Die Vögel zwitscherten. Das Gras wiegte sich sanft. Die Luft flirrte vor Wärme, war aber noch nicht so aufgeheizt wie um die Mittagszeit. Chris Guderjahn legte den Arm um die Schulter seiner Freundin. Es war ein perfekter Sonntagmorgen in Lüchfeld. Ein fast perfekter. Denn irgendetwas fehlte.
„Wenn wir jetzt noch frische Brötchen vom Bäcker hätten“, träumte der Mittdreißiger laut vor sich hin. Seine Freundin nickte. Ja, dann wäre es perfekt, meinte sie. Die verlockend duftende Backwerk-Zustellung blieb aus. Woher sollten auch die herdwarmen, knusprig-zarten Waren kommen?
Frische Brötchen für Sonntagsgenießer und Picknickausflug
Das Paar redete darüber. Überlegte, dass es vielen anderen auf dem platten Land wohl genauso geht wie ihnen – und fasste damals, vor etwas über einem Jahr, einen Entschluss: Sie würden einen Brötchen-Lieferservice anbieten. Für Sonntagsgenießer aus der Region rund um Neuruppin und für Urlauber an den Seen. Für das Bürofrühstück im Gewerbegebiet und für den Picknickausflug ins Grüne. Samt handgefertigem Korb und frisch aufgebrühten Kaffee, versteht sich.
Chris Guderjahn fackelte nicht lange. Er baute eine Internetseite für das Geschäft auf, erweiterte gedanklich das Angebot, kämpfte sich durch das Lebensmittelrecht, meldete das Gewerbe an, baute ein Bezahlsystem auf, machte Lieferanten ausfindig, kaufte einen Herd und suchte sich einen Steuerberater. Auch Nachfragen gab es schon bei Gudi’s Brötchenbude. Alles schien perfekt zu laufen. Fast alles.
Guderjahn findet auch in weiterer Umgebung keinen Raum
Denn für seinen Service braucht Guderjahn einen kleinen Gewerberaum. Den findet er aber partout nicht – und kann somit seine Dienstleistung nicht anbieten. Seit über einem Jahr durchforstet er den Immobilienmarkt der Region und schaltet Anzeigen. Zuletzt klingen diese fast schon verzweifelt: „Bitte alles anbieten“, heißt es in seiner Annonce.
Dabei sind seine Ansprüche nicht hochtrabend: Er braucht Strom, Wasser, Toilette und nicht sonderlich viel Platz. Nur günstig muss der Raum sein. „Ich finanziere die Firma noch über meine Arbeit“, sagt der Lastwagenfahrer und ehemalige Kellner. „Da kann ich nicht viel ausgeben.“
Zuerst sollte das Objekt in Ostprignitz-Ruppin liegen. Auch, weil er mit den Behörden des Landkreises schon alle Eckdaten für sein Projekt abgesteckt hat. Mittlerweile wäre dem Jungunternehmer aber auch ein Raum weiter entfernt recht.
Ob er alle Stellen abgeklappert hat, die ihm bei der Suche helfen könnten? Das weiß Guderjahn, der seit sechs Jahren in der Region lebt, nicht. Er wüsste auch nicht so genau, wo er nachfragen sollte. „Ich bin eher so der Einzelkämpfer“, sagt der Familienvater, der aus der Stadt Brandenburg stammt. Und ja: Vielleicht manchmal auch etwas zu zaghaft, sich Hilfe zu holen.
NWG-Chef bietet Hilfe an
Die Fachleute empfehlen ihm als erstes allerdings genau das: mit anderen zu kommunizieren, sich Unterstützung zu holen. Ihr spontaner Rat: Guderjahn soll sich bei ihnen melden. Am besten sofort.
Klar gebe es nicht für jedes Bedürfnis unverzüglich die richtigen Räume, räumt Robert Liefke ein. „Aber wir haben immer wieder Leerstand – auch wenn Gewerbeeinheiten nicht unser Hauptgeschäft sind“, sagt der Chef der Neuruppiner Wohnungsbaugesellschaft, die als größter Immobilienverwalter gilt. „Stille Post macht wenig Sinn.“
REG sieht kein grundsätzliches Gewerberaumproblem
Auch Robin Schmidt sieht sich als richtiger Ansprechpartner für Guderjahn. „Wir sind Mädchen für alles für Leute, die in der Region etwas vorhaben“, sagt der Projektleiter für Existenzgründungen bei der Regionalentwicklungsgesellschaft Nordwestbrandenburg REG, die in Neuruppin ihren Sitz hat.
Er kann ebenfalls nicht versprechen, dass für den Lieferdienst von heute auf morgen Räume gefunden werden. „Aber wir kennen die Stellen, an denen sie angeboten werden.“ Und auch die REG selbst biete Gewerbeobjekte an. Das Problem von Chris Guderjahn sei aber kein Einzelfall: Immer wieder landen bei Schmidt Leute, die verzweifelt nach Räumen suchen. „Allerdings würde ich nicht sagen, dass wir in der Region ein grundsätzliches Gewerbeobjektproblem haben.“
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Von Celina Aniol