Homeoffice: In Ostprignitz-Ruppin tun sich Verwaltung und Unternehmen schwer

Um die Corona-Pandemie einzudämmen, soll es in Deutschland mehr Homeoffice geben. Gemäß der Bund-Länder-Absprachen vom Dienstag haben Arbeitnehmer nun ein Recht auf Heimarbeit. Der Anspruch auf Homeoffice gilt vorerst bis zum 15. März, hieß es. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte Arbeitgeber zugleich davor, die Möglichkeit zur Heimarbeit willkürlich abzusagen und kündigte Kontrollen an. Doch wie sieht es mit dem Büro daheim in der Region aus? Geben das die Datenleitungen überhaupt her, und wie sehen Verwaltungen und Betriebe den Vorstoß von Bund und Ländern? Die MAZ hat sich umgehört: Kein Freund von Homeoffice: „Ich bin kein Freund von Homeoffice – obwohl ich die aktuelle Initiative verstehe“, sagt Frank-Rudi Schwochow. Der Rheinsberger Bürgermeister kann sich nicht vorstellen, dass seine Mitarbeiter demnächst alles von zu Hause aus erledigen werden. Denn zum einen benötigen sie für die meiste Arbeit Akten. Und in Rheinsberg ist längst noch nicht alles digitalisiert. „Außerdem braucht man in bestimmten Bereichen die Sicherheit der Zugänge.“ Und diese sei außerhalb des Rathauses nicht gegeben. Das gelte vor allem für sensible Stellen wie die Stadtkasse, das Einwohnermeldeamt und das Standesamt. Mangelhafte Technik ist häufiges Problem: Zudem verfüge sein Haus nicht über die nötige Heimarbeit-Technik. 2020 war zwar Geld im Etat für IT-Ausstattung eingeplant, und zwar sogar relativ viel. Allerdings hat sich die Stadt entschlossen, dafür andere Dinge anzuschaffen und kaufte nur wenige Laptops. Wegen der Engpässe auf dem Markt seien diese aber ohnehin noch nicht da. Aus Sicht Schwochows ist das Heimbüro in Rheinsberg aber sowieso nicht sinnvoll, trotz der grassierenden Pandemie. Das liege daran, dass die Beschäftigten im Rathaus wegen Corona seit geraumer Zeit in Schichten arbeiten und so jeder einen Büroraum für sich alleine hat. Kurze Wege gleich geringes Infektionsrisiko? Und auch der Weg in die Amtsstube berge kein größeres Infektionsrisiko: Denn die Mitarbeiter kommen ausschließlich entweder zu Fuß, mit einem Fahrrad oder dem eigenen Auto zur Arbeit, nicht mit Bus oder Bahn. „Die Gefahr, sich oder andere in öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken, fällt also ebenfalls weg.“ Auch Matthias Noa, Geschäftsführer der Abfallwirtschafts-Union (Awu) in Neuruppin, weiß um die Herausforderungen des Homeoffice. „Da, wo es geht, machen wir es“, sagt er. Im Arbeitsalltag geht es jedoch nur in wenigen Fällen. Bei den Müllmännern ohnehin nicht, doch auch bei den Verwaltungsmitarbeitern ist es nicht einfach. Datenschutz wird zur Hürde: So müssen etwa die Mitarbeiter des Kundendienstes oder der Disposition auf große Datenbanken zurückgreifen. Das sei von zu Hause nicht möglich – aus datenschutzrechtlichen, aber auch aus technischen Gründen, sagt Noa. „Die entsprechenden Datenleitungen sind einfach nicht da.“ Ohnehin hat Matthias Noa Zweifel, ob sich in jeder Wohnung ein Arbeitsplatz einrichten lässt, der konzentriertes Arbeiten möglich macht. „Es gibt auch ganz praktische Probleme“, sagt er. Fehlender Platz für zwei große Monitore etwa. Ob Homeoffice möglich sei oder nicht, sei auch immer eine Einzelfallentscheidung. Schicht-System statt Heimarbeit: Im Neuruppiner Rathaus hat man dagegen ähnlich wie in Rheinsberg auf ein Zwei-Schicht-System umgestellt – damit ist stets nur die Hälfte der Belegschaft gleichzeitig in der Stadtverwaltung anwesend. „Wir können damit die hygienerechtlichen Maßgaben einhalten“, sagt die Rathaussprecherin Michaela Ott. Wegen der „sicherheitstechnischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen“ könnten sowieso nicht alle Arbeiten von zu Hause aus geleistet werden. Gleichwohl gibt es im Neuruppiner Rathaus neben dem Schichtsystem ein „stundenweises analoges Homeoffice“ für Mitarbeiter. Dieses sei aber auf maximal 20 Prozent der Arbeitszeit begrenzt, sagt Michaela Ott. Zudem dürften im Home-Office lediglich Aufgaben erledigt werden, bei denen keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Steigende Nachfrage nach Homeoffice: Bei der Kreisverwaltung nutzen von den rund 900 Beschäftigten derzeit im Schnitt etwa 200 Mitarbeiter täglich das mobile Arbeiten von zu Hause. Das belegen aktuelle Zahlen, teilte der Kreissprecher Alexander von Uleniecki mit. Demnach wurden rund 500 Berechtigungen für ein Arbeiten von zu Hause erteilt. „Es gelten auch im Homeoffice immer die Grundsätze des Datenschutzes und der IT-Sicherheit“, betonte der Kreissprecher. Die Mitarbeiter würden auch regelmäßig geschult. Laptops für das Homeoffice erhalten die Mitarbeiter des Kreises nicht. Privatwirtschaft: Wer will, kann von Zuhause aus arbeiten: Auch in der Privatwirtschaft des Landkreises Ostprignitz-Ruppin ist das neue Recht auf Homeoffice ein vieldiskutiertes Thema. „Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das Arbeiten von Zuhause aus wünscht, richten wir es ihr oder ihm ein“, sagt Marcus Maaß, Prokurist bei der Firma Ruppin-Zahntechnik. Das Neuruppiner Unternehmen entwickelt digitale Gebiss-Scans aus Zahnarztpraxen zu fertigen Zahnprotesen. Flächendeckende Heimarbeit gibt es in dem Betrieb mit seinen 62 Mitarbeitern aktuell aber nicht. „Vieles läuft bei uns über die direkte Kommunikation und den schnellen Austausch miteinander“, sagt der Prokurist. Deshalb wünsche es sich die Mehrheit der Mitarbeiter auch, solange es die pandemische Lage zulässt, vor Ort arbeiten zu können Kostenfrage Heimarbeitsplatz: „Wir achten darauf, dass die Hygienestandards und Abstandsregeln in unseren Räumen strikt eingehalten werden.“ Da rund 90 Prozent der Angestellten individuell mit dem Auto zum Betrieb anreisen, sei die Gefahr durch Ansteckungen in Bus und Bahn gering. Grundsätzlich habe man im Unternehmen für viele Positionen die technischen Voraussetzungen für das Arbeiten von zu Hause aus, sagt Maaß. Allerdings sei die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes auch immer eine finanzielle Frage. „Man muss schauen, inwieweit die Anschaffung von Laptops mitsamt der notwendigen Softwarelizenzen wirtschaftlich möglich ist“, sagt Marcus Maaß. Denn eine gesonderte wirtschaftliche Unterstützung für Unternehmen, die ihren Betrieb weitgehend auf Homeoffice umstellen, gibt es von Seiten der Bundesregierung bis dato nicht. Von Celina Aniol,Frauke Herweg,Jerome Lombardund Andreas Vogel