Ostprignitz-Ruppin will in Coronazeiten sicheres Reiseziel sein

„Der Sommer gab Hoffnung – auch wenn er sehr anstrengend war“, sagt Itta Olaj auf die Frage, wie es den Touristikanbietern seit dem ersten Lockdown geht. Die Zahlen für den Sommer bis in den September seien gar nicht so viel schlechter gewesen als die im Fontanejahr 2019. „Aber der Aufwand, der dafür nötig war, war natürlich ungleich höher – das darf man nicht vergessen“, so Olaj. Die Leute hätten sehr viel in Sicherheitsvorkehrungen investieren müssen – in Plexiglaswände, Lüftungssystem. „Da ist viel an zusätzlicher Energie und Mitteln geflossen.“ Auf der anderen Seite habe sie sehr viel Kreativität seitens der Kulturbetriebe wahrgenommen: „Die ständig umdisponieren mussten und sich ständig neu erfunden haben“, zollt sie Respekt. „Da wurden ja oft innerhalb kürzester Zeit neue Projekte auf die Beine gestellt.“ Und das, obwohl durch die Abstandsregeln viel weniger Zuschauer kommen konnten, was finanziell eine große Lücke riss. Die Kehrseite: Beim jüngsten Marketingstammtisch mit touristischen Vertretern des Ruppiner Seenlandes habe sie gehört, dass sich bereits erste Anbieter aus den Touristik-Vereinen abmelden. „Da merkt man jetzt schrittweise, dass die Reserven aufgebraucht sind. Einige werden es womöglich nicht schaffen.“ Der Tiefschlag sei dann der zweite Lockdown gewesen: Zuerst kam das Beherbergungsverbot für die Gäste aus Berlin, dann der für alle Gäste aus Inzidenz-Hotspots. „Und das genau zu Beginn der Herbstferien“, konstatiert Olaj. „Und das Weihnachtsgeschäft hat dann gänzlich gefehlt.“ Die Tatsache, dass es im März immer noch nicht richtig losgehen kann, lässt die Branche weiter wanken. „Unseren Anbietern bröckelt langsam der Optimismus weg“, hat Itta Olaj beobachtet. Die Stimmung sei schlecht, weil man nicht wisse, wann es wieder losgeht. „Aber diese Frage beschäftigt uns ja auch als Verband – so wie jeden einzelnen Kanuverleiher, Kulturveranstalter, Beherbergungsbetrieb und Gastronomen.“ Schon allein die Tatsache, Personal zu finden, wenn es von Null auf Hundert wieder losgeht. Gerade in der Gastronomie ist das ja selbst in Nicht-Pandemie-Zeiten ein heißes Thema. Und: „Bereits jetzt wandern viele Arbeitskräfte ab – in andere Branchen.“ Gütesiegel Gastfreundschaft mit Verantwortung: Konnte der Tourismusverband denn den Leistungsträgern helfen? Ja, mit Informationen, bestätigt Olaj. Der Verband bereite sich selbst gerade auf den Neustart vor, wo man als Reiseregion im Schulterschluss mit der Tourismus Marketing Brandenburg (TMB) die Aktion ‚Gastfreundschaft mit Verantwortung‘ gestartet habe. Warum? „Die Themen Gesundheit und Sicherheit werden zukünftig bei Reiseentscheidungen eine noch größere Rolle spielen“, sagt Itta Olaj. „Es geht darum, Brandenburg als sicheres Reiseziel zu kommunizieren.“ Die einzelnen Anbieter können sich unter diesem Motto kostenfrei zertifizieren lassen und mit diesem Siegel ihre Angebote bewerben. Das Siegel zeigt den Gästen: „Wir nehmen die Corona-Maßnahmen ernst, um unsere Gäste und Mitarbeiter zu schützen.“ Das könne auch auf verschiedenen touristischen Websites ausgespielt werden. Neue App Check-in Brandenburg: Auch wird es demnächst innerhalb dieser Aktion ein digitales Tool zum Checkin geben – zur digitalen Registrierung. „Das erleichtert im Ernstfall auch die Kontaktnachverfolgung.“ Das Ganze läuft über eine kostenlose App namens „Check-in Brandenburg“. „Für die Anbieter entfällt die Zettelwirtschaft. Für den Gast ist es auch komfortabler. Einmal registriert, kann er die Daten immer wieder verwenden – bei jedem Betrieb, der mitmacht.“ Anmelden und informieren kann man sich dazu unter www.tourismusnetzwerk-brandenburg.de/verantwortung. Die TMB habe außerdem für die Touristiker eine Informationsplattform geschaffen, wo Dokumente, Hilfestellungen, Vorlagen online abrufbar sind. Wie geht es los, wenn es wieder losgeht? „Wir rechnen verstärkt mit Tagesausflügen“, sagt Itta Olaj. „Wir bereiten gerade eine Aktion vor, in der wir alle attraktiven Ausflugsziele promoten: schöne Wanderwege etwa. Aber nicht nur: „Wir wollen die ganze Bandbreite abbilden, was man alles Schönes Im Ruppiner Seenland erkunden und besichtigen kann.