Papierfabrik Hohenofen wird digital

Es kommt wie gerufen. Ja, ein Glücksfall ist es geradezu, dieses nächste Themenjahr der Brandenburger Kulturland-Kampagne. Dessen Titel lautet für 2021 schließlich „Zukunft der Vergangenheit – Industriekultur in Brandenburg“. In Hohenofen sind die Akteure rund um den dortigen Förderverein Patent-Papierfabrik regelrecht elektrisiert. Ist es doch eine weitere Gelegenheit, diesem europaweit einzigartigen, aber eben noch nicht ganz geretteten Industriedenkmal noch mehr öffentliche Wahrnehmung zu verschaffen. Projekt mit Kyritz, Neustadt und Wusterhausen: „Das wird was ziemlich Großes, wir sagen dazu im Moment Verbundprojekt“, erklärt Irina Maslennikova vom Verein: „Denn die Region tritt gemeinsam auf, wir zusammen mit dem Wegemuseum in Wusterhausen, dem Gaswerk in Neustadt und mit der Stärkefabrik in Kyritz zum Beispiel.“ „Kulturland Brandenburg“ ist ein regelmäßiges Kulturfestival, das seit 1998 jedes Jahr mit einem neuen Thema und allerhand neuen Projekten zu Entdeckertouren durchs Land einlädt. Lautete es 2019 „Fontane.200/Spuren“, war es in diesem Jahr „Krieg und Frieden. 1945 und die Folgen in Brandenburg“. Seit Oktober wird in Hohenofen saniert: Das in Hohenofen bisher in seiner Substanz bedrohte Ensemble bekommt nach etlichen Jahren voller Bemühungen seit dem Oktober vor allem baulich wieder eine Zukunft. Die Sanierung läuft, die vielmehr als eine Konservierung gilt, um den Charme der Ruine zu erhalten. Auch der Niedergang der Fabrik sei nun mal Teil ihrer Geschichte, hieß es anlässlich des Startschusses dieser fortan fünfjährigen Bauphase. Die Räume sollen öffentlich begehbar werden. Es geht um Brandschutz und Fluchtwege und eben jede Menge Reparaturen vom Dach bis in den Keller und vorbei an allerhand zu konservierenden Maschinen. Christin Krause, die Vereinsgeschäftsführerin, sagt: „Aber auch im Hintergrund wird hier viel weitergearbeitet, nämlich inhaltlich. Wie machen wir das alles am besten begehbar? Wie vermitteln wir diese Geschichte?“ Sie blickt auf viele gute Veranstaltungen zurück, die trotz der Corona-Situation 2020 möglich waren. Und sie hat schon die nächsten Projekte vor Augen. Großformatige Bilder für das Außengelände: Keinen Weihnachtsmarkt in der Fabrik veranstalten zu können, sei zuletzt ja „keine große Überraschung“ mehr gewesen. Aktuell werde dafür an großformatigen Bildern gearbeitet, welche die Fabrik auch von außen erlebbar machen sollen, ergänzt um Zeitzeugenerklärungen als Hörstücke. Neben diesem audiovisuellen Projekt für das Außengelände gibt es ein „Digitalisierungsprojekt“. Gefördert vom Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur wird die Fabrik derzeit aus jedem Winkel fotografiert. Experte hierfür ist Juri Wolf aus Kyritz-Wilhelmsgrille. Der Softwareexperte und IT-Fachmann kennt sich mit der Datenaufbereitung aus, entwickelte beispielsweise schon die Datenbank der Akademie der Künste in Berlin. Papierfabrik bald auch bei „Museum digital“: Hohenofen soll am Ende auf der Online-Plattform „Museum digital“ mit erscheinen. „Vorher aber gibt es noch viel zu prüfen und zu forschen, inhaltlich, historisch und fachlich. Denn das muss ja alles Hand und Fuß haben“, sagt Irina Maslennikova. Diese virtuelle Papierfabrik bereichere dann aber auch den eigenen Internetauftritt. Und Christin Krause sagt: „Wir wollen in den Oster-, Sommer- und Herbstferien wieder je eine Projektwoche anbieten für Kinder und Jugendliche.“ Nicht zuletzt hätten am Papierschöpfen, Linolschnitt oder Buchbinden zum Beispiel auch Erwachsene schon ihren Spaß gehabt, oder am Erlernen alter Handschriften. „Das war dieses Jahr sehr stark nachgefragt.“ Während baulich neben dem Eigenanteil samt Spenden alles den Fördergeldern von Bund und Land sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zu verdanken ist, zapfen sie fürs Inhaltliche noch viele weitere „Töpfe“ an: das Programm „Fabrik offen“ des Landkreises, das Programm „Neustart Kultur“ des „Fonds Soziokultur“, die Integrationspauschale des Landkreises, das Programm „Künste öffnen Welten“ der Bundesinitiative „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Und so weiter. Der Traum von einem Besucherzentrum: Christin Krause: „Wir wollen hier ja etwas real nutzbar machen, nicht etwas um der Sanierung Willen sanieren. Wir wollen bei allem realistisch bleiben.“ Träumen ist trotzdem erlaubt: Eines der Gebäude ließe sich beheizen und damit ganzjährig nutzen. Aus dem Erdgeschoss, das einst eine Tischlerei war, könnte ein Besucherzentrum samt Café werden. In der ehemaligen Leim-Küche darüber könnte eine Kreativwerkstatt entstehen. Ein Raum für kleine Tagungen sei denkbar. Ganz oben auf dem sogenannten Lumpenboden könnte – von einem Nachbargebäude aus ankommend wie einst auch der Rohstoff für die Papierproduktion – der ungewöhnliche Startpunkt liegen für einen Fabrikrundgang. „Besucherfluss“ sagen sie in Hohenofen dazu. Etliche Zeitzeugengespräche trugen zu diesem Konzept bei. Industriedenkmäler könnten kooperieren: Allein sind sie bei alledem ja auch nicht – wie es die Kulturland-Kampagne beweisen dürfte. Von ihr erhoffen sich die Hohenofener viele neue Kontakte und folglich Ideen. Zur Vulkanfiberfabrik in Werder/Havel (Potsdam-Mittelmark) gab es kürzlich schon unverhofften Kontakt. Irina Maslennikova verrät: „Von dort stammende Maschinen könnten demnächst von uns zurückgegeben werden.“ Natürlich so, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Die erfahre dann einerseits einmal mehr davon, wie einst Papier in Hohenofen produziert wurde, und andererseits, was sich hinter dem Begriff Vulkanfiber überhaupt verbirgt. Doch das ist eine andere Geschichte. Von Matthias Anke