Pfingsten mit Orgelmusik und offener Kirche in Rheinsberg

Den meisten Besuchern der Kirche von Rheinsberg bleibt Jesus wohl fremd – Sandra Bothe sieht ihn deutlich vor sich. Sie war ihm in den vergangenen Monaten ganz nahe. Immer dann, wenn die Restauratorin auf ihr Gerüst an der nördlichen Wand des Chorraumes in der Kirche geklettert ist. Jesus ist das zentrale Element der mittelalterlichen Malereien, die Sandra Bothe und ihre Kollegen dort freigelegt und teilweise wieder sichtbar gemacht haben. Als „Weltenrichter“ schwebt er lebensgroß über einer der beiden ursprünglichen Pforten, die im Mittelalter in die Kirche geführt haben: Christus aufrecht stehend, die Arme ausgebreitet, unter sich vermutlich die Erdkugel. „In der einen Hand hält er ein Schwert, in der anderen wohl eine Lilie“, sagt Sandra Bothe mit Kennerblick und zeigt auf die Wand. Laien sehen von Ferne ein beeindruckendes Flechtwerk aus rostroten ranken, die sich von der Decke aus über die Wand ziehen. Ein wunderschönes Ornament, Jahrhunderte alt. Unterbrochen wird das Flechtwerk von einem senkrechten Band aus schlichtem grauen Putz. Dem Putzstreifen verdanken die Rheinsberger, dass die Malerei in der St.-Laurentius-Kirche wieder zu sehen ist. Die Wandbemalung war fast 500 Jahre lang nicht zu erkennen, niemand wusste, dass es sie überhaupt gibt. Als Bauarbeiter bei der Sanierung vor zwei Jahren den alten Schornstein der einstigen Heizung herausrissen, schlugen sie dabei auch kleine Teile des Putzes aus der Renaissancezeit um 1568 ab. Damals wurde die Rheinsberger Kirche umgebaut und dabei stark verändert. Auf die bemalten Wände kam eine weißliche Putzschicht, die Bilder verschwanden. Bis sie jetzt am Rand des Schornsteines plötzlich wieder auftauchten. Bothe und ihre Kollegen waren sofort begeistert. „Das ist die Sternstunde jedes Restaurators“, sagt sie noch immer mit glänzenden Augen. In mühevoller Kleinarbeit haben die Restauratorinnen die Wandbemalung auf mehreren Quadratmetern freigelegt. Geld für die Restaurierung des Bildes gab es damals aber nicht. „Wir konnten nur eine Notsicherung vornehmen“, sagt Sandra Bothe. Jetzt, zwei Jahre später, durften die Restauratorinnen endlich noch einmal Hand anlegen. Ein anonymer Spender war von der Entdeckung offenbar so beeindruckt, dass er rund 10.000 Euro an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für den Erhalt der mittelalterlichen Malerei überwiesen hat. Dank dieser Spende konnten die Restauratorinnen den freigelegten Teil der bemalten Wand nun weiter reinigen und dauerhaft sichern. Gerade sind sie mit ihrer Arbeit fertig geworden. Jetzt strahlen die Farben wieder viel kräftiger als noch 2018. Das Rot leuchtet fast, wenn die Sonne durch die Fenster darauf fällt. Die Kirche lädt Pfingstsamstag zu Besichtigung mit Musik: Ein Manko aber bleibt: Das aufwändige Rankwerk ist deutlich zu sehen. Die Szenen aus der Passionsgeschichte darunter können Besucher aber noch immer nur erahnen. Nur ein paar dunkle Stellen im Putz sind noch zu erkennen. Was tatsächlich abgebildet ist, haben die Restauratorinnen vom Gerüst aus gesehen, weil die Umrisse der Figuren mit feinen Linien in den Putz geritzt wurden. Für Gäste soll es künftig Blätter geben, auf denen die Linien nachgezeichnet sind, damit jeder sehen kann, wie Jesus auf einem Esel in Jerusalem einreitet, umgeben von seinen Jüngern, wie es einst auf die Wand gemalt wurde. Am Pfingstsonnabend, 30. Mai, lädt die Gemeinde zum Tag der offenen Tür ein. Jeder kann die Kirche und das Wandbild – unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln – besichtigen. Dazu gibt es von 10 bis 20 Uhr Orgelmusik. Musiker aus der Region proben den Tag über öffentlich auf den beiden Orgeln der Kirche in Rheinsberg. Lesen Sie auch: Tipps für Ausflug zu Pfingsten für Prignitz Neuruppin Kyritz Wittstock Rheinsberg Von Reyk Grunow

Kultur zu Pfingsten - Rheinsberg: Anonymer Spender lässt Wandbild aus dem Mittelalter retten