ist, die einsichtige Frau steigt ab und schiebt. Die meisten zeigen Einsicht: Einsicht, so Krümmling, zeigen die meisten. Doch gerade, weil es auch mal zu Diskussionen kommt, sei es gut, dass sie zu zweit sind. „Da kann man sich gegenseitig vergewissern“, sagt er. Die beiden gehen gerne auf Fahrradstreife. „Die Bürger gehen anders auf einen zu, man wird öfter angesprochen“, sagt Wiechmann. Sein Kollege fügt hinzu: „Man kann mit dem Fahrrad flexibel reagieren – außerdem sieht man viel mehr.“ Oftmals merke er etwa schon an der Körperhaltung, wenn jemand mit dem Handy telefoniert. Die beiden müssen fit sein, schließlich holen sie auch Autofahrer ein. Beide fahren auch in ihrer Freizeit gerne Fahrrad. Doch der Berufsalltag prägt: „Ich benutze auch privat einen Helm“, sagt Wiechmann. Immerhin bekommen die Polizisten regelmäßig mit, wie wichtig ein Kopfschutz ist. Immer mehr Unfälle mit Radfahrern: Denn immer wieder kommt es zu Unfällen mit Radfahrern. Und dass die Polizei derzeit verstärkt Kontrollen durchführt, hat einen traurigen Grund: „Wir hatten im ersten Halbjahr 2020 im Bereich der Polizeidirektion Nord mehr Verkehrsunfälle mit Radfahrern als in den zwei Jahren zuvor“, sagt Ingo Wiechmann. Allein in Neuruppin kam es von Januar bis Juni zu 49 Unfällen mit Radfahrern, wie aus Polizeidaten hervorgeht. Im Vorjahr waren es noch 31. Auch im Landkreis ist die Zahl alarmierend: In Ostprignitz-Ruppin kam es im ersten Halbjahr bereits zu 82 Verkehrsunfällen mit Radfahrern, 2019 waren es noch 63. Erst kürzlich verunglückte bei Rägelin ein Fahrradfahrer tödlich – gegen ein Auto hatte er keine Chance. Auch Autofahrer werden kontrolliert: Wie ebenfalls aus den Daten hervorgeht, sind die Fahrradfahrer oftmals nicht unbeteiligt – allein in Neuruppin gelten 59 Prozent der im ersten Halbjahr erfassten Unfälle mit Radfahrern als von ihnen selbst verursacht, in Ostprignitz-Ruppin sind es 56 Prozent. Wenig später an der Heinrich-Rau-Straße. Mittlerweile regnet es, doch die beiden Beamten lassen sich nicht beirren. Ein älterer Herr benutzt den Zebrastreifen mit seinem Rad – und begründet das damit, dass er das doch schon seit 30 Jahren so macht. Heute jedenfalls muss er absteigen. Über einen Abstecher zum Reiz-Parkplatz (keine Auffälligkeiten) geht es jetzt zum Schulplatz. Gerade die Ecke an der Wichmannstraße hat es in sich, so Krümmling. „Vielen ist nicht bewusst, dass hier Schrittgeschwindigkeit gilt.“ Regeln einhalten und Rücksicht nehmen: Vor Ort angekommen, gibt es jedoch erst etwas anderes zu klären: Ein SUV parkt auf dem Behindertenparkplatz – und das ohne Genehmigung. Seine Besitzerin kehrt gerade zurück, die Strafe von 35 Euro sieht sie ein. „Sie haben ja recht“, sagt sie. Gegen 10.30 Uhr ziehen die Beamten eine erste Bilanz. „Heute ist es relativ entspannt“, sagt Wiechmann. Das liegt wohl auch am mittlerweile starken Regen, so Krümmling. Nur wenige Radfahrer sind zu sehen. Die beiden hoffen dennoch, dass ihre Präsenz etwas bewirkt hat und Unfälle künftig verhindert werden können. Verkehrsteilnehmern raten sie deshalb, wirklich auf die Regeln zu achten – und natürlich stets aufeinander Rücksicht zu nehmen. Von Johanna Apel