Neuruppin: Wie Schulen die Herausforderung Distanzunterricht meistern

Nicht nur für die Eltern und Kinder, auch für die Schulen ist der Distanzunterricht eine große Umstellung. „Am 13. März vergangenen Jahres, gerade als sich abzeichnete, dass die Infektionszahlen steigen, hatten wir Schulleiterberatung der örtlichen Grund- und Förderschulen“, erinnert sich Mathias Jäkel, Direktor der Neuruppiner Karl-Liebknecht-Schule. Die Frage nach dem ‚Was tun?‘ stand im Raum. „Wir wussten nicht, was passiert.“ Man habe ja immer erst auf Anweisungen der Behörden warten müssen. Insofern waren die Schulschließungen für die Schulen auch ein Sprung ins kalte Wasser. Er habe sich umgehend, so Jäkel, am 15. März, einem Sonntag, mit einem Dutzend Kollegen getroffen, um erste Überlegungen über Distanzunterricht zu besprechen und Aufgaben für die einzelnen Fächer vorbereitet. „In der Nacht zuvor habe ich noch die Lernplattform für unsere Homepage programmiert.“ Mit der Zeit habe man das Stück für Stück ausbauen können – nach den konkreten Anweisungen des Ministeriums, eigenen Ideen und Erfahrungen, was praktikabel ist. Die Schulen waren damals, so erinnert sich Mathias Jäkel, recht kurzfristig vom Ministerium in die Pflicht genommen worden, Pläne einerseits für den Normalbetrieb, als auch für das Wechselmodell aus hälftig Präsenz und Distanz und zudem für den ausschließlichen Distanzunterricht zu entwickeln. „Es gab verbindliche Kriterien – das hat geholfen. Wir haben uns außerdem die Elternvertreter ins Boot geholt, an der Konzeption mitzuarbeiten. Da kamen viele wichtige Hinweise.“ Etwa, dass die Kinder, die auf den Dörfern wohnen, keine stabile Internetverbindung haben und an den Videokonferenzen schwer bis gar nicht teilnehmen können. Es sei im Schulterschluss ein Konzept entstanden, was immer fortgeschrieben und an die aktuellen Gegebenheiten angepasst wird. Nun, im zweiten Lockdown, könne man auf die Erfahrungen des ersten zurückgreifen und sei deutlich besser gerüstet. Auch wenn in einigen Dingen noch Luft nach oben sei. „Man ist ja nie mit allem zufrieden – aber man muss schon vieles berücksichtigen und in Einklang bringen“, sagt der Schulleiter, etwa bezogen auf die technischen und personellen Voraussetzungen. „Für unsere Schule haben wir da schon eine gute Lösung gefunden. Der Unterricht findet zufriedenstellend statt“, zieht Jäkel Zwischenbilanz. Schulungen seitens des Schulamtes für Lehrer zum Distanzlernen gab es. „Das überlasse ich den Kollegen selbst, woran sie teilnehmen – da hat ja jeder andere Erfordernisse.“ Die Fortbildung zum Thema Videounterricht habe die gesamte Belegschaft absolviert. Auch sei der Kontakt zum Schulamt engmaschiger geworden. „Wir haben derzeit ein bis zwei Videoschalten pro Woche“, so Jäkel. Da könne vieles konkretisiert werden. Auch der Austausch zu den anderen Schulen sei erfreulich gewachsen. „Das hilft schon.“ Der Distanzunterricht an der Karl-Liebknecht-Schule basiert auf drei Säulen: Videounterricht – insbesondere für die Klassen 5 und 6 – in Deutsch, Mathe, Englisch und partiell auch für die Klassen 2 bis 4. „In Klasse 1 macht es keinen Sinn“, so Jäkel. Und auch für manchen Lehrer, der im Funkloch wohne, sei eine Klassen-Videokonferenz eher schwer. Als zweite Säule gebe es die Arbeitsblätter mit Aufgaben für alle Fächer. „Für die Kinder ohne technische Möglichkeiten in Papierform, per Post oder die Kollegen bringen es ihnen zum Briefkasten.“ Für alle anderen steht das Material auf der digitalen Lernplattform. „Da gibt es auch selbst erstellte Lernvideos der Kollegen und Audiodateien. Je nach Fach – was sich gerade anbietet. Das dritte Lern-Modul ist die sogenannte Anton-App. „Alle Kinder können in Deutsch, Mathe, Sachkunde und Gesellschaftswissenschaft Aufgaben bearbeiten.