Berliner Symphoniker begeistern in Neuruppin

Krise als Chance. Die Coronapandemie samt Lockdown und Hygieneregeln zwingt viele Veranstalter umzudenken – um nicht in die Knie gezwungen zu werden. Ob Rheinsberg mit seinem Musiksommer statt Opernfestival, musikalische Vespern statt Kirchenkonzerte, der Theatersommer Netzeband, der seine Bühne vor die Kirche legte, um genauso viele Gäste wie sonst auch – aber halt mit Abstand – auf die Wiese setzen zu können: Kurzum, man hat sich etwas einfallen lassen, um die Kultur weiter hochleben zu lassen. Fläche zwischen Fontane-Therme und Resort Mark Brandenburg: Eine Zauberformel, die im Sommer gut funktioniert, ist Open Air. Und so hat sich nun auch der Musikverein Neuruppin endlich aus der erzwungenen Zwangspause aufgerappelt und sich eine neue Spielstätte an der frischen Luft gesucht, die orchestertauglich ist und zugleich mehr als nur das coronaübliche Drittel an Zuschauern fasst. Mit der Fläche zwischen Fontane-Therme und Resort Mark Brandenburg wurde sogar noch der Seeblick als Kulisse mitgebucht. Am Sonntag waren dort die Streicher der Berliner Symphoniker zu Gast und machten „Sommerträume“ wahr – so das Motto des Konzerts. Rund 400 Zuhörer, für etliche das erste Konzert nach dem Lockdown, kamen und lauschten. Viele hatten ihre Karten für das im April ausgefallene Sinfoniekonzert des Brandenburgischen Staatsorchesters behalten und wurden stattdessen von einem Himmel voller Geigen beglückt. Akustik Open Air funktionierte: „Ich hatte vorher etwas Angst wegen der Akustik“, bekennt Takao Ukigaya, Vorsitzender des Musikvereins und gleichzeitig der Dirigent des Abends. Die Befürchtung, dass der Wind die Musik zerstreuen und über den See blasen könnte, traf indes nicht ein. Auch aus den letzten Reihen war die wunderbare Musik immer noch gut – wenngleich ein wenig leiser als von den vorderen Plätzen – zu verstehen. Los ging es am Sonntag mit Mozart, der sich in seinem umfangreichen Schaffen auch als Meister der sommerlichen Serenadenmusik erwies. Sein Divertimento D-Dur ist ein heiter-sprühendes Werk voller Lebenslust – man weiß ja, dass Mozart ein Mann war, der die Feste feierte, wie sie fielen und für jeden Scherz zu haben war. Holberg-Suite von Edvard Grieg: Auf Mozart folgt Grieg: Dessen Holberg-Suite ist ein wunderbares Stück Musik. Grieg ließ sich hier von schlichten und höfischen Tänzen – Sarabande, Gavotte, Rigaudon – inspirieren und schuf daraus ein eingängiges Stück aus Leichtigkeit und Freude, Melancholie und Leidenschaft. Der Anlass für die Suite im barocken Stil war der 200. Geburtstag seines Landsmannes, des norwegischen Dichters Ludvig Holberg – es gehört zu den populärsten Stücken Edvard Griegs. Der fulminante Abschluss des Konzerts ist Tschaikowskis Serenade für Streichorchester, die er in glühender Huldigung Mozarts komponierte. Wer die ans Herz gehende hoch emotionale Musik des Russen kennt, wird auch hier nicht enttäuscht – das Stück verbindet Leidenschaft und das ganze Temperament der russischen Seele: traurig, wehmütig, zärtlich, feurig, strahlend. Die Elegia ist zum Weinen schön. Nächstes Konzert am 27. September um 17 Uhr in der Kulturkirche: „Ich wollte die Symphoniker schon immer nach Neuruppin holen“, sagt Takao Ukigaya nach seinem nicht minder temperamentvollen Kraftakt des Dirigats. Er hat gut daran getan. Das nächste Konzert des Musikvereins findet am 27. September um 17 Uhr in der Kulturkirche statt – ganz im Zeichen von Violine und Klavier. Von Regine Buddeke