“ Thema Wandern im Fokus: Ein Schwerpunkt dabei wird sein, nicht nur die bekannten Highlights zu bewerben, die jeder kennt. „Die bekannten Destinationen werden vermutlich ohnehin überrannt werden“, mutmaßt Itta Olaj. Daher liege es ihr am Herzen, die auch etwas weniger bekannten Orte ins Bewusstsein der Reisenden zu holen – quasi die Perlen am Wegesrand. „Wir kümmern uns zurzeit stark um das Thema Wandern.“ Das läge immer mehr im Trend und wurde 2020 noch durch die Flaute bei den Fernreisen zusätzlich befeuert. Der Wandermarathon am 1. Mai sei schon ausgebucht. Im Amt Temnitz soll demnächst ein Netz an Wegepaten aufgebaut werden – ein Netzwerk engagierter Menschen der Region, die Wanderwege quasi adoptieren und regelmäßig prüfen, ob die Qualität noch stimmt. „Unsere Wasserwege sind ja bekannt – damit haben wir ja unser touristisches Alleinstellungsmerkmal. Auch das Thema Rad ist schon gut im Kommen in der Region.“ Nun könne man auch das Wandern mehr in den Fokus rücken. Und noch ein Thema treibt Itta Olaj und ihr Team um: Die Solidarität innerhalb der gebeutelten Branche. Deshalb gibt es die Website www.brandenburghelfen.de. Das Motto dahinter: „Damit Lieblingsorte bleiben.“ Gutscheine betroffener Unternehmen: Von Corona betroffene Unternehmen können sich dort registrieren: Gastronomiebetrieb, Freizeiteinrichtung, Kulturangebot, Anbieter von Übernachtungsmöglichkeiten oder Lebensmitteln, Einzelhändler oder andere Dienstleister. Kunden können unterstützen, indem sie Gutscheine der Anbieter kaufen, die nach der Pandemie eingelöst werden können. Auch Spenden sind möglich – damit der Lieblings-Hofladen, das Stammrestaurant oder die Konzertscheune auch nach der Krise noch da ist. Itta Olajwurde 1968 in Wien geboren und wuchs in der Steiermark auf. Sie studierte Kultur- und Medien-Management und arbeitete lange im Kultur- und Medienbetrieb in Österreich. 2008 zog Itta Olaj nach Berlin – wo sie sich aber nie richtig zuhause fühlte, weil ihr die Natur direkt vor der Tür fehlte. „In der Steiermark galt: Einmal Ampel und ich war in der Natur.“ 2015 zog sie deshalb mit ihrem Lebenspartner nach Lindow – nicht nur wegen des Laufparks Stechlin, den sie als Triathletin und Ultramarathonläuferin bereits kannte und schätzte: „Wir haben uns in die Gegend verliebt.“ Ein paar Jahre pendelte Itta Olaj nach Berlin, wo sie beruflich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit mit erneuerbarer Energie zu tun hatte. 2017 zog das Paar nach Neuruppin. Olaj beschloss, auch beruflich dort zu wirken, wo sie lebt: „In der Region und für die Region“, sagt sie. 2019 reduzierte sie ihre Arbeit in Berlin und baute sich ein nebenberufliches Standbein in der Mark auf: im Tourismusbereich – als Schlossführerin in Rheinsberg, Führerin in der Neuruppiner Fontaneausstellung und Gästebetreuerin im Schloss Liebenberg (OHV). „Ich habe mich im Tourismus sehr wohlgefühlt“, sagt sie. Deshalb kam ihr die Stellenausschreibung des Tourismusverbands Ruppiner Seenland (TVRS) wie gerufen – 2020 startete sie dort als Vertretung im Bereich Marketing. „Durch Corona gleich jenseits des Normalbetriebes. Ich fing an und die erste Frage war: Kann die ITB stattfinden oder nicht?“ Eine Coronafolge: Itta Olaj legte sich ein Kajak zu und nutzte jedes Wochenende, um die Region zu Wasser zu erkunden. „Die Lauf- und Radwege kannte ich ja schon.“ Seit September 2020leitete sie nach dem Ausscheiden vom langjährigen TVRS-Chef Peter Krause die Geschäfte des Verbandes kommissarisch – seit Anfang 2021 ist sie offizielle TVRS-Geschäftsführerin. Lesen Sie auch: Hoffen auf den Neustart: Leere Veranstaltungsorte in Neuruppin, Kyritz und Wittstock Prignitz-Tourismus: Mehr Urlauber in der Region Bad Wilsnack: Ohne Therme kein Tourismus „Rechtlich fragwürdig“: Woidke gegen Touristenverbot in Ostprignitz-Ruppin 2020: Ostprignitz-Ruppin: Verband rechnet mit ausgelasteten Hotels im Sommer Von Regine Buddeke