Kyritzer muss nach Reihe von Straftaten ins Gefängnis

Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährliche Körperverletzung und andere Delikte: Sie ist lang, die Liste der Straftaten, für die sich ein 22 Jahre alter Kyritzer am Donnerstag vor dem Neuruppiner Amtsgericht verantworten muss. Dass der Angeklagte nun im Gerichtssaal sitzt, liegt daran, dass er bei seiner jüngsten Tat gefasst wurde – und dass er einen „Riesenschutzengel“ hatte, wie die Richterin Cynthia Goldack sagt. Denn gerade die zuletzt von ihm verübte Straftat war kein Kavaliersdelikt. Polizistin mehrere Meter mitgeschleift: Es ist Anfang März, als der Angeklagte an einer Kyritzer Tankstelle vorfährt. An dem Auto, für das er keine Fahrerlaubnis besitzt, hat er ein zuvor gestohlenes Kennzeichen angebracht. Als eine Polizistin darauf aufmerksam wird, will sie ihn zu Rede stellen. Nach einem kurzen Gerangel an der geöffneten Fahrertür gibt der Angeklagte Gas – die Beamtin wird mehrere Meter mitgeschleift. „Das war nicht weit weg von der Tanksäule“, so die Richterin. Nur mit viel Glück trägt die Polizistin an dem Tag keine größeren Schäden davon – und auch sonst passiert niemandem etwas. Dennoch: Die Polizistin muss drei Tage lang stationär behandelt werden, für weitere sechs Wochen ist sie krankgeschrieben. Die Tat im März ist nach Ansicht der Richterin eine Zäsur. Einmal, weil der Angeklagte danach in Haft kommt. Und, weil sie am Ende einer Reihe von Straftaten steht, die sich steigerten. Rennen mit der Polizei geliefert: Wenige Wochen zuvor hatte sich der junge Kyritzer ein Rennen mit der Polizei geliefert. Der war ein zu schnelles Auto aufgefallen – dass der 22-Jährige keine Fahrerlaubnis hatte, kam noch hinzu. Bei der halsbrecherischen Fahrt achtete er weder auf Kreuzungen und rote Ampeln noch auf andere Personen. Wie eine Zeugin bestätigt, sei der Fahrer dabei auch an Kindern vorbeigerast. Hinzu kommt mehrfaches Fahren ohne Fahrerlaubnis – und das auch noch zu schnell und unversichert. Nicht nur am Steuer kam der Angeklagte seit 2015 mit dem Gesetz in Konflikt. Mehrfach kam es zu Diebstählen, mal stahl er ein Auto, mal brach er in eine Wohnung ein, mal in einen Keller. Dort entwendete er Schmuck im Wert von 3000 Euro – was als besonders schweren Fall des Diebstahls gesehen wird. Drogen spielten bei Straftaten eine Rolle: Es ist die Frage nach dem Warum, die im Raum steht. Dass die Diebstähle begangen wurden, um sich damit Drogen zu finanzieren – darüber kann nur spekuliert werden. Wieso sich jedoch gerade seit Dezember 2020 die Straftaten häuften, will die Staatsanwältin wissen. Es sei wohl der Kick gewesen, so der Angeklagte. Bei den meisten Taten, führt er weiter aus, sei er von Drogen berauscht gewesen. An diesem Tag geht es auch um die Vergangenheit des 22-Jährigen, der seit seinem 14. Lebensjahr harte Drogen nimmt. Aufgewachsen in zerrütteten Verhältnissen, mal bei der Mutter, mal beim Vater und mal in einer Pflegefamilie, fehlte dem Angeklagten schon früh der Halt. Verteidiger sieht durchaus Potenzial: Seine Mutter habe ihn und seine Geschwister tage- und wochenlang alleine gelassen, so der Angeklagte. Mit 14 dann der Absturz: Der Kyritzer landete auf der Straße, lebte ein Jahr lang ohne Obdach in Berlin. Er berichtet, wie er einmal – hungrig und frierend – seinen Vater um Hilfe bat. Die Antwort: selbst Schuld. Das alles entschulde den Angeklagten nicht, so sein Verteidiger. „Dennoch habe ich mich gefragt, ob Eltern, die ihre Kinder derart vernachlässigen, nicht auch auf der Anklagebank sitzen müssten“, sagt er. Sein Mandat habe durchaus Potenzial – „ich mag mir nicht vorstellen, was aus ihm geworden wäre, wenn er in einer vernünftigen Familie aufgewachsen wäre.“ Auch die Richterin attestiert dem Angeklagten, der eine Drogentherapie machen will, eine „sehr große Zerrissenheit.“ Er musste früh zusehen, wie er alleine zurecht komme. Jetzt müsse er allerdings auch zusehen, wie er wieder in geregelte Bahnen komme. Haftstrafe sowie Schmerzensgeld: Das Urteil deshalb: Eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, außerdem muss der Angeklagte 2000 Euro Schmerzensgeld an die Polizistin zahlen. Damit bleibt das Gericht unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft von drei Jahren Freiheitsentzug. Der Forderung des Verteidigers, den Haftbefehl für den Angeklagten – dessen Freundin in vier Wochen ein Kind erwartet – bis dahin aufzuheben, gab die Richterin hingegen nicht statt. Sie könne nicht mit Gewissheit sagen, dass keine Fluchtgefahr besteht. Zwar habe der Angeklagte, der sich geständig und reuig zeigte, durchaus Potenzial. „Machen Sie was draus“, so die Richterin. Er sei bereits auf einem guten Weg. Aber eben erst am Anfang dieses Weges. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Lesen Sie auch: Neuruppin: Radfahrer von Auto angefahren und bewusstlos liegen gelassen Verkehrssünderin muss ins Gefängnis Von Johanna Apel