So teuer wird die Coronakrise für Gemeinden in Ostprignitz-Ruppin und Prignitz

Die Coronakrise bringt vielerorts Menschen und ganze Branchen in finanzielle Nöte – auch die Städte und Gemeinden. Wie hoch fallen die Corona-Kosten für die einzelnen Kommunen aus? Wir haben im Ruppiner Land und in der Prignitz nachgefragt, auf welche Umsatz- und Gewerbesteuern die Rathäuser wohl verzichten müssen und wie viel Geld sie zusätzlich ausgeben – etwa für Hygieneartikel und die Einhaltung der Abstandsregeln. Pritzwalk: In Pritzwalk werden die Gewerbesteuereinnahmen aufgrund von Corona um hunderttausende Euro zurückgehen. Darauf hatte Bürgermeister Ronald Thiel bereits frühzeitig hingewiesen. Jetzt bestätigte dies auch Stadtkämmerin Kornelia Wienke, ohne eine konkrete Summe zu nennen. Sie befürchtet aufgrund der Gewerbesteuerausfälle in höherer sechsstelliger Größenordnung gravierende Auswirkungen für die städtischen Haushalte nicht nur für 2020, sondern auch für die Folgejahre. Ronald Thiel gab sich allerdings sicher, dass an der Dömnitz die vielen in den nächsten Jahren geplanten Investitionen trotzdem zustande kommen. Perleberg: Für Perleberg bezifferte Stadtkämmerin Ute Reinecke den Einbruch bei der Gewerbesteuer mit 273.000 Euro. Deutlich zu Buche schlägt in der Prignitz-Kreisstadt auch der Rückgang bei der Vergnügungssteuer mit rund 30.000 Euro. Selbst im Bereich Sondernutzung wird die Stadt auf etwa 10.000 Euro verzichten müssen – hier war sie den Einzelhändlern entgegengekommen. Die Einnahmen an Verwarn- und Bußgeldern sanken in der Corona-Zeit ebenfalls um etwa 5000 Euro. Hinzu kommen Mehrausgaben wegen Corona in Höhe von bis zu 35.000 Euro. Viel zusätzliches Geld wurde für Desinfektion und Reinigung ausgegeben. Lesen Sie dazu auch: Schule und Kita kostet die Gemeinde Berge viel Geld Wittenberge: Auch Wittenberge hat mit einem hohen Verlust an Gewerbesteuer als Folge des Corona-Lockdowns zu rechnen. Stadtkämmerer Freitag bezifferte die Minderung mit einer Summe von 351.800 Euro. Auch in der Elbestadt will man, wie in Pritzwalk und Perleberg, den Händlern entgegenkommen und entlastet sie bei den Sondernutzungsgebühren – die Mindereinnahmen dabei betragen aber nur 1500 Euro. Neuruppin: Bis Juni hat die OPR-Kreisstadt Neuruppin wegen der Corona-Pandemie etwa 1,5 Millionen Euro weniger als geplant eingenommen, sagt Kämmerer Thomas Dumalsky. Der Großteil der fehlenden Einnahmen resultiert demnach aus fehlenden und zurückgegangenen Steuereinnahmen. Allein dieser Bereich macht gut 900.000 Euro aus. Vergleichsweise wenig ins Gewicht fallen die Ausfälle durch fehlende Benutzungsgebühren. Auch die zusätzlichen Kosten für das Anschaffen von Desinfektionsmitteln, Schutzmasken und Schutzwänden sind mit etwa 40.000 Euro verhältnismäßig gering. Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise wird Neuruppin vermutlich erst in zwei, drei Jahren spüren, sagt Rathaussprecher Heiko Rähse. Dann kämen erst die Ausfälle der Gewerbesteuer zum Tragen. Rheinsberg: Rheinsberg war eine der ersten Kommunen Brandenburgs, die die Reißleine bei den Finanzen in der Coronakrise gezogen hat. Bereits Ende März rechnete die Stadt mit einem Minus von rund 800.000 Euro durch die Pandemieausfälle – und verhängte eine Haushaltssperre. Schnell war klar, dass das Defizit noch wachsen wird. Im Moment geht die Stadtverwaltung davon aus, dass sie in diesem Jahr mit etwa 1,3 Millionen Euro Mindereinnahmen klarkommen muss, sagt Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow. Mit den größten Ausfällen rechnet sie bei der Gewerbesteuer. Laut Plan sollten in die Stadtkasse 1,3 Millionen Euro von