“ Der Fachlehrer schalte das zu bearbeitende Pensum wöchentlich frei. Als Lehrer könne man später genau sehen, was das Kind gemacht habe, wie lange und wie richtig. Für die Kinder sei es ebenfalls motivierend, weil man Sterne oder Münzen sammeln könne und damit – wie im Computerspiel – seine Avatare verbessern könne. Der Vorteil zum Videounterricht: „Dafür genügt ein einfaches Smartphone“, so Jäkel. „Die Kinder fahren da voll drauf ab – egal ob 1. oder 6. Klasse.“ Die Pädagogen richten sich mit ihrem Unterricht einerseits nach den staatlichen Vorgaben – es gebe aber auch viel Gestaltungsspielraum für die persönlichen Vorlieben der Lehrer, wie sie den Distanzunterricht gestalten wollen. Und die technischen Möglichkeiten. Mancher Lehrer nutze schon öfter mal sein persönliches Datenvolumen für die Videokonferenzen – mancher Schüler allerdings auch. Die technischen Voraussetzungen der Kinder seien schon sehr unterschiedlich. „Sogar in der Schule ist schon das System zusammengebrochen, weil der Router halt keine sechs Videokonferenzen zeitgleich verkraftet.“ „Mit der Strukturverkabelung sind wir erst 2022 dran“, bedauert Jäkel. Die Schüler, die in den Genuss des Videounterrichts kommen, seien schon dankbar, berichtet der Schulleiter über das Feedback der Kinder. Sie freuen sich auf den Austausch und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Auch was die Arbeitsdisziplin betreffe, sei er bislang ganz zufrieden. „Wir bemühen uns, morgens pünktlich anzufangen. Oft schon 7.50 Uhr – zur ersten Stunde“, so der Schulleiter. Das klappe gut. „Das hat den Vorteil, dass die Schüler nicht die ganze Nacht durch zocken, wenn sie wissen, Jäkel wartet und will Mathe machen“, vermutet der Pädagoge. Die Schüler würden einander in der Schalte auch sehen und sich austauschen können – auch wenn während der Arbeitsphasen wegen des Datenvolumens Kamera und Mikro ausgeschaltet werden. Und gibt es auch Feedback von den Eltern? „Den Eltern kann man nur allerhöchsten Respekt zollen“, stellt Jäkel voran. „Was die derzeit leisten, das ist unglaublich – mit Homeoffice und Videokonferenzen und zwischendurch ein Kind betreuen. Oder gar mehrere.“ Klar komme es vor, das Eltern genervt sind, wenn mal ein Link nicht stimmt oder irgendein Arbeitsblatt nicht druckbar ist. „Wenn sie uns dann anrufen oder mailen, weil es ein Problem gibt, sind wir immer bemüht, zeitnah Abhilfe zu schaffen.“ Es kam aber auch schon vor, dass Eltern anriefen und uns dankten: ‚Wir haben nur ein Kind – und Sie unterrichten sechs Stunden lang gleich 25 Kinder.“ Was wünscht sich Mathias Jäkel? „Natürlich ersetzt kein Videounterricht den normalen.“ Insofern wäre eine schnelle Rückkehr zum Präsenzunterricht die glücklichste Lösung. „Aber man muss es natürlich im Einklang mit der Inzidenz sehen.“ Zumal das Wechselmodell sehr personalintensiv sei. „Das können wir kaum leisten – weil wir ja da nebenher zusätzlich die Notbetreuung stemmen müssen. Fünf Klassenräume und mehr Personal brauchen. Da müssten wir uns Kooperationspartner oder Studenten auf Honorarbasis suchen.“ Dazu komme der Distanzunterricht für die andere Hälfte der Schüler, die gerade keine Präsenztage haben. „Wir werden sehen, wie das Ministerium entscheidet“, sagt Jäkel und hofft auf „gutes Augenmaß“. „Jede Schule versucht derzeit das bestmögliche.“ Er hoffe, dass bald alle Schüler über die nötige Technik verfügen. „Aber ich will nicht jammern – alles in allem läuft es relativ gut.“ Von Regine Buddeke