Mann lieferte sich Verfolgungsjagd mit der Polizei und steht nun vor Gericht

Er wollte, dass ihn die Polizei nicht weiter verfolgt. Deshalb lieferte sich ein 30-Jähriger aus Niedersachsen in der Nacht des 22. Juli 2019 eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei. Etwa 20 Minuten dauerte die halsbrecherische Aktion vom Ortsausgang Berlin teilweise über die Autobahn, teilweise durch kleinere Orte. Auf der A 24 Richtung Hamburg hinter Kremmen endete die Fahrt. Nun muss sich der junge Mann vor dem Landgericht Neuruppin verantworten, unter anderem wegen Drogenhandels und Mitsichführens einer Pistole. Dabei soll er sich im Zustand verminderter Schuldfähigkeit befunden haben. Zurzeit ist er in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Angeklagter brach sein Schweigen: Am ersten Verhandlungstag hatte er zu den Vorwürfen geschwiegen. Nun redete er, auch zu der Vorgeschichte dieses Vorfalls, für den er auf der Anklagebank sitzt. Wie er dem Gutachter gegenüber berichtet hatte, hatte er eine eher lieblose Kindheit. Er fühlte sich gegenüber seiner Schwester immer benachteiligt. Er ist Legastheniker, was ihm große Nachteile im täglichen Leben bescherte. 2013 starb seine Mutter. Damals lebte er noch zu Hause. Den Tod hat er nicht gut verkraftet. Es kam zu Problemen im Elternhaus. Die Jahre zwischen 2016 und 2018 hat er als „Scheißzeit“ in Erinnerung. Er fuhr in Selbstmordabsicht gegen einen Baum. Dann kamen bessere Zeiten, wenn auch nur kurz. Weil ihm der „ganze Papierkram“ über den Kopf wuchs, holte er sich eine Betreuerin an die Seite. Sie brachte etwas Ordnung in sein Leben, verhalf ihm auch zu einer eigenen Wohnung. „Es wurde alles besser“, sagte er. Jedoch nur für kurze Zeit. Wie er sagte, lagerte sein Wohnungsnachbar bei ihm Drogen, was ihn wohl zunehmend belastete. Im Juni 2019 war er kurzzeitig in der Psychiatrie. Dort sprach er davon, dass er als Drogenkurier fungiere, da aber raus wolle. „Ich wollte einfach nur weg“: Um einen klaren Kopf zu bekommen, fuhr er nach Schweden. „Schön war es“, sagte er. Zurück in der Heimat fing alles wieder von vorne an. Er habe sich den Schlüssel vom Auto seines Nachbarn genommen, Drogen und Geld eingepackt und sei losgefahren. „Ich wollte einfach weg.“ So weit wie möglich. Die Drogen wollte er in Berlin verkaufen. Was ihm aber nicht glückte, weil er sich dort nicht auskannte. Dann wollte er sein Glück in Hamburg versuchen. Auf dem Weg dorthin kam ihm die Polizei in die Quere – mit Blaulicht und Martinshorn. „Da ging mir der Arsch auf Grundeis.“ In Höhe des Rasthofs Stolpe warf er mehrere Päckchen mit Drogen aus dem Fenster. „Danach habe ich mich schon besser gefühlt.“ Seine Flucht endete in einem Dienstfahrzeug der Brandenburger Polizei. Er wurde aus seinem Fahrzeug gezogen und kam wegen seines psychischen Zustands in die Ruppiner Kliniken. Dort beschrieben ihn die Ärzte als psychotisch, hoch aggressiv, drohend und angespannt. Eine Blutprobe ergab keine Hinweise auf Alkohol oder Drogen. Angeklagter war bei Festnahme akut psychotisch: Dass der Angeklagte bei seiner Festnahme akut psychotisch war, daran hatte der Sachverständige keinen Zweifel. Wann dieser Zustand allerdings einsetzte, konnte er nicht sagen. Er schloss eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht aus. Den Eindruck, den der Gutachter von dem 30-Jährigen gewann, war der eines Menschen mit „verbitterter Enttäuschung“. Er ging bei ihm von einer bipolaren Störung aus, die seit Jahren besteht. Eine günstige Prognose konnte der Gutachter nicht ausstellen. „Sein Zustand wird sich so schnell nicht ändern.“ Wenn es so weitergehe, seien weitere Taten zu erwarten. Ist er gefährlich für die Allgemeinheit, kann das Gericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Eine Entscheidung soll am 14. Februar fallen. Von Dagmar Simons

Prozess am Landgericht - Verfolgungsjagd über die Autobahn – Raser steht in Neuruppin vor Gericht