den Unternehmen fließen. Am Ende werden es laut Kämmerei wohl aber 450.000 Euro weniger sein. Rund 280.000 Euro weniger als sonst gibt es bei der Kurtaxe. Ob die Stadt einen Totalausfall mit rund 130.000 Euro bei der Tourismusabgabe tatsächlich verzeichnen wird, ist noch unsicher: Es gibt Streit darüber, ob Rheinsberg ganzjährig auf diese Abgabe verzichtet. Einbußen im sechsstelligen Bereich wird es aber auch bei der Umsatz- und Einkommenssteuer geben. Aber auch bei Parkgebühren (37.500 Euro), Eintrittsgebühren (4125 Euro) oder Mieteinnahmen bei Gemeinderäumen und Turnhallen (rund 7000 Euro). Hinzu kommt, dass die Kommune Mehrausgaben durch Corona hatte. Etwa durch verstärkte Kontrollen des Ordnungsamts. Wie hoch diese ausfallen werden, das ist noch unklar. Amt Lindow: Auch das Amt Lindow kann keine genauen Zahlen nennen. Die Verwaltung fragt gerade bei den Unternehmen an, mit wieviel Gewerbesteuer die Kommune in diesem Jahr rechnen kann, sagt Amtsdirektor Danilo Lieske. Klar sei, dass es in bestimmten Bereichen wie dem Gastgewerbe tiefe Einschnitte geben wird – genauso wie bei der Kurtaxe. Amt Temnitz: Der Temnitzer Amtsdirektor Thomas Kresse weiß, dass es auch bei ihm ein dickes Minus bei der Gewerbesteuer geben wird. Er ist aber zuversichtlich, dass Bund und Land mit dem kommunalen Rettungsschirm den Ausfall zumindest stark abfedern werden. Kresse spricht vor allem von den Mehrausgaben, die die Kommune durch Corona zu tragen hatte. So sei alleine im Bereich Arbeitsschutz eine fünfstellige Summe zusammengekommen. Auch der Posten für Kita-Personal wird erheblich größer sein als sonst, weil während der Pandemie deutlich mehr Erzieher für weniger Kinder in kleineren Gruppen nötig waren. Wer diese Ausgaben übernimmt, sei noch unklar. „Ich hoffe aber, dass wir auf nichts sitzen bleiben.“ Damit das nicht passiert, wären weitere Corona-Hilfspauschalen sinnvoll, meint Kresse. Er befürchtet wie auch sein Rheinsberger Kollege, dass der Rettungsschirm Besonderheiten wie Einbußen im Tourismusbereich nicht berücksichtigen wird. Den Amtsdirektor plagt außerdem noch eine andere Sorge: Dass die Corona-Finanzprobleme auch beim Landkreis ankommen – und dieser am Ende das Stopfen des Lochs in der Kreiskasse an die Kommunen weiterreicht. Sprich: Dass die Kreisumlage für die Gemeinden und Städte steigt. Heiligengrabe: Die Gemeinde Heiligengrabe hat bereits Anfang Mai die Notbremse gezogen und eine Haushaltssperre verhängt. Das heißt: Investitionen fallen aus. Stattdessen wird nur das Nötigste bezahlt. Wie sich die Corona-Krise konkret auswirken wird, lässt sich momentan nur schätzen. Sicher ist jedoch, dass große finanzielle Einbrüche bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer sowie beim Gemeindeanteil der Einkommens- und Umsatzsteuer zu verkraften sein werden. Die Gemeinde rechnet mit einem Verlust von elf Prozent. „Bei einem geplanten Ansatz von 5,5 Millionen Euro sind das 600.000 Euro“, teilt Bürgermeister Holger Kippenhahn dazu mit. Und die Ausfälle könnten auch noch höher ausfallen. Wittstock: Die Stadt Wittstock erwartet durch coronabedingte niedrigere Einnahmen und höhere Ausgaben eine Belastung für den Haushalt 2020 in Höhe von 766.000 Euro. Erwartet wird bei der Einkommenssteuer laut Prognoserechnung ein Gemeindeanteil in Höhe von 3,7 Millionen Euro. Die Mindereinnahmen für 2020 belaufen sich im Vergleich zum Vorjahr auf rund 330.000 Euro. Das ist ein Minus von 8,1 Prozent. Bei der Umsatzsteuer erwartet die Stadt einen Gemeindeanteil von rund 750.000 Euro. Die Mindereinnahmen werden mit rund 25.000 Euro angegeben. Das ist ein Minus von 2,84 Prozent. Die Mehrausgaben werden bis 31. Mai mit rund 31.000 Euro beziffert. Gründe dafür sind der Kauf von Desinfektionsmitteln, -tüchern und -ständern, Mundschutz, Spuckschutzwänden, EDV-Technik für Homeschooling und Homeoffice. Wusterhausen: In der Gemeinde Wusterhausen sind es derzeit sechs Betriebe, welche coronabedingt die Gewerbesteuer-Vorauszahlungen haben auf Null setzen lassen. Diese hätten eine Vorauszahlung über 27.000 Euro zu bezahlen gehabt, teilt Bürgermeister Philipp Schulz nach Rücksprache mit Kämmerer Tobias Kaminski mit. „Eine deutlich negativere Veränderung kann aber nicht ausgeschlossen werden.“ Ein Vorteil der Gemeinde sei es, dass die Branchen wie Landwirtschaft, Apotheken, Versorgung und Onlinehandel von der Krise nicht ganz so stark betroffen sein dürften. „Im Bereich der Einkommens- und Umsatzsteuer rechnen wir aktuell mit einer Einbuße von bis zu 18 Prozent“, informiert Schulz. Den Haushaltsansatz für 2020 zugrundegelegt, bedeute dies einen Minderertrag in Höhe von knapp 320.000 Euro. Im Bereich von kommunalen Einrichtungen wie Museum und Strandbad rechnet er mit einem Minderertrag von etwa 2.500 Euro: „Glücklicherweise konnten Bootsverleih und Strandbad geöffnet werden. Auch wird Schwimmunterricht angeboten. Ansonsten wäre der Fehlbetrag noch höher.“ Mehraufwendungen in Höhe von 10.000 Euro schlagen bislang schon zu Buche aufgrund der Corona-Maßnahmen wie etwa Spuckschutz, Handschuhe, Masken, Desinfektion. Die Gemeindevertretung werde voraussichtlich am 7. Juli einen Nachtragshaushalt aufstellen. Philipp Schulz sagt: „Trotz dieser Einnahmeausfälle, die uns mit Sicherheit auch noch Jahre später beschäftigen werden, müssen und wollen wir als Kommune weiter in sinnvolle Projekte investieren (Umbau und Sanierung Bildungscampus, Neubau Feuerwehrgerätehaus Wusterhausen, ÖPNV-Verknüpfungspunkt, Löschwasserversorgung etc.). Es bedarf jedoch geeigneter Förderprogramme, um diese Projekte umsetzen zu können und ich hoffe sehr, dass die Landesregierung hier entsprechende Unterstützung leisten wird. Andernfalls sind die Vorhaben nicht umsetzbar.“ Kyritz: Laut dem Kyritzer Kämmerer Michael Köhn kann „ein konkreter finanzieller Schaden, der direkt auf die Pandemie zurückzuführen ist, betraglich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer geschätzt werden“. Er begründet dies mit den Gewerbesteuervorauszahlungen, die sich an den durch das Finanzamt abgerechneten Vorjahren orientieren. Wie das Geschäft aktuell lief, macht sich in der Steuer oft erst später bemerkbar. Aber auch in Kyritz nutzen im Zuge der Corona-Hilfsmaßnahmen viele Gewerbetreibende die Möglichkeit, diese Vorauszahlungen unbürokratisch auf „Null“ herabzusetzen. Auch hier gelte: „Wie realistisch die Herabsetzung in diesen Einzelfällen tatsächlich war, wird sich zeigen, wenn die Jahresabrechnung in rund zwei Jahren vorliegt. Eine verlässliche Prognose sei nicht möglich. „Bereits messbare Verluste“ indes gibt es laut Köhn bei Vergnügungssteuern (geschlossene Spielhallen, geringere Park-, Benutzungs-, Mahngebühren): geschätzter Verlust rund 50.000 Euro. Und auch in Kyritz sind Mehrkosten entstanden „hauptsächlich zur Erfüllung der gestiegenen Hygieneanforderungen in unseren Einrichtungen“. Für die erwarteten Steuerausfälle im Bereich der Einkommen- und Umsatzsteuer, von denen auch der Stadthaushalt gespeist wird, sind wichtige Hilfen durch Bund und Land angekündigt, so dass es die Stadt nicht voll treffen wird, hofft Köhn. Lesen Sie dazu auch: Kyritzer Stadtverordnete setzen wegen Corona den Bürgerhaushalt 2021 aus Von Bernd Atzenroth, Andreas Vogel, Celina Aniol, Björn Wagener, Matthias